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Uni-Porträt
Highlight im Norden – die Pharmazie an der Universität Kiel
Das Institut für Pharmazie der Christian-Albrechts-Universität in Kiel gehört zur mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät und bildet in ihr eine eigene Sektion. Es ist in vier Abteilungen für Pharmazeutische und Medizinische Chemie, Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Pharmazeutische Biologie und neuerdings auch Klinische Pharmazie gegliedert. Die Pharmakologie ist hingegen Teil der Medizinischen Fakultät – von diesem lange bewährten "Kieler Modell" wird noch die Rede sein.
Pharmazeutischer Mini-Campus
Das Pharmazeutische Institut hat sich in den 1930er Jahren von der damals in der Altstadt angesiedelten Chemie abgespalten und ist seitdem in einer Stadtrandlage angesiedelt, die nur wenige Busstationen von der Innenstadt entfernt liegt und eine gute Infrastruktur bietet. An diesem Standort ist inzwischen ein pharmazeutischer "Mini-Campus" mit einem sehr guten Raumangebot entstanden. Alle Abteilungsgebäude sind um den zentral gelegenen, großen Arzneipflanzengarten herum angesiedelt. Das alte Hauptgebäude, der Hörsaaltrakt und das Laborgebäude aus den 1960er Jahren wurden 2006 grundlegend modernisiert und an moderne Sicherheitsanforderungen angepasst. Die modernen Praktikumssäle sind großzügig gestaltet und bieten breite Abzugsplätze für alle Studierenden. Das Technologiegebäude von 1989 entspricht weiterhin dem neuesten Stand. Ein weiteres Gebäude des Pharmaziezentrums beherbergt die Pharmazeutische Biologie.
Erfolgreich im Ranking
Mit 422 Studierenden (Stand: Wintersemester 2009/10) und jeweils 55 Erstsemester-Studienplätzen im Sommer- und Wintersemester gehört Kiel hinsichtlich der Größe zu den Pharmaziestandorten im oberen Mittelfeld. Die Aufnahmekapazität wurde erst vor wenigen Jahren um 20 Prozent erhöht. Dies war das Ergebnis des sogenannten "Hochschulpaktes 2020" und einer hervorragenden Evaluation im Verbund Norddeutscher Universitäten, berichtet Prof. Dr. Bernd Clement, Vorsitzender des Vorstandes des Pharmazeutischen Instituts in Kiel. In der Evaluation wurden die Lehre und die räumlichen Bedingungen der Universitäten in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen verglichen. Das besonders erfolgreiche Abschneiden der Kieler Pharmazie ebnete den Weg für die Vergrößerung und die zusätzlichen Mittelzuweisungen für Stellen, Verbrauchsmaterial und Geräte.
Die Kieler Pharmazie erreicht auch in bundesweiten Vergleichen immer wieder ausgezeichnete Ergebnisse. Sie wurde 2003 beim ersten bundesweiten Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) neben Regensburg und Jena als "Studientipp" genannt und besonders für zielstrebige Studenten empfohlen, die gut beraten werden und in kurzer Zeit ihr Studium abschließen wollen. Als einziger Pharmaziestandort wurde Kiel in allen drei Rankings, also auch 2006 und 2009, jeweils zum "Studientipp" gekürt. Im Ranking von 2009 wurde Kiel neben Basel, Berlin, Freiburg, Halle, Jena und Marburg für die insgesamt überdurchschnittlich gute Studiensituation gelobt, außerdem wurde es neben Berlin, Freiburg und Jena hinsichtlich der Betreuung und Laborausstattung hervorgehoben. Im neuesten Ranking im "Zeit"-Studienführer für 2010/11 erhalten nur Freiburg, Jena und Kiel in vier von fünf Kategorien die Bestnoten.
