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Fortbildung
Neue Therapeutika
Die Risiken einer MS-Therapie werden mit den neuen Wirkstoffen nicht geringer werden und es ist anzunehmen, dass sich manche Nebenwirkungen erst bei längerer Anwendung zeigen. Dies war auch der Fall beim Einsatz des monoklonalen Antikörpers Natalizumab, der über eine sehr potente Wirkung verfügt, in Einzelfällen aber eine progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) hervorrufen kann. Das Risiko wächst mit der Dauer der Anwendung – in der Regel sind die ersten zwei Jahre relativ sicher – und hängt von der Art der Vortherapie und dem Immunstatus ab. Tritt eine PML auf, kann der Wirkstoff mithilfe einer Dialyse ausgewaschen werden. Derzeit werden Surrogatparameter gesucht, um gefährdete Patienten frühzeitig zu erkennen.
Orale Therapeutika sind die Zukunft
Wahrscheinlich werden in Kürze mehrere oral einzunehmende MS-Therapeutika auf den Markt kommen:
- Cladribin wird derzeit in der Onkologie bei Haarzellleukämien eingesetzt und beeinflusst die Lymphozyten-spezifische Enzymausschüttung. Die Gabe erfolgt einmal jährlich in zwei Zyklen von jeweils fünf Tagen mit vier Wochen Abstand. In klinischen Studien wurde eine signifikante Reduktion der Schubrate festgestellt und die wirksame Potenz von Cladribin wird ungefähr zwischen Natalizumab und Interferon eingeschätzt. Der Zulassungsantrag liegt bei der EMA; das FDA fordert noch weitere Daten, um das potenzielle Risiko einschätzen zu können.
- Das täglich einzunehmende Fingolimod (FTY720) ist ein Modulator des Sphingosin-1-Phosphatrezeptors. Es wirkt zentral und peripher und führt zu einer Lymphozytenreduktion. In mehreren größeren Studien wurden eine signifikante Reduktion der jährlichen Schubrate und eine Abnahme der T2-Läsionen festgestellt. In seiner Wirksamkeit ist es mit Cladribin vergleichbar. Die Gabe der ersten Dosis kann zu Bradykardien führen, in seltenen Fällen wurde eine Schwellung des Sehnervs beobachtet. Ferner wurden unter der Therapie Hautveränderungen (Basaliome, Melanome) registriert.
- Der Kaliumkanal-Blocker Fampridin wirkt nicht auf das Immunsystem, sondern blockiert die Kalium-Leckage von demyelinisierten Axonen. Dadurch kann bei 30 bis 40% der Patienten eine signifikante Verbesserung körperlicher Funktionen (deutliche Verbesserung im Gehtest) erzielt werden. Eine Überdosis kann zu Krampfanfällen führen.
Monoklonale Antikörper
Seit 2006 wird bei schweren, schubförmigen Verläufen einer MS der monoklonale Antikörper Natalizumab eingesetzt. Weitere Antikörper, die möglicherweise ebenfalls verwendet werden können, sind Alemtuzumab und Rituximab (beide haben keine Zulassung für die Indikation MS). Alemtuzumab richtet sich gegen CD52-Antigene auf T- und B-Lymphozyten und führt zum Untergang der betroffenen Zellen. Bei der frühen MS ist die Gabe von Alemtuzumab wirksam, allerdings können beträchtliche Nebenwirkungen auftreten. Rituximab führt zur Komplexbildung mit CD20 auf B-Zellen und schaltet so die B-Zellen aus. Die Wirkung hält nach zwei Gaben Rituximab ein Jahr lang an. Der Einsatz erfolgt off-Label bei bestimmten Sonderformen der MS.
Neue Entwicklungen
Neue Entwicklungen sind der Immunmodulator Laquinimod, der zur Sekretion eines neurotrophen Faktors führt und Dimethylfumarat. Das Fumarsäurederivat Dimethylfumarat wirkt nicht immunologisch, sondern neuroprotektiv und schützt durch seine antioxidative Wirkung vor Zellschäden im Gehirn. Aufgrund seiner hohen Sicherheit und Wirksamkeit wird es vermutlich in den nächsten zwei Jahren zugelassen. Ein weiterer Therapieansatz, der derzeit verfolgt wird, ist die Remyelinisierung der von der Krankheit betroffenen Bezirke. pj
MS-Therapie - ein Ausblick
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