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Steffen Seibert ist neuer Regierungssprecher
Einen ungünstigeren Zeitpunkt für seinen Dienstantritt hätte sich der ZDF-Nachrichtenmann kaum aussuchen können. Die schwarz-gelbe Koalition steckt nach monatelangen Querelen – unter anderem um die Gesundheitspolitik – im Stimmungs- und Umfragetief. Sie hat sogar erstmals seit dem Wahlsieg von Union und FDP im September 2009 ihre Mehrheit in der Bevölkerung verloren. Mehr noch: Weitere schwierige Wochen und Monate stehen Kanzlerin Angela Merkel ins Haus. Die Reform der GKV-Finanzierung liegt erst in Umrissen auf dem Regierungstisch. Jetzt beginnt die Detailarbeit. Und im Kleingedruckten steckt viel Ärger. Aber auch die von Verteidigungsminister zu Guttenberg favorisierte Aussetzung der Wehrpflicht, der Umbau der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee, trifft eine konservative Volkspartei wie die Union ins Markt. Die Themen Steuern und Atomkraft garantieren ebenso mehr Streit denn koalitionäre Harmonie. Da ist es hilfreich, wenn die Bundesregierung einen Botschafter an die Spitze des Bundespresseamtes bestellt, der auch schlechte Nachrichten mit Charme verpacken kann.
Schon vor seinem offiziellen Amtsantritt versuchte Steffen Seibert, sich die Sympathien der Berliner Korrespondenten zu sichern: Er habe schon fast alle demokratischen Parteien gewählt. Die Aussage des Wechselwählers störte zwar viele in CDU und CSU. Doch für Merkels Parteianhänger war die Botschaft auch nicht platziert. Politische Unabhängigkeit demonstrieren wollte der Neuling auf dem Berliner Parkett. So etwas kommt meistens gut an bei den Hauptstadtjournalisten. Regierungssprecher, die ihre Parteinähe zu stark durchscheinen ließen, hatten in der Vergangenheit immer einen schweren Stand.
Am ersten Arbeitstag setzt der 50-Jährige seine Charmeoffensive fort: "Echt nervös" sei er und wie bei der "Abi- und Führerscheinprüfung zusammen" fühle er sich bei der Premiere vor der Bundespressekonferenz. Hektische roten Flecken auf den ungeschminkten Wangen verraten, dass Seibert nicht schummelt. Aber der routinierte Moderator redet seine Nervosität weg: Smart, telegen, wortgewandt, das ist Seibert. "Große Überraschung" ausgelöst habe bei ihm der Anruf Angela Merkels vor wenigen Wochen. Doch die Zusage folgte prompt. Jetzt sucht Seibert eine Wohnung in Berlin, Frau und drei Kinder sollen in einem Jahr folgen.
Viele Aufgaben warten. Und seit wenigen Tagen ist der Mann vom Zweiten nun auch Staatssekretär, der mit dem Bundespresseamt eine Behörde mit rund 450 Mitarbeitern leiten muss, und – wohl das Wichtigste – die Politik der Regierung erklären und verkaufen soll. Letzteres kann man als Fernsehmann automatisch. Ersteres nicht unbedingt. "Das ist viel Neues auf einmal", räumt er ein. Zumal sein neuer Job eine gewisse Präzision erfordert, vor allem aber detailreiche Kenntnisse über Themen und Innenleben der Regierung. Daran wird Seibert in den nächsten Monaten gemessen werden, gestern war er noch ganz der nette Moderator vom ZDF. Warum er den stressigen Job übernommen habe? Seibert drückt sich nicht um Persönliches: Er glaube aber, dass die Ziele der Regierung richtig seien. Außerdem habe er "große Sympathie und Bewunderung für die Arbeit der Bundeskanzlerin".
Sein Vorgänger Ulrich Wilhelm, der Intendant beim Bayerischen Rundfunk wird, kannte das politische und journalistische Geschäft gut; er war Zögling von Edmund Stoiber, und er wusste um die vielen Fallstricke, in denen sich ein Sprecher verheddern kann. Außerdem war er bei den Korrespondenten beliebt. Seibert hingegen hat den Berliner Betrieb bisher nur vom Mainzer Lerchenberg aus beobachtet. Bei Wilhelm holte er sich deshalb einen "Extrem-Crash-Kurs". Dass der nicht reichen wird, weiß er selbst: Er müsse sich zunächst noch anschauen "wie es läuft, ich kenne die Gepflogenheiten nicht", so Seibert entwaffnend offen.
Angela Merkel wünscht ihm jedenfalls, dass er erfolgreich arbeite, und zwar schon aus "Eigeninteresse". und versichert, dass der "Neue" wirklich Zugang zu ihr und all den Runden und Zirkeln in der Regierung findet. Denn darauf kommt es an. Bei seinem ersten Auftritt vor der Bundespressekonferenz wird Seibert dann auch schon einmal traditionsgemäß ein bisschen getestet. Atompolitik, Pakistan, Wehrpflicht, Steuerreform, geschont wird er nicht. "Keine Ahnung" rutscht ihm zwischendurch raus, die Journalisten gucken verdutzt angesichts so viel Ehrlichkeit. "Ich entschuldige mich, es ist mein erstes Mal", schiebt er nach. Die Hauptrolle im Regierungsfilm spielt Seibert noch nicht. Das merkt man.
Ob er sich angesichts der schwarz-gelben Krise wie auf der Titanic fühle, wird er gefragt. Nein, das Schiff sei "sehr seetüchtig", lautet seine Antwort, die dann aber schon ganz professionell nach Regierungssprecher klingt.
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