Clement ist über das hervorragende Abschneiden sehr erfreut und erklärt: "Kiel muss besser sein als andere, denn es hat nur ein kleines Einzugsgebiet." Die Studiensituation in Kiel habe auch Folgen: "Die Nachfrage nach Kiel ist größer geworden", meint Clement, "das spürt man."
Pluspunkte neben dem Studium
Neben den fachlichen Qualitäten sprechen für Kiel sicher auch die außergewöhnlich guten Freizeitmöglichkeiten einer Stadt, die unmittelbar an der Ostsee liegt. Zudem verweist Clement auf die große Zahl studentischer Riten und Veranstaltungen, die an der Kieler Pharmazie bewusst gepflegt werden – von der Erstsemesterfete über Fußballturniere, das "Kittelaufhängen" nach dem Praktikum des achten Semesters und den Examensball bis zu den Veranstaltungen der Jungdoktoranden. Diese Ereignisse seien für alle Beteiligten sehr wichtig. Dabei lobt Clement auch den "guten Draht" zur Fachschaft und die kurzen Kommunikationswege bei einer noch überschaubaren Institutsgröße.
Ergänzung und Vernetzung
Zusätzlich zum Staatsexamensstudiengang Pharmazie ist in Kiel ein Abschluss in Diplom-Pharmazie etabliert, der nach dem zweiten Teil des Staatsexamens im günstigsten Fall in sechs Monaten mit einer Diplomarbeit und einem Diplomkolloquium erreicht werden kann. Vielleicht ist auch diese Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten eine Erklärung für die Promotionsquote der Kieler Pharmazie, die mit 20 Prozent als hoch gilt. Als Ersatz für das Diplom soll demnächst ein nicht-grundständiger Master-Abschluss mit ebenfalls individuellem Arbeitsschwerpunkt angeboten werden.
Außerdem ist die Pharmazie seit Einführung eines Biochemie-Studienganges in Kiel auch an dieser Ausbildung beteiligt, indem sie ein Grundpraktikum anbietet. "Denn man muss sehen, dass man sich vernetzt, das ist ganz wichtig", erklärt Clement. Angebote aus der Pharmazie können daher auch als Nebenfach von Studierenden der Biochemie, Chemie und Biologie gewählt werden.
Hinsichtlich der Vernetzung steht die Pharmazie grundsätzlich vor einem Dilemma, erläutert Clement, der auch Vorsitzender des Verbandes der Pharmazieprofessoren in Deutschland ist. Einerseits sollte das Fach sich nicht isolieren, sondern Lehre in andere Fächer exportieren. Denn dann wären immer auch andere Studiengänge betroffen, wenn Kapazitäten in der Pharmazie vor einer möglichen Streichung stehen. Doch andererseits dürfen Numerus-clausus-Fächer keine Angebote machen, die zulasten der eigenen Studienplätze gehen, außer wenn sich das Angebot ebenfalls an ein Numerus-clausus-Fach richtet. Möglich seien allerdings freiwillige Leistungen, die zusätzlich zur festgelegten Kapazität in der Pharmazie erbracht werden.
Pharmazeutische Chemie – Prodrugs und Aquaporine
Ein Schwerpunkt der Forschung des Pharmazeutischen Chemikers Prof. Dr. Bernd Clement ist die Entwicklung von Prodrugs, also von oral bioverfügbaren Stoffen, die erst durch Biotransformation in die Wirkform überführt werden, die selbst aber nicht oder nur unzureichend oral verfügbar wäre. Die Grundlagenforschung auf diesem Gebiet hat sogar zur Entdeckung eines Enzyms geführt, das in allen menschlichen Organen zu finden ist und dessen Funktion bisher unbekannt war. Das Molybdän-haltige Enzym wird nach seiner Funktion und Lokalisation als mitochondriale Amidoxim-reduzierende Komponente bezeichnet. Die Übertragung dieser Erkenntnisse auf Arzneistoffkandidaten mit Amidin- oder Amidoxim-Struktur hat bereits zur Zusammenarbeit mit mehreren pharmazeutischen Herstellern geführt. Viele Verbindungen befinden sich in klinischen Studien zum Einsatz gegen Herz-Kreislauf- oder Tumor-Erkrankungen. Die Patente wurden von der Patentverwertungsagentur der Universität an die Deutsche Bank verkauft, die nun weitere Entwicklungen finanziert. Dies sichert die nötigen Mittel für die Forschung, sorgt aber auch für zeitlichen Druck. Daneben werden im Arbeitskreis von Clement Phenanthridine als potenzielle Zytostatika und Hemmstoffe für Enzyme des Stickstoffmonoxid-Stoffwechsels synthetisiert, getestet und optimiert.
