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DAZ aktuell
Hersteller garantieren Kostenneutralität für Insulinanaloga
Sanofi Aventis ist davon überzeugt, dass die Gesamtkosten einer Therapie mit Insulin Glargin nicht höher liegen, als die einer Humaninsulintherapie. Die einmal tägliche Injektion führt im Vergleich zum Humaninsulineinsatz zum Beispiel zu einem geringeren Nadel- und Teststreifenverbrauch. Das soll ebenso zur Kosteneinsparung beitragen wie ein reduziertes Hypoglykämierisiko und eine verringerte Gewichtszunahme. Um den Beweis dafür anzutreten, hat das Unternehmen zwölf gesundheitsökonomische Studien durchführen lassen. Doch sie konnten den G-BA nicht überzeugen.
Mehrwertverträge...
Damit die rund 400.000 mit Lantus® behandelten, gesetzlich versicherten Typ-2-Diabetiker trotzdem weiter Insulin Glargin erhalten können, hat Sanofi Aventis den gesetzlichen Krankenkassen sogenannte Mehrwertverträge angeboten. Darin garantiert Sanofi Aventis, dass eine Therapie mit Insulin Glargin trotz des höheren Preises zu keinen höheren Gesamtkosten führt als eine Therapie mit Humaninsulin. Werden die Gesamtkosten dennoch überschritten, zahlt Sanofi Aventis die Differenz. Nach Auskunft einer Firmensprecherin hatten bis zum 1. Juli 2010 121 gesetzliche Krankenkassen einen entsprechenden Vertrag mit Sanofi Aventis abgeschlossen. Das entspricht etwa 75% aller gesetzlichen Kassen und 65% der gesetzlich Versicherten. Sie können bei Bedarf mit Insulin Glargin weiter behandelt werden.
... und Versorgungswahlverträge
Novo Nordisk bietet den gesetzlichen Krankenkassen ebenfalls Verträge an, die die Kostenneutralität für Insulin Detemir garantieren, sogenannte Versorgungswahlverträge. Sie sollen den Ärzten die freie Wahl in der Versorgung ihrer gesetzlich versicherten Diabetiker gewährleisten. Von Mehrwert wird hier nicht gesprochen, denn entsprechende pharmakoökonomische Studien, die Aufschluss über die Gesamttherapiekosten im Vergleich zu Humaninsulin geben, liegen für Insulin Detemir nicht vor. Die Details zu den Verträgen unterliegen der Vertraulichkeit, so eine Sprecherin gegenüber der Deutschen Apotheker Zeitung. Die Konditionen würden allerdings sicherstellen, dass die Vorgaben des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses umgesetzt werden.
Der G-BA-Beschluss wird rechtskräftig, sobald er im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist. Damit wird in Kürze gerechnet. Die DAZ wird darüber zeitnah auf DAZ.online unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de informieren.
Kommentar
Hoffnungslos verfahren
Wenn jetzt bald viele gesetzlich versicherte Typ-2-Diabetiker von langwirkenden Insulinanaloga auf Humaninsulin umgestellt werden müssen, viele aber weiter behandelt werden können, dann wird uns erneut vor Augen geführt, wie hoffnungslos verfahren die Bemühungen um Kostensenkung im Gesundheitswesen sind.
Die neuen lang wirkenden Insulinanaloga sind teuer, zu teuer hat der G-BA befunden. Denn er konnte im Regelfall keinen über die Behandlung mit Humaninsulin hinausgehenden Zusatznutzen erkennen. Deshalb hat er verfügt, dass diese Analoginsuline nur noch von den gesetzlichen Kassen erstattet werden dürfen, wenn sie nicht teurer sind als Humaninsulin.
