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Herausforderungen für die Arzneimittelversorgung

BERLIN (cs). Wo steht das Gesundheitswesen heute und wie wird es sich vor dem Hintergrund des AMNOG-Entwurfs künftig gestalten? Antworten auf diese Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven gaben sechs Experten auf einer am 6. Juli von der Barmer GEK in Kooperation mit dem Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) in Berlin durchgeführten Tagung. Im Fokus stand dabei das Arzneimittel.

Birgit Fischer, die Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, und ihr Stellvertreter Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, machten deutlich, dass Arzneimittel zu den wirksamsten Instrumenten der ärztlichen Praxis gehören. Um unter Nutzung des medizinischen Fortschritts sowie den strukturellen Veränderungen der Leistungserbringer langfristig eine qualitativ hochwertige Versorgung in einer Gesellschaft des langen Lebens als gesetzliche Krankenkasse gewährleisten zu können, ist Fischer zufolge ein fundiertes Versorgungsmanagement unabdingbar. Dafür müsse, auch von politischer Seite, der notwendige Handlungsspielraum für die Krankenkassen sichergestellt werden. Nur den Status Quo abzusichern sei mit einem Stillstand gleichzusetzen, der zum jetzigen Zeitpunkt einen Rückschritt für das Gesundheitswesen bedeute.

Ein konsensuales Experiment

Auch wenn sich die Krankenkassen nach Einschätzung Schlenkers eine echte vierte Hürde vor der GKV-Zulassung in Form einer Kosten-Nutzen-Bewertung gewünscht hätten, sei das Experiment der konsensualen Preisregulierung mit den Herstellern eine Chance, das Sprengen der GKV-Finanzierung durch den therapeutischen Fortschritt zu verhindern. Allerdings scheine die Schnellbewertung noch mit einigen Unsicherheiten behaftet. Hier werde wohl das IQWiG an Bedeutung gewinnen.

Idee einer Erstattungsregulierung

Dass der konsensuale Ansatz nicht die Idee einer Preis-, sondern einer Erstattungsregulierung verfolge, erläuterte der Volkswirtschaftler Prof. Dr. Eberhard Wille von der Universität Mannheim. Letztlich sollen zwischen der GKV und den Herstellern Rabatte ausgehandelt werden. Hierbei müsste dann zukünftig zwischen Arzneimittelanaloga, patentgeschützten Präparaten, Therapieoptionen, für die Studien Hinweise auf einen medizinischen Fortschritt geben, und Arzneimitteln, für die es keine Alternativen gibt, unterschieden werden.

Patientensicherheitsindikatoren

Aus einem ganz anderen Blickwinkel, nämlich der Arzneimitteltherapiesicherheit, beschrieb Prof. Dr. Matthias Schrappe, Direktor des Instituts für Patientensicherheit an der Universität Bonn, die Herausforderungen der künftigen Arzneimittelversorgung. Er regte an, sogenannte Patientensicherheitsindikatoren als Kriterien für eine qualitätsorientierte Versorgung zu berücksichtigen. Dazu könne zum Beispiel populationsbezogen die Häufigkeit der stationären Aufnahme aufgrund von unerwünschten Arzneimittelwirkungen dienen. Dabei habe der Apotheker eine entscheidende Rolle als aktiver Mitmanager im Versorgungsnetz.

Horizon Scanning oder randomisierte Studien?

Aus Sicht der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft beurteilte deren Vorsitzender Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig versorgungsrelevante Kriterien für die Bewertung neuer Arzneimittel. Es herrsche ein hoher Bedarf an Innovationen. Diesen versuche man durch eine relativ schnelle Zulassung zu decken. Das habe allerdings den Nachteil, dass vielfach nur unzureichende Daten in Bezug auf die Evidenz für eine sichere Behandlung vorlägen. Das Post-Marketing-Surveillance sei vielfach mängelbehaftet. Eine schnelle Nutzenbewertung, wie sie im Sinne des AMNOG notwendig wäre, sei deshalb schwierig. Eine andere Möglichkeit biete das Horizon Scanning System. Hier werde nach festgelegten Kriterien bereits vor der Zulassung eine erste – industrieunabhängige – Einschätzung vorgenommen.

Der noch amtierende IQWiG-Leiter Prof. Dr. Peter Sawicki meinte zu Kosten-Nutzen-Bewertungen von Arzneimitteln, dass die dafür notwendigen Studien wohl eher von den Herstellern als durch das IQWiG erbracht würden. Dieses werde vermutlich lediglich die formalen Kriterien und Statistiken auf Plausibilität prüfen. Solche Nutzenbewertungen jedoch bereits vor der Zulassung abzugeben, berge für die Hersteller große Risiken. Schließlich sei das Ziel, den patientenrelevanten Nutzen sowie den interventionsbezogenen Aufwand nachzuweisen.

Kosten-Nutzen-Bewertung ändert wenig am Preis

Der ehemalige Geschäftsführer von Wyeth Pharma GmbH, Dr. Timm Volmer, stellte die Sichtweise der Arzneimittelhersteller dar. Dabei führte er unter anderem aus, wie sich ein Arzneimittelpreiskorridor generiert. Dieser sei kontextuell abhängig, würde sich durch die Kosten möglicher Alternativen, der Zahlungsbereitschaft des Marktes sowie den Interessen des Herstellers bilden. Wenig Einfluss hätten dagegen Nutzen-Bewertungssysteme wie NICE. In Großbritannien habe sich seit Einführung von NICE an der Preisentwicklung im Arzneimittelmarkt nichts geändert.

Hausaufgaben auch für Versorgungsforscher

Prof. Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik stellte die Herausforderungen an die Versorgungsforschung dar. Der Nutzen gesundheitsrelevanter Produkte und Dienstleistungen ließe sich nur unter realen Alltagsbedingungen beurteilen. Das größte Interesse daran hätten die Krankenkassen, weshalb ihnen zugestanden werden sollte, 0,1 Prozent ihrer Leistungsausgaben für entsprechende Studien aufzuwenden. Hierfür seien auch die Grundlagen und Methodenkompetenz in der Versorgungsforschung weiter zu verbessern, um ein evidenzbasiertes Versorgungsmanagement zu gewährleisten.

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