Feuilleton

Giftmorde der Agatha Christie

Das Schwäbische Schnapsmuseum in Bönnigheim, Kreis Ludwigsburg, zeigt eine Sonderausstellung über "Giftmorde im Steinhaus – Rezepte der Agatha Christie", die den Besuchern bis zum 3. Oktober sonntags von 14 bis 17 Uhr offensteht.
Eine kleine Auswahl …
Fotos: Strobel

Giftmorde stellen seit altersher eine beliebte Methode dar, unliebsame Personen aus dem Weg zu räumen, wobei diese Art der Tötung als die "elegante weibliche Art", als der "Mord von zarter Hand" bezeichnet wird. Wichtig für das "schwache Geschlecht" ist, dass ein Giftmord ohne Kraftaufwand in die Tat umgesetzt werden kann. Das Motiv der Täter(innen) ist meist Gewalt in der Ehe, Eifersucht, ein Liebhaber oder ein mögliches Erbe.

Die "sanfte" Art zu morden

Auch Agatha Mary Clarissa Christie (1890 – 1976), die erfolgreichste Krimiautorin aller Zeiten, zog das "sanfte" Mordinstrument Gift den brutaleren vor. In ihren weit über 100 Romanen und Kurzgeschichten ließ sie rund 70-mal mithilfe von Gift, aber auch mithilfe von überdosierten Arzneimitteln morden. Dabei hat sie die Eigenschaften und Wirkungen der Pharmaka – im weiteren Sinne des Wortes – detailliert beschrieben.

Pharmazeutische Praxis

Der Grund für das umfangreiche pharmazeutische Wissen, das Wissenschaftler der Queen of Crime attestieren, liegt darin, dass Agatha Christie tatsächlich eine pharmazeutische Ausbildung genossen hatte. Während des Ersten Weltkrieges hatte sie zunächst als Krankenschwester in einem Spital gearbeitet, in dem später eine Apotheke eröffnet wurde. Christie sollte die Assistentin der Apothekerin werden, woraufhin sie sogleich begann, für die hierfür notwendige Prüfung zu lernen.

Am 30. April 1917 erhielt sie das Zertifikat der Society of Apothecaries of London, das sie fortan berechtigte, Arzneimittel für Amtsärzte und Apotheker herzustellen und diese auch abzugeben. Dieser Abschluss entspricht nach den deutschen Prüfungsordnungen von damals dem eines vorexaminierten Apothekerassistenten.

Die Medikamentenabgabe empfand Christie mit der Zeit als eintönig, doch fertigte sie sorgfältig Listen von Substanzen an, mit Angaben über deren Eigenschaften, charakteristische Merkmale, Wirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Substanzen.


… aus Agatha Christies Giftschrank.

"Natürlich" ein Giftmord

In dieser Zeit dachte sie sich schon die ersten Kriminalgeschichten aus: "Ich begann zu überlegen, welche Art Krimi ich schreiben könnte. Auf den Regalen rund um mich herum standen Gifte, und so war es vielleicht nur natürlich, dass ich einen Giftmord ins Auge fasste." Sehr viel später kehrte sie noch einmal für ein paar Jahre zur Pharmazie zurück, nämlich als sie von 1941 bis 1944 als freiwillige Helferin in der Krankenhausapotheke des University College Hospital arbeitete. Somit konnte Agatha Christie ihr Wissen aus mehreren Jahren praktischer pharmazeutischer Tätigkeit in ihr Werk einfließen lassen.

Gemäß ihrem Motto "Give me a decent bottle of poison and I‘ll construct the perfect crime" ("Gebt mir eine anständige Flasche Gift, und ich werde das perfekte Verbrechen konstruieren"), wurde bereits in ihrem von Pharmazeuten und anderen Fachleuten bewunderten Erstlingswerk der Kriminalliteratur "The Mysterious Affair at Styles" (1920) mithilfe eines Giftes (Strychnin) gemordet, ebenso wie in ihrem letzten Werk "Curtain" ("Vorhang", 1975), in dem Physostigmin zum Einsatz kam. Dazwischen ließ Christie in ihren Krimis 13 Giftmorde mit ihrem Lieblingsgift Blausäure bzw. deren Salzen verüben (z. B. in "Lasst Blumen sprechen", 1939, oder in "Mord nach Maß", 1967), neun mit Arsenverbindungen (z. B. in "Der Wachsblumenstrauß", 1953, oder in "16 Uhr 50 ab Paddington", 1957), sieben mit Morphin (z. B. in "Mord auf dem Golfplatz", 1923), sechs mit Digitalis (z. B. in "Das Todeskraut", 1932), fünf mit Barbituraten (z. B. in "Alibi", 1926), fünf mit Strychnin (z. B. in "Tod auf dem Nil", 1934), drei mit Chloralhydrat (z. B. in "Ein gefährlicher Gegner", 1922), jeweils zwei mit Aconitin, Atropin, Cocain, Physostigmin und Strophanthin sowie 20 Morde mit diversen anderen Arzneimitteln, Chemikalien und Giften wie Antimon, Curare oder Thallium.