Die Forschung von Clement ist insbesondere der Biochemie und der Analytik zuzuordnen, denn eine ausgefeilte Analytik ist notwendig, um die Umwandlung der Prodrugs nachzuweisen. Ein Nachfolger für Prof. Dr. Dieter Heber, der im vorigen Jahr in den Ruhestand getreten ist, soll zum bevorstehenden Wintersemester seine Arbeit aufnehmen und mit der Synthese einen anderen wichtigen Teilbereich der Chemie abdecken.
Als weiterer Professor in der Pharmazeutischen und Medizinischen Chemie vertritt Prof. Dr. Eric Beitz vorrangig die Molekularbiologie. Dabei geht es um große Moleküle wie Proteine oder die DNA als Zielstrukturen, und doch steht für Beitz ein ganz kleines Molekül im Mittelpunkt – das Wasser. Denn Beitz forscht hauptsächlich über Aquaporine. Durch diese Mitte der 1990er Jahre entdeckten Kanalproteine der Zellmembran werden Wasser und andere kleine Moleküle transportiert. Dies ist für den Wassergehalt fast aller Organe entscheidend.
Die Aquaporine haben Beitz in seinem bisherigen Lebenslauf in besonderer Weise begleitet, denn er arbeitete als Postdoktorand an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore im Labor von Peter Agre, der für die Arbeit an den Aquaporinen 2003 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Inzwischen forscht Beitz im Rahmen eines EU-Projektes in einem Netzwerk mit über 20 Forschergruppen aus ganz Europa. Dabei geht es bisher um Grundlagenforschung wie die Charakterisierung der Proteine, mögliche Hemmstoffe und die Selektivität der Kanäle für unterschiedliche kleine Moleküle. Doch zeichnen sich bereits einige potenzielle künftige Einsatzgebiete ab. Die Industrie ist besonders an Aquaporinen im Gehirn interessiert, die ein Target zur Verhinderung von Hirnödemen darstellen könnten. Außerdem könnten Aquaporine in Parasiten, beispielsweise in den Erregern der Malaria, mit Arzneimitteln blockiert werden. Kanalproteine, durch die nicht Wasser, sondern Glycerol transportiert wird, könnten für den Fettabbau interessant sein.
Klinische Pharmazie – die jüngste Abteilung
Die neu geschaffene Abteilung für Klinische Pharmazie wurde von der Pharmazeutischen Chemie abgespalten, hängt hinsichtlich des Budgets aber noch mit ihr zusammen. Sie verfügt über die Stelle für einen Hochschuldozenten auf Lebenszeit, die mit Prof. Dr. Thomas Kunze besetzt ist, der aus der Pharmazeutischen Chemie stammt. Wegen der Stellensituation erklärt Kunze zur Klinischen Pharmazie: "Forschung ist nur interdisziplinär möglich, dafür sind Kooperationspartner nötig." In seiner Forschung untersucht er Signaltransduktionswege im Zusammenhang mit der Metastasierung von Krebszellen, außerdem arbeitet er mit 3-D-Zellkulturen zur Erforschung des Mammakarzinoms. Ein weiterer Themenkreis betrifft die Arzneimittelsicherheit in der Intensivmedizin. Dabei geht es sowohl um die Kompatibilität parenteral verabreichter Arzneimittel als auch um die Vorteile, die ein Apotheker auf Station für die Versorgung bietet.
