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Arzneimittel und Therapie
Erhöhte Fehlbildungsraten unter Valproinsäure
Die Einnahme von Valproinsäure in den ersten Schwangerschaftsmonaten ist mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten einer Spina bifida assoziiert. Vermutlich ist auch das Risiko für weitere kongenitale Missbildungen erhöht, worauf einige Studien hinweisen. Um dies sicher festzustellen und Art und Ausmaß der Fehlbildungen einschätzen zu können, wurde eine umfangreiche Datenbankrecherche und ein anschließender Vergleich unterschiedlicher Gruppen durchgeführt. Dabei ging man folgendermaßen vor: Eine Überprüfung von acht Kohorten-Studien identifizierte 14 unterschiedliche Fehlbildungen, die bei Frauen aufgetreten waren, die während der ersten Schwangerschaftsmonate Valproinsäure eingenommen hatten. Anschließend wurde in einer Populations-basierten Fall-Kontroll-Studie die Beziehung zwischen der Valproinsäure-Einnahme und dem Auftreten von Missbildungen ermittelt. Die dazu erforderlichen Daten wurden der EUROCAT-Datenbank (s. Kasten) entnommen. Das Auftreten der Missbildungen wurde mit zwei Kontrollgruppen verglichen, wobei eine Kontrollgruppe kindliche Missbildungen ohne mütterliche Valproinsäure-Einnahme umfasste, die andere Missbildungen bei chromosomalen Auffälligkeiten. Der gesamte Datensatz umfasste ca. 98.000 Fehlbildungen unter 3,8 Millionen Neugeborenen in 14 europäischen Ländern zwischen 1995 und 2005.
Angeborene FehlbildungenEtwa jedes fünfzehnte Neugeborene kommt mit einer großen Fehlbildung zur Welt. Die Ursachen sind meist nicht bekannt. Rund 20% aller kongenitalen (angeborenen) großen Fehlbildungen sind monogen erbbedingt, 5 bis 10% beruhen auf chromosomalen Störungen und 2 bis 10% auf Virusinfektionen. Exogene ätiologische Faktoren können Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder die Einnahme von Arzneimitteln mit teratogenen Eigenschaften sein. Für die folgenden Substanzen ist eine embryotoxische Wirkung beim Menschen nachgewiesen: Alkohol, Androgene, Carbamazepin, Cumarinderivate, Jod-Überdosierung, Cocain, Phenobarbital, Phenytoin, Retinoide, Thalidomid, Valproinsäure und Zytostatika. Zur Häufigkeit einiger kongenitaler Fehlbildungen siehe Tabelle unten: Durchschnittswerte 1996 – 2007 aller EUROCAT-Zentren (European Surveillance of Congenital Anomalies in Europe); einem europäischen Netz von 51 Registern in 28 Ländern für die epidemiologische Überwachung angeborener Fehlbildungen. Derzeit werden mehr als eine Million Geburten jährlich in Europa erfasst. angeborene Fehlbildung Basisprävalenz/ Neuralrohrdefekte 8,54 Spina bifida 4,54 Lippen- und Lippen-Kiefer-Gaumenspalte 8,64 Hypospadie (angeborene Entwicklungsstörung der Harnröhre) 11,84 Down-Syndrom 17,57 kongenitale Hydrocephalie 4,95 Reduktionsfehlbildungen der Extremitäten 5,53 |
Erhöhtes Fehlbildungsrisiko
Im Vergleich zur Kontrollgruppe 1 (keine Valproinsäure-Einnahme während der ersten Schwangerschaftswochen) war die Valproinsäure-Einnahme im ersten Trimester mit einem signifikant erhöhten Risiko für sechs von 14 untersuchten kongenitalen Missbildungen assoziiert. Die jeweiligen Odds ratios (OR) zeigen das erhöhte Risiko. Die Odds ratio gibt an, um welchen Faktor die Chance für ein erwünschtes oder unerwünschtes Ereignis unter einer Verum-Therapie im Vergleich zur Kontrollbehandlung fällt bzw. steigt. Liegt die OR bei 1, gibt es keinen Unterschied zwischen Verum- und Kontrollbehandlung, liegt die OR über 1, erhöht die Verumbehandlung gegenüber der Kontrollbehandlung die Chance für ein unerwünschtes Ereignis.
- OR für Spina bifida 12,7 (95% Konfidenzintervall KI 7,7 bis 20,7)
- OR für Vorhofseptumdefekt 2,5 (95% KI 1,4 bis 4,4)
- OR für Kieferspalte 5,2 (95% Konfidenzintervall 2,8 bis 9,9)
- OR für Hypospadie (Entwicklungsstörung der Harnröhre) 4,8 (95% KI 2,9 bis 8,1)
- OR für Polydaktylie (Überzahl an Fingern und Zehen) 2,2 (95% KI 1,0 bis 4,5)
- OR für Kraniosynostose (Schädelfehlbildung) 6,8 (95% KI 1,8 bis 18,8).
Ähnliche Ergebnisse (bis auf eine Ausnahme) fanden sich beim Vergleich zwischen einer Monotherapie mit Valproinsäure vs. einer Monotherapie mit einem anderen Antiepileptikum.
Die Autoren befassen sich auch mit möglichen Konsequenzen aus diesen Studienergebnissen. Nach Möglichkeit sollten Schwangere oder Frauen mit Kinderwunsch ein anderes Antiepileptikum erhalten. Ein Wechsel bei einer bestehenden Valproinsäure-Therapie birgt Risiken und muss im Einzelfall entschieden werden.
Quelle Jentink J., et al.: Valproic acid monotherapy in pregnancy and major congenital malformations. N Engl J Med 362, 2185 – 2193 (2010).
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
Abwehr von Gefahren durch Arzneimittel:
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