Arsenik, Königin der Gifte

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Wahrscheinlichkeit, dass ein Giftmord nicht entlarvt wurde, recht hoch. Die einzigen Beweismittel, die es früher gab, waren die spezifischen Charakteristika der bekannten Mordgifte wie etwa die durch Atropin hervorgerufene Pupillenerweiterung oder der Bittermandelgeruch bei einer Kaliumcyanidvergiftung.

Arsenik, die "Königin der Gifte", war jahrhundertelang das am häufigsten verwendete Mordgift, denn zum einen ist es als geruch- und geschmacklose Substanz dem Opfer leicht beizubringen, zum anderen wurde es bereits seit dem Mittelalter zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt, weshalb die Beschaffung leicht war und keinen Verdacht aufkommen ließ.

Des Weiteren unterschied sich das Krankheitsbild einer Arsenikvergiftung kaum von dem der Cholera, und ein Nachweis im Leichnam war bis zum Jahr 1832 nicht möglich. Der englische Chemiker James Marsh (1790 – 1846) entwickelte damals ein Verfahren, mit dem noch 1 μg Arsen nachweisbar ist. Durch die Einführung der Marshschen Probe in der Gerichtsmedizin ging die Verwendung von Arsenik als Mordgift stark zurück. Als Ersatz diente später das hochgiftige Pflanzenschutzmittel E 605 (Parathion), das häufig auch bei Selbstmorden zum Einsatz kam, heute aber nicht mehr im Handel ist.

Heute ein seltenes Delikt

Mit der Verbesserung der Nachweismöglichkeiten von chemischen Substanzen verloren die klassischen Mordgifte zunehmend an Bedeutung, sodass heute die Zahl der Tötungsdelikte, die mithilfe eines Toxins durchgeführt werden, wahrscheinlich nur noch verschwindend gering ist. Massenspektrometer können selbst Millionstel Gramm eines Stoffes nachweisen. Arsen und das radioaktive Thallium sind auch noch mehrere Jahre, Morphin circa ein Jahr lang nach dem Tod in den Haaren nachweisbar. Hinzu kommt, dass aufgrund von strengeren Bestimmungen und Kontrollen Gifte heute schwerer zu beschaffen sind.

Die Mordgifte von heute sind andere als noch vor 30 Jahren. Zu ihnen gehören biologische Gifte, die schon nach wenigen Tagen im Körper nicht mehr nachweisbar sind, gasförmige Stoffe, aber auch Acrylamid oder Cyanid. Besonders beliebt sind Medikamente in überdosierter Form und die radioaktiven Metalle Thallium und Polonium, da sie als geruch- und geschmacklose Pulver leicht in die Nahrung gemischt werden können und erst nach qualvollen Tagen zum Tod führen, sodass die Spur zum Täter schwer zurückzuverfolgen ist.

Zur Häufigkeit von Giftmorden in der Bundesrepublik gibt es keine amtliche Statistik. Die Zahlen schwanken zwischen unter 1% und 6,5% aller Tötungsdelikte. Man könnte meinen, dass die Dunkelziffer bei Giftmorden besonders hoch ist, denn gesucht wird ja nur dann, wenn ein konkreter Verdacht besteht; Untersuchungen haben aber ergeben, dass die Quote der zunächst unentdeckten Giftmorde in einem zu vernachlässigenden Bereich liegt. Töten mittels Gift ist demnach ein seltenes Verbrechen.


Dr. Martine Strobel

Ausstellung


Schwäbisches Schnapsmuseum

Meiereihof 7, 74357 Bönnigheim

Tel./Fax (0 71 43) 2 25 63

www.schwaebisches-schnapsmuseum.de

Geöffnet: sonntags 14 bis 17 Uhr

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