An diesem Beschluss wird kein Hersteller vorbeikommen. Will er tatsächlich weiterhin die Behandlung der Typ-2-Diabetiker mit seinem lang wirkenden Insulinanalogon ermöglichen, muss er den Kassen garantieren, dass die Therapie nicht teurer ist als mit Humaninsulinen. Und das machen sowohl Sanofi Aventis als auch Novo Nordisk. Allerdings nicht, indem sie die Preise einfach auf das Niveau der Humaninsuline senken, sondern mithilfe von wohlklingenden Verträgen, die sie mit jeder gesetzlichen Krankenkasse einzeln aushandeln. Dabei nehmen beide Hersteller wohl oder übel in Kauf, dass die gesetzlich Versicherten, die einer Kasse angehören, die keinen Vertrag abgeschlossen hat, auf eine in ihren Augen schlechtere Therapie mit Humaninsulin umgestellt werden müssen. Warum diese Lösung zum Unwohl vieler Patienten?
Sicher ist es angemessen, für ein Arzneimittel, in dessen Erforschung viel investiert wurde und das erwiesenermaßen zu einer Therapieverbesserung führt, einen höheren Preis zu verlangen. Wenn Sanofi Aventis aufgrund seiner Studien davon überzeugt ist, dass die Gesamtkosten einer Therapie mit Lantus die einer Humaninsulintherapie nicht überschreiten und das den Kassen auch garantiert, dann ist gegen den höheren Preis auch nichts zu sagen. Aber warum muss das in aufwendigen, Verwaltungskosten verschlingenden Einzelverträgen geschehen? Warum kann man das nicht für alle gesetzlich Versicherten generell garantieren?
Noch ärgerlicher wird es, wenn wie im Fall von Insulin Detemir selbst vom Hersteller die Kostenneutralität auf Ebene der Gesamttherapiekosten gar nicht erst geltend gemacht wird bzw. werden kann. Hier kann die Kostenneutralität nur über eine Senkung des Preises garantiert werden. Doch das will der Hersteller nicht bestätigen – und er muss sich dazu auch nicht äußern. Denn alle diese zwischen Herstellern und Kassen geschlossenen Verträge, seien es Rabatt-, Mehrwert- oder Versorgungswahlverträge, sind geheim. Wie hoch die gezahlten Preise für die Arzneimittel tatsächlich sind, erfahren weder Arzt noch Apotheker und schon gar nicht der Patient. Dafür darf der Hersteller allerdings den Listenpreis hoch halten. Und das ist wichtig. Denn Deutschland ist für viele Länder, in denen die Preise staatlich festgesetzt werden, Preisreferenzland. Ein hoher Preis in Deutschland garantiert damit auch höhere Preise im Ausland. Ein niedriger Listenpreis kann also schon aus diesem Grund nicht im Interesse der Unternehmer sein. Da kommen die Geheimverträge mit den Krankenkassen sehr gelegen. Dank ihnen kann der pharmazeutische Unternehmer nach außen hin weiter seinen hohen Preis mit einem Zusatznutzen ohne Gesichtsverlust rechtfertigen.
Aus Sicht des Patienten ist das alles mehr als ärgerlich. Er wird entweder auf das für zu teuer befundene Arzneimittel verzichten müssen und muss sich, wie im Fall der Insulinanaloga, unter Risiken auf eine andere Therapie umstellen lassen – oder er darf zum Erhalt der Therapieoption mit seinen Beiträgen unsinnige Einzelverträge finanzieren.
Angesichts dieser Situation muss man sich nicht wundern, wenn der Ruf nach einer staatlichen Festsetzung der Arzneimittelpreise immer lauter wird. Will man aber die freie Preisgestaltung in Deutschland verteidigen, ohne dass auch nur der Eindruck entsteht, dass Steuer-finanzierte Nutzenbewertungen und Versicherten-finanzierte Geheimverträge als Feigenblatt für die Gewinnoptimierung der Pharmafirmen dienen, dann sind überzeugendere Lösungen gefragt. Und diese müssen vor allem eines sein: transparent.
Dr. Doris Uhl, DAZ-Redakteurin
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