Arzneimittel und Therapie

Wirkungsweise der Makrolide als Weg zu neuen Antibiotika

Zahlreiche Antibiotika entfalten ihre Wirksamkeit, indem sie die bakterielle Eiweißsynthese hemmen. Makrolide, die die große 50S-Untereinheit der Ribosomen angreifen, binden am Eingang des ribosomalen Tunnels, durch den alle produzierten Polypeptidketten hindurchgeleitet werden. Münchener Wissenschaftler haben jetzt nachgewiesen, dass Makrolide je nach Struktur und Art des bakteriellen Ribosoms unterschiedlich effektiv wirken [1]. Diese Erkenntnisse könnten zur Entwicklung neuartiger Antibiotika gegen verschiedene Bakterienarten, möglicherweise auch multiresistente Stämme, führen.
Makrolidantibiotika (rot) binden unterschiedlich am Eingang des ribosomalen Tunnels, durch den die Kette von Aminosäuren das Ribosom verlässt. Diese Erkenntnis könnte zur Entwicklung neuartiger Antibiotika führen. Foto: www.riboworld.com

Die Hemmung der Translation – die Umsetzung der genetischen Information in die Produktion von Proteinen – ist ein wichtiges Target innerhalb der bakteriellen Zelle für Antibiotika. Die Mehrheit der Antibiotika hemmt dabei die Proteinsynthese durch Bindung an die aktiven Zentren des Ribosoms. Die Tetracycline und Aminoglykoside binden an die kleine 30S-Untereinheit, während Oxazolidinone und Chloramphenicol im Peptidyl-Tranferase-Zentrum (PTC) der großen 50S-Untereinheit die Bildung von Peptid-Bindungen blockieren. Ganz anders die Makrolidantibiotika: Sie binden am Eingang des ribosomalen Tunnels, durch den alle produzierten Polypeptidketten hindurchgeleitet werden, und verhindern die Verlängerung (Elongation) der Polypeptidketten.

Makrolidstruktur und Wirkungsweise

Zu den Makrolidantibiotika zählen über 2000 natürlich vorkommende, strukturell sehr heterogene und komplexe Verbindungen. Gemeinsam ist ihnen das Makrolid, ein Lacton mit 12-18 Gliedern und glykosidisch gebundenen Zuckern. Die Biosynthese in Bakterien und Pilzen erfolgt über den Polyketid-Weg.

In Zusammenarbeit mit Forschern der Staatlichen Universität Moskau und dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg untersuchten Wissenschaftler der Münchener LMU, wie Makrolidantibiotika sich mit Bestandteilen des ribosomalen Tunnels verbinden und die Herstellung neuer Proteine verhindern. Dazu wurden verschiedene Makrolid-Antibiotika synthetisiert, die jeweils unterschiedliche Aminosäuren und Peptide enthielten. "Wir konnten beobachten, dass die Antibiotika die Maschinerie der Ribosomen tatsächlich hemmen können", berichten die Wissenschaftler. Überraschenderweise traten aber nur bestimmte Aminosäure- und Peptidketten in Wechselwirkung mit dem ribosomalen Tunnel und ermöglichten so, dass das Antibiotikum seine Wirkung entfalten kann.

In anderen Fällen entfernten die neu entstehenden Aminosäureketten bestimmte Makrolid-Antibiotika aus dem Ribosom und verhinderten so deren therapeutischen Effekt. Die Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass "dieser Mechanismus zur Entwicklung von Resistenzen beitragen könnte. Denn wenn das Antibiotikum im Ribosom erkannt ist, löst dies möglicherweise einen Mechanismus aus, der das Bakterium gegen den Wirkstoff unempfindlich macht". Es spielen für die Wirksamkeit eines Makrolids also offensichtlich zwei Faktoren eine entscheidende Rolle: die Struktur des Antibiotikums selbst und die spezifische Art des bakteriellen Ribosoms. Die Ergebnisse könnten zur Entwicklung neuartiger Antibiotika gegen bestimmte Bakterien beitragen und möglicherweise sogar weitere Resistenzen verhindern: Wird bei einer Infektion immer das jeweils effektivste Antibiotikum eingesetzt, sinken auch die Überlebenschancen von Erregern, die nicht auf den Wirkstoff ansprechen. "Wir wollen nun weitere andere Antibiotika-Typen untersuchen und den Zusammenhang zwischen Effektivität und chemischer Zusammensetzung analysieren", so die Wissenschaftler [2].

Quelle [1] Starosta, A. L., et al.: Interplay between the Ribosomal Tunnel, Nascent Chain, and Macrolides Influences Drug Inhibition. Chemistry & Biology 2010; 17(5): 504 – 514. [2] Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) München: Den Widerstand von Bakterien brechen – Neue Einblicke in die Wirkung von Antibiotika. Presseinformation, 24. Juni 2010.

 


Dr. Hans-Peter Hanssen

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