In der Lehre der Klinischen Pharmazie setzt das Kieler Institut auf ein breites Angebot mit vielen Beteiligten. Außer Kunze selbst übernehmen die anderen Abteilungen des Instituts und die Pharmakologie jeweils einzelne Lehrveranstaltungen. Hinzu kommen fünf externe Lehrbeauftragte für spezielle Themen. Kunze hat mit dieser breiten Aufteilung sehr gute Erfahrungen gemacht. Entscheidend sei, dass alle Veranstaltungen kontrolliert und strukturiert ablaufen und dass einer alle vermittelten Inhalte detailliert überblickt und auch auf die Lehrenden einwirken kann. In der Evaluation der Lehrveranstaltungen werde deutlich, dass die Studierenden den Kontakt zu den jeweiligen Spezialisten positiv bewerten. Das Interesse der Studierenden an der Klinischen Pharmazie schätzt Kunze hoch ein. Es sei bedauerlich, dass er nicht genügend Kapazität habe, um die Nachfrage nach Plätzen im Wahlpflichtfach zu befriedigen.
Pharmazeutische Biologie – Zuckerforschung und ein Garten für alle
Die Ausbildung in Pharmazeutischer Biologie findet fast ausschließlich in der diesbezüglichen Abteilung statt. Eine Ausnahme bildet die humane Zytologie, die das Physiologische Institut der Medizinischen Fakultät übernimmt. Im Wahlpflichtbereich wird als Besonderheit ein Kurs in Molekularbiologie angeboten. Die Wahlpflichtaufgaben stellen jeweils kleine abgeschlossene forschungsassoziierte Projekte mit fest definierten Aufgaben dar, die nicht immer so funktionieren müssen, wie es bei einer Praktikumsaufgabe vorhersehbar ist. "Denn dies soll eine forschungsnahe Arbeit sein", erklärt Prof. Dr. Wolfgang Blaschek. Weitere Zusatzangebote sind eine Vorlesung in Biotechnologie sowie botanische Exkursionen und Betriebsbesichtigungen. Einige Lehrveranstaltungen können auch als Module im Rahmen von Bachelor-Master-Studiengängen der Biologie besucht werden. Vernetzungen mit der Biologie und der Medizin bestehen auch in der Forschung und werden bewusst gefördert. Als Besonderheit in der Vorlesung geht Prof. Dr. Susanne Alban auch auf regulatorische Aspekte und die Abgrenzung von Arzneimitteln zu Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten ein, wobei sie als Mitglied der zuständigen Kommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte jeweils aktuelle Beispiele einbringen kann. Außerdem ist Alban eine der Vizepräsidentinnen der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft.
Das äußerlich auffälligste Angebot der Pharmazeutischen Biologie in Kiel ist der Arzneipflanzengarten, der das Innere des "Mini-Campus" ausfüllt und die Gebäude der pharmazeutischen Abteilungen verbindet. Hinzu kommt das Gewächshaus mit Räumen für verschiedene Klimazonen. Insgesamt werden fast 450 Pflanzenarten kultiviert, die nicht nur den Studierenden als Anschauungsobjekte dienen. Denn der Garten wird auch in der ärztlichen Weiterbildung für Naturheilkunde und bei besonderen Veranstaltungen für die Öffentlichkeit genutzt.
