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DAZ aktuell
Rösler erwartet für Apotheken Belastung von 175 Mio. Euro
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) gab sich in der letzten Sitzung vor der Sommerpause überzeugt, dass das AMNOG seine Ziele erreichen wird: Der Zugang der Patienten zu den bestmöglichen Medikamenten bleibe garantiert, die damit einhergehenden Kosten würden zugleich besser kontrolliert und der Mittelstand gestärkt. Künftig könnten die Hersteller neuer Arzneimittel nicht mehr über die gesamten 20 Jahre des Patentschutzes einen Preis verlangen, den sie selbst festgelegt haben. Dies sei nur noch im ersten Jahr nach Markteinführung möglich. Zudem müssten sie in Zukunft bereits zu diesem Zeitpunkt Studien vorlegen, die den Nutzen bzw. Zusatznutzen ihres Arzneimittels belegen. Dazu gehörten auch abgebrochene Studien, betonte der Minister. Nach einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss komme es zu Vertragsverhandlungen zwischen Herstellern und GKV-Spitzenverband. Damit habe man erstmals ein marktwirtschaftliches Instrument, um in diesem Bereich zu "vernünftigen und fairen" Preisen zu kommen, so Rösler. Der Minister weiter: "Es zeigt sich, dass wir es ernst meinen, wenn wir sagen, dass wir den Leistungsanbietern – übrigens in allen Bereichen – nicht immer mehr Geld bieten können. Manchmal müssen wir ihnen sogar Geld nehmen." In diesem Fall bekomme die Pharmaindustrie aber am Ende ein faires System, auf das sie sich dauerhaft verlassen könne.
Rösler: Apotheken müssen Beitrag leisten
Auf die anderen Leistungserbringer kam Rösler allerdings nicht mehr zu sprechen. So auch nicht auf die pharmazeutischen Großhändler und die Apotheker, die durch die vorgesehene Umstellung der Großhandelsvergütung spürbar betroffen sein werden. Im Anschluss an die Debatte im Bundestag erklärte Rösler jedoch gegenüber DAZ-TV, dass er mit einer Mehrbelastung der Apotheken in einer Größenordnung von 175 Mio. Euro rechne. Zugleich betonte er, dass man auf weitere Belastungen – etwa beim Kassenabschlag – verzichtet habe. Der Minister sagte zudem, dass der Gesetzentwurf nun in den Händen der Fraktionen liege. Änderungen seien durchaus möglich, der eingeplante Sparbeitrag von 350 Mio. Euro für die GKV stehe jedoch nicht zur Disposition.
SPD: Preise werden nicht sinken
Seitens der Opposition fiel die Kritik am AMNOG erwartungsgemäß nicht zu knapp aus. Dennoch startete Röslers Wiedersacher in der SPD, Karl Lauterbach, mit einem Lob: Dieses betrifft die Unabhängige Patientenberatung, die nun dauerhaft gesetzlich abgesichert werden soll. Hier habe sich der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CSU) durchgesetzt, was hoch anzuerkennen sei. Alles weitere im schwarz-gelben Gesetzeswerk vermag den gesundheitspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion dagegen nicht zu überzeugen. Die neuen Preisverhandlungen für patentgeschützte Arzneimittel werden aus seiner Sicht das System eher teuerer machen. Denn es gebe keine Möglichkeit, auszuschließen, dass die zu erwartenden Preisabschläge vorher aufgeschlagen werden. Lauterbachs Prognose: "Wir werden ein Jahr höhere Preise als sonst haben, und danach werden wir die normalen Preise haben." Ebenfalls auf Missfallen stößt bei ihm die Mehrkostenregelung für Rabattarzneien. Sie werde darauf hinauslaufen, dass der Versicherte künftig nur noch die "Basiskomponente", das Rabattmedikament, erstattet bekomme und die komplette Preisdifferenz zuzahlen müsse. Lauterbach meint, bereits genau zu wissen, wie es in den Apotheken ablaufen wird: "Der Apotheker wird nämlich immer sagen: Herr Rösler ist schuld, dass Sie die Kosten für das Medikament, das Sie jetzt eigentlich brauchen, nicht mehr erstattet bekommen". Und weiter: "Bedanken Sie sich bei Herrn Rösler oder tragen Sie die Mehrkosten; wir können Ihnen nur noch das billigste Rabatmedikament verkaufen." Der kranke ältere Mensch könne aber nicht bewerten, "ob er abgezockt wird oder ob es sich wirklich um unterschiedliche Medikamente handelt". Er werde damit zum Spielball der Interessen der Apotheker und der Pharmaindustrie, so Lauterbach.
Hennrich: Versprechen zum Pick-up-Verbot halten
Michael Hennrich (CDU) trat den Vorwürfen des SPD-Politikers entgegen: "Welches Bild haben Sie eigentlich von Apothekern?", fragt er die Vertreter der Opposition. Sein Bild sei es jedenfalls nicht, dass ein Apotheker nur unter dem Gesichtspunkt "Wie kann ich den maximalen Erlös erzielen?" berate und entsprechende Produkte verkaufe. Hennrich betonte, dass die Mehrkostenregelung die Patientenautonomie stärken und vor allem auch die mittelständischen Arzneimittelhersteller schützen solle. Der CDU-Politiker wandte sich aber auch kritisch an die Adresse des Bundesgesundheitsministers. Noch gebe es "offene Baustellen" im AMNOG: So bei den Rabatten für Privatversicherte und beim Pick-up-Verbot. "Wir haben im Koalitionsvertrag versprochen, hier eine klare Regelung zu treffen. Wir sollten dieses Versprechen einhalten", so Hennrich.
Grüne über Sinneswandel überrascht
Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender, startete ihre Rede ungewohnt milde: "Die Ziele des AMNOG verdienen Respekt", konstatierte sie. Es gehe um eine frühe Nutzenbewertung, um Preise, die die Hersteller nicht völlig frei festlegen können oder um mehr Transparenz bei Arzneimittelstudien. Überraschend sei jedoch, dass Schwarz-Gelb so etwas mache. Als man 2003 auf der Suche nach einer fraktionsübergreifenden Gesundheitsreform war, habe sich die FDP sofort vom Verhandlungstisch verabschiedet und auch die Union habe die Kosten-Nutzen-Bewertung damals abgelehnt. Letztlich gefällt Bender die nun gefundene Ausgestaltung trotzdem nicht. So gebe es etwa keinen Grund, die Nutzenbewertung erst gut ein Jahr nach Marktzulassung eines neuen Arzneimittels starten zu lassen. Ebenso wenig sei zu verstehen, warum in diesem ersten Jahr noch immer eine freie Preisfestsetzung durch die Hersteller erfolgen dürfe. Vorwürfe, die Apothekerschaft sei bei dem Gesetzentwurf zu gut weggekommen, sparte Bender in dieser Debatte einmal aus.
Nun ist der Gesetzentwurf an die Ausschüsse verwiesen – federführend ist der Gesundheitsausschuss. Hier werden die Beratungen nach der parlamentarischen Sommerpause beginnen. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2011 in Kraft treten.
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