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Patienteninteressen gehen über Pharmainteressen

BERLIN (ks). Der designierte maltesische EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz John Dalli hat zugesichert, beim europäischen Arzneimittelrecht die Belange der Patienten über die Interessen der pharmazeutischen Industrie zu stellen. Der Binnenmarkt müsse zugunsten der Verbraucher funktionieren, sagte er am 14. Januar in der Anhörung im Fachausschuss des EU-Parlaments.
Hat sich viel vorgenommen Der designierte maltesische EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, John Dalli.Foto: European Commission

Anders als seine Vorgängerin Androulla Vassilliou soll der bisherige maltesische Sozial- und Gesundheitsminister Dalli als EU-Gesundheitskommissar auch für den Pharmabereich zuständig sein. Darum hatten sich bisher die Industriekommissare gekümmert. Somit wird sich Dalli in Zukunft auch um das vom scheidenden Kommissar Günter Verheugen hinterlassene Pharmapaket kümmern. Dalli betonte, er wolle schnelle Fortschritte bei der Pharmakovigilanz und der Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen erreichen – diese Teilbereiche des Pharmapaketes sind weitgehend unumstritten. Was hingegen die Patienteninformation betrifft, so werde diese möglicherweise aus dem Paket herausgelöst. Dalli forderte, in der geplanten EU-Gesetzgebung eine klare Unterscheidung zwischen Information und Werbung zu treffen, da anderenfalls die Gefahr bestehe, dass Patienten nicht auf geeignete Arzneimittel zurückgriffen. Nötig sei, die Patientenperspektive stärker einzubringen. Dalli erklärte zudem, er wolle sicherstellen, dass qualitativ hochwertige Medikamente allen Bürgern unabhängig vom Einkommen zur Verfügung stehen. Wie dies zu erreichen ist, müsse gemeinsam mit der Pharmaindustrie geklärt werden. Dies sei "keine Zauberei" – auch wenn einem die Lösung sicherlich nicht in den Schoß falle.

Lösung für Streit um Patientenrechte in der EU

Der künftige Kommissar kündigte zudem an, im Streit um einheitliche Patientenrechte in der Europäischen Union schnell zu einer Lösung zu kommen. Dazu wolle er möglichst bald nach Antritt seines neuen Amts mit der spanischen EU-Ratspräsidentschaft Wege ausloten, so Dalli. Der Versuch, eine entsprechende Richtlinie durchzusetzen, war im Dezember am Widerstand einiger EU-Länder – darunter auch Spanien – gescheitert. Mit ihr sollte erstmals festgeschrieben werden, zu welchen Bedingungen sich Europäer in einem anderen EU-Mitgliedstaat behandeln lassen können.

"In ausgezeichneten Händen"

Der Sprecher der Christlichen Demokraten im Europaparlament, Peter Liese (CDU), gab sich nach der Anhörung überzeugt, dass die EU-Gesundheits- und Verbraucherschutzpolitik bei dem konservativen Politiker aus Malta "in ausgezeichneten Händen" sein werde. So begrüßte Liese ausdrücklich die Haltung Dallis in Sachen Patienteninformation. Auch der EU-Parlamentarier hatte sich in der Vergangenheit immer wieder kritisch zu Verheugens Vorschlägen geäußert, die weitergehende Informationsmöglichkeiten für die Industrie vorsehen.

Die Anhörungen der designierten EU-Kommissare vor den EU-Parlamentariern laufen noch bis zum 19. Januar. Das Parlament in Straßburg wird am 26. Januar über die neue europäische Kommission abstimmen.

Einheitliche Patientenrechte


Im Juli 2009 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine neue Richtlinie zur Patientenmobilität unterbreitet. Ziel der Richtlinie war es, Patienten, die geplante Operationen oder medizinische Dienstleistungen im Ausland in Anspruch nehmen wollen, besser zu unterstützen. Obwohl sich viele EU-Staaten für die Regelung eingesetzt hatten – so auch Deutschland – scheiterte die Richtlinie. Nach zähen Verhandlungen blockierten letztlich sieben Länder die Einigung: Spanien, Griechenland, Portugal, Polen, Litauen, Rumänien und die Slowakei.

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