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Ein Jahr danach
Es war wie ein Befreiungsschlag: Am 19. Mai 2009 erklärte der Europäische Gerichtshof, dass das in Deutschland und den meisten EU-Mitgliedstaaten geltende Fremdbesitzverbot bei Apotheken gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Der Grundsatz, dass öffentliche Apotheken in die Hand und das Eigentum ausgebildeter Apothekerinnen und Apotheker gehören, fand nicht nur die Billigung, sondern auch die erkennbare Sympathie der 13 Richter der Großen Kammer des Gerichts. Allen Unkenrufen zum Trotz sahen die Richter das bestehende Apothekensystem am besten in der Lage, Arzneimittelrisiken zu minimieren und eine heilberuflich orientierte Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Dabei brachte das Gericht deutlich seine Skepsis gegenüber einer von renditegetriebenen Apothekenketten und Kapitalgesellschaften gesteuerten