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Große Aufregung – marginale Wirkung
Ausgerechnet die SPD eröffnete die Debatte. Deren gesundheitspolitischer Sprecher Karl Lauterbach hat ein Verbot von Homöopathie auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen gefordert. Es sei keinerlei Wirksamkeit belegt. Die CDU zeigte sich sofort für den Vorschlag offen. Die gesetzlichen Krankenkassen warnten vor Einschränkungen. "Man sollte den Kassen schlicht verbieten, die Homöopathie zu bezahlen", sagte Lauterbach. Er kritisierte, mehr als die Hälfte aller gesetzlichen Kassen würden die Leistungen von Homöopathen erstatten. "Viele Patienten glauben, die Kassen zahlen nur das, was auch nachweisbar hilft. Deshalb adeln die Krankenkassen mit ihrem Vorgehen die Homöopathie."
CDU unterstützt SPD-Vorschlag
Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn unterstützte die Forderungen: "Wir haben die Wahltarife für Homöopathie unter Rot-Grün eingeführt. Wenn die SPD will, können wir das sofort streichen, da es keinen wissenschaftlichen Nachweis für den Nutzen gibt", sagte Spahn.
Auch der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Rainer Hess, sagte, es gebe nach Hunderten medizinischen Studien bisher keinen klaren Nutzennachweis für die Homöopathie. "Es hat schon viele Anläufe gegeben, die Schutzvorschrift für derartige Mittel zu streichen, aber einflussreiche Politiker haben dies immer wieder verhindert." Der designierte Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Jürgen Windeler, nannte Homöopathie ein "spekulatives, widerlegtes Konzept".
Erstattung nur im Ausnahmefall
Wer die Debatte bis hierhin verfolgte, konnte leicht den Eindruck gewinnen, mit der Streichung der Homöopathie aus dem Leistungskatalog ließen sich die GKV-Finanzen auf einen Streich sanieren. Doch die Fakten belegen das Gegenteil. Nach wie vor bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen Homöopathie nur in Ausnahmefällen. Seit 2007 können Versicherte zwar im Rahmen der neu eingeführten Wahltarife Homöopathie wählen. Aber: Selbst die Techniker Krankenkasse, die die umfangreichsten Homöopathie-Leistungen anbietet, übernimmt in ihrem Grundtarif keine homöopathische Arznei. Diese kaufen sich derzeit etwa 1000 ihrer 7,5 Millionen Versicherten mit einem Wahltarif, der auch Pflanzen- und "ganzheitliche" Medizin enthält und allein durch den Zusatztarif gedeckt sei, sagte ein TK-Sprecher. Je nach Alter bis zu 14,90 Euro im Monat kostet der TK-Wahltarif Homöopathie für jeden Versicherten. Jedes Familienmitglied muss sich extra versichern. Sehr wohl von der Gemeinschaft der TK-Versicherten getragen wird dagegen die Erstattung von homöopathischer Anamnese und Beratung – allerdings nur durch Schulmediziner mit Zusatzausbildung, nicht durch Heilpraktiker. Das nutzen derzeit 42.500 TK-Versicherte. Mehr noch: Auf der Liste der 44 Medikamente, die die Kassen bezahlen müssen, obwohl sie nicht verschreibungspflichtig sind, stehen zwar etliche rein pflanzliche Mittel – aber kein einziges homöopathisches.
GKV-Spitzenverband: Kein Grund für Korrektur
Der GKV-Spitzenverband sieht daher keinen Grund für eine Korrektur: Der Sprecher des Kassen-Spitzenverbands, Florian Lanz, sagte: "Jetzt passiert, was wir befürchtet hatten: Die Ärzte sollen trotz ihrer Rekordeinnahmen auch im nächsten Jahr wieder eine saftige Honorarerhöhung bekommen und gleichzeitig wird gefordert, für die Versicherten Leistungen zu streichen."
Unverständnis bei BAH und BPI
Beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) trifft der Ruf Lauterbachs nach einem Homöopathie-Verbot für die gesetzlichen Krankenkassen ebenfalls auf Unverständnis. Der BAH verwies darauf, dass die GKV-Wahltarife für Homöopathie seinerzeit auf Wunsch der rot-grünen Bundesregierung eingeführt wurden. Warum wolle die SPD nun etwas abschaffen, was sie in ihrer Regierungszeit als sinnvolle Kassenleistung erachtet habe und was von Ärzten, Patienten und Krankenkassen anerkannt sei? Statt an Dingen, die gesundheitspolitisch funktionieren, "herumzudoktern", sollte man sich besser um die entscheidenden Fragen einer Gesundheitsreform kümmern, meint der BAH. Der Verband verwies zudem auf die 2009 durchgeführte Allensbach-Studie zur Homöopathie: Mehr als die Hälfte der Deutschen hat danach schon einmal homöopathische Arzneimittel verwendet, und der Anteil derer, die Homöopathika bewusst anwenden, ist in den letzten 40 Jahren stark gestiegen. Das Meinungsbild zu dieser Therapieform sei eindeutig und habe sich in den vergangenen Jahrzehnten weiterhin positiv entwickelt, so der BAH.
Der BPI sieht in Lauterbachs Äußerungen den Versuch, das beginnende Sommerloch auszufüllen. Es werde der Eindruck erweckt, dass durch die Streichung angeblich unwirksamer Leistungen das Defizit der Krankenkassen aufgefangen werden könnte. Beide Aspekte gingen jedoch ins Leere: Auch Homöopathika wiesen die nach dem Arzneimittelgesetz geforderte Wirksamkeit nach, zudem seien homöopathische Behandlungen außerhalb von Wahltarifen bis auf wenige Ausnahmen ohnehin nicht erstattungsfähig und müssten vom Patienten selbst bezahlt werden. Die Ausgaben der Kassen für homöopathische Arzneimittel außerhalb der Wahltarife seien mit einen Anteil von 0,06 Prozent an den GKV-Arzneimittelausgaben absolut zu vernachlässigen. "So schießt man mit Kanonen auf Spatzen – der Anstieg der Verwaltungskosten der Krankenkassen im Jahr 2009 dürfte mehr ausmachen als alle Leistungen für Homöopathie", meint Barbara Sickmüller, stellvertretende BPI-Hauptgeschäftsführerin. Überdies hätten die Krankenkassen diese Wahlleistungen in ihrem Katalog, weil Zehntausende von Patienten mit der Homöopathie gute Erfahrungen gemacht hätten und bereit sind, dafür zu bezahlen.
Grüne: Homöopathie weiter erstatten
Die Grünen hingegen lehnen eine Herausnahme von Naturheilverfahren aus der gesetzlichen Krankenversicherung kategorisch ab. Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Die pauschale Kritik an der Homöopathie verkennt, dass selbst die Schulmedizin in vielen Fällen auf die industrielle Nachahmung von Heilmitteln zurückgreift, die es in der Natur kostenlos gibt." Die Kosten für Homöopathie stünden in keinem Verhältnis zu den gigantischen Summen, die für Schulmedizin ausgegeben würden.
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