Das verbindende Element in der Forschung der beiden Professoren der Pharmazeutischen Biologie sind die Zucker. Prof. Dr. Susanne Alban erklärt, ihre Arbeit habe sich aus der "Trias von Hämostase, Immunsystem und Tumormetastasierung" entwickelt. In stofflicher Hinsicht beschäftigt sie sich insbesondere mit sulfatierten Glykanen. Sie entwickelt Testsysteme für die direkte Qualitäts- und Reinheitsprüfung mithilfe von Fluoreszenzsensormolekülen, um den Umweg über Aktivitätstests vermeiden zu können. Durch den jüngsten Heparinskandal ist das Interesse an solchen Verfahren deutlich gewachsen. Außerdem ist Alban am EU-Projekt "Riff Nienhagen" in Mecklenburg-Vorpommern beteiligt. An dem künstlichen Riff in der Ostsee sollte die Vermehrung von Dorschen untersucht werden, doch erweist es sich auch als idealer Lebensraum für die Rotalge Delesseria sanguinea. Zu den wichtigsten Inhaltsstoffen dieser Alge gehören wiederum sulfatierte Glykane, die in Zellkulturen auf mögliche pharmakologische Effekte getestet werden. Weitere Algen werden im Rahmen eines Kieler Algenprojektes untersucht.
Auch in der Forschung von Prof. Dr. Wolfgang Blaschek geht es um Zucker, bei ihm stehen Polysaccharidstrukturen mit biologischer Aktivität im Mittelpunkt. Während der Zuckeranteil von Glykoproteinen früher wenig beachtet wurde, interessieren sich Forscher jetzt zunehmend dafür, erklärt Blaschek. Daher untersucht er gemeinsam mit Priv.-Doz. Dr. Birgit Classen Arabinogalaktan-Proteine, die einen Proteinanteil von weniger als zehn Prozent haben. Solche Glykoproteine aus Echinacea , Getreide und Misteln kommen als Modulatoren für das Immunsystem in Betracht. Die Feinstruktur dieser Glykoproteine aufzuklären, ist "viel Fummelkram", meint Blaschek – dafür ist eine aufwändige Analytik erforderlich. Die Lokalisation in den Pflanzen, aber auch in den Zielgeweben wird mit markierten Antikörpern über die Fluoreszenzmikroskopie nachgewiesen. Außerdem untersucht Blaschek extrazelluläre Polysaccharide von Cyanobakterien, die beispielsweise auf das Komplementsystem wirken. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist dem Zuckertransport mithilfe des sodium-dependent glucose transporter (SGLT) gewidmet. Verschiedene Formen des SGLT bewirken den Zuckertransport bei der Resorption aus dem Darm und bei der Rückresorption in der Niere. Blaschek untersucht Naturstoffe, die diese Transporter beeinflussen.
Pharmazeutische Technologie – reichhaltig ausgestattet und industrienah
Die Abteilung für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie in Kiel fällt bereits auf den ersten Blick durch ihr großes modernes Gebäude auf. In der Evaluation im Verbund Norddeutscher Universitäten werden die "überdurchschnittlich gute Ausstattung und Ausbildung" in der Technologie hervorgehoben. Die räumlich und instrumentell hervorragende Ausstattung geht insbesondere auf die Arbeit des mittlerweile emeritierten Prof. Dr. Dr. h.c. Bernd W. Müller zurück. So können die Studierenden zahlreiche Maschinen kennenlernen, die in der Industrie verwendet werden. "Damit können sie besonders gut auf eine Arbeit in der pharmazeutischen Industrie vorbereitet werden", erklärt der heutige Abteilungsdirektor Prof. Dr. Hartwig Steckel. Wegen seiner eigenen Industrieerfahrung hat für ihn die Lehrveranstaltung zur Qualitätssicherung in der Pharmazeutischen Technologie einen besonders hohen Stellenwert. Außerdem bietet Steckel freiwillige Seminare über die Entwicklung innovativer Darreichungsformen und über die industrielle Pharmazie an, Letzteres mit Referenten aus der Industrie.
Eine weitere Besonderheit der Lehre bilden die Veranstaltungen in Mikrobiologie. Für Steckel ist es wichtig, dass dabei eine arzneiformenbezogene Mikrobiologie vermittelt wird, während bei mikrobiologischen Veranstaltungen in der Medizin der Bezug zum Arzneimittel fehle.
Auch bei der Wahl der Forschungsthemen wird Steckels Industrieerfahrung deutlich. Sein größtes Forschungsgebiet bilden die Aerosole. Aufgrund der Ausstattung und der Zahl der Arbeiten betrachtet er die Kieler Abteilung als ersten Ansprechpartner in Deutschland, wenn es um pharmazeutische Aerosole geht. Forschungsgegenstände sind die Pulveragglomeration und die Aerosolmesstechnik, es werden aber auch weiterhin neue Herstellungsvarianten für Dosieraerosole erforscht. Ein weiteres Arbeitsgebiet sind halbfeste Darreichungsformen. Steckel untersucht insbesondere flüssig-kristalline Systeme, mit denen Wirkstoffe durch die Haut transportiert werden. Dies berührt auch das Thema Nanopartikel, die sowohl hinsichtlich des Nutzens als auch möglicher Risiken betrachtet werden.
Außerdem werden wirkstoffbeladene und wirkstoffbeschichtete Medizinprodukte entwickelt. In den Projekten zu diesem Thema geht es um Implantate mit Wirkstoffen zur Beeinflussung des Knochenwachstums, antimikrobiell beschichtete Implantate und einen selbstaushärtenden Knochenschaum, der eine offenporige Struktur ausbildet. So soll der behandelte Knochen belastbar bleiben und weiterhin am Knochenstoffwechsel teilnehmen.
Das vierte große Forschungsgebiet der Pharmazeutischen Technologie in Kiel bearbeitet insbesondere die Habilitandin Dr. Regina Westmeier. Sie erforscht Impfstoffe, die über die Mukosa der Nase oder der Bronchien appliziert werden. Gegenüber herkömmlichen Impfungen würden Pulvernasensprays Vorteile in der Handhabung, Akzeptanz und Stabilität bieten. Westmeier sieht die zentrale Herausforderung darin, das Antigen stabil genug zu "verpacken" und doch eine Immunreaktion zu erzielen. Westmeier ist auch in die Lehre eingebunden, doch hofft Steckel langfristig auf eine zusätzliche Professorenstelle für die Pharmazeutische Technologie, um die Lehraufgaben mehr verteilen zu können.
Pharmakologie – erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Medizin
Die Lehre in Pharmakologie übernehmen in Kiel Prof. Dr. Thomas Herdegen und Prof. Dr. Ingolf Cascorbi vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie sowie Prof. Dr. Edmund Maser vom Institut für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler. Herdegen und Maser halten die Staatsexamensprüfungen in Pharmakologie ab. Die pharmakologischen Institute gehören zur Medizin und sind daher auch mit der übrigen Medizinischen Fakultät vernetzt. Dies sehen alle Beteiligten als großen Vorteil für das schon seit Jahrzehnten erfolgreich etablierte "Kieler Modell". Nach Einschätzung des Pharmazeutischen Chemikers Prof. Dr. Bernd Clement sollten die Pharmaziestudenten Patienten zu sehen bekommen und "nicht im eigenen Saft schmoren". Auch die Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen werde besser, wenn sie schon im Studium eingeübt wird. Nach der Pensionierung des früheren Pharmakologen Prof. Dr. Albrecht Ziegler habe sich aber gezeigt, dass man aufpassen müsse, dass solche Stellen und Strukturen langfristig erhalten bleiben.
Auch der Pharmakologe Prof. Dr. Thomas Herdegen betrachtet die Einbindung der Pharmakologie in die Medizin als entscheidenden Vorteil. Aus dem Kontakt mit den anderen medizinischen Instituten und den komplexen Fragen der Patientenversorgung entstehe immer wieder neuer Input für die Pharmakologie, auch mit ausgefallenen "Kolibri-Konstellationen", die in keinem Lehrbuch stehen. Dies sei auch gut für die Pharmazeuten, sodass sie gerne in die Pharmakologie kommen. So entsteht eine "Win-win-Situation". Zudem ist es sehr produktiv, pharmakologische Zusammenhänge an Patientenfällen zu erklären, meint Herdegen. Eine freiwillige Lehrveranstaltung, in der Fälle vorgestellt werden, sei bei den Studierenden sehr beliebt. Er vermittelt gerne auch praktische Beispiele für den Apothekenalltag. "Der Apotheker hat eine sehr wichtige Rolle", meint Herdegen. Dort, wo der Patient sonst alleine wäre, könne der Apotheker viel Gutes tun. Arzt und Apotheker betrachtet Herdegen als Teil einer freien Medizin, die viele leider "wegorganisieren" möchten.
Als Wahlpflichtangebote vermittelt Herdegen eine breite Mischung an Aufgaben, dazu gehören auch Einblicke in DNA-Analysen, die Mitarbeit an Tierversuchen und die Arbeit mit Zellkulturen. Seine eigene Arbeit als Forscher begann in der Schmerzphysiologie, im Mittelpunkt seiner Forschung steht die Neurodegeneration. Dabei geht es insbesondere um die Fragen, warum Nervenzellen absterben und wie neuropathischer Schmerz entsteht. Aus dieser Arbeit sind Modelle für Schlaganfälle, Morbus Parkinson und andere Erkrankungen mit Nervenschädigungen entstanden. An diesen Modellen werden zahlreiche Arzneimittel getestet, vielfach in Zusammenarbeit mit den Herstellern. Bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen erweist es sich nach den Erfahrungen von Herdegen als entscheidendes Problem, die geschädigten Nerven ausreichend stillzulegen und dabei die nicht geschädigten Nerven möglichst wenig zu beeinflussen. Dies sei oft eine Frage der sehr genauen Dosierung. Im Mittelpunkt seiner derzeitigen Forschung stehen Peptide, die gegen JNK-Stresskinasen gerichtet sind. Diese Enzyme sind in die Signaltransduktion von Stresssignalen eingebunden und haben daher große Bedeutung für viele pathologische Prozesse. Herdegen untersucht derzeit insbesondere den Einsatz von Hemmstoffen der Stresskinasen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.
Den DAZ-Lesern ist Herdegen als Autor der DAZ-Fortbildungsreihe "Pharmako-logisch!" bekannt. In den Folgen stellt er jeweils die Arzneimittel für ein großes Indikationsgebiet mit ihren praktischen Einsatzmöglichkeiten ausführlich vor. Außer für die DAZ ist Herdegen auch im Auftrag der Apothekerkammer Schleswig-Holstein und neuerdings für die Apothekerkammer Westfalen-Lippe aktiv in der Fortbildung der Apotheker tätig. Die Fortbildung ist damit zu einem großen Teil seiner Tätigkeit geworden. Herdegen freut sich über das große Interesse der Apotheker an der Pharmakologie und arbeitet daher besonders gerne mit Pharmazeuten zusammen – sowohl in der Fortbildung als auch mit den Studierenden an der Universität Kiel.
Apothekenmuseum im UniklinikumEin bundesweit einmaliges Beispiel der universitären Zusammenarbeit von Medizin und Pharmazie ist die Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung Kiel im Universitätsklinikum in der Brunswiker Straße 2. Die Dauerausstellung umfasst die historischen Einrichtungen schleswig-holsteinischer Apotheken mit Mobiliar, Standgefäßen, Waagen, Geräten der vorindustriellen Arzneimittelherstellung und vielen Arzneidrogen, die heute teils obsolet sind. Beeindruckend ist die Inszenierung der Materialkammer aus der St. Jakobi-Apotheke in Lübeck mit zugehöriger Stoßkammer und Labor. Nostalgische Gefühle weckt die Praxis eines Internisten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zurzeit ist im Museum die Sonderausstellung "Durch Mark und Bein" zu sehen, siehe Rubrik "Feuilleton". Info: www.med-hist.uni-kiel.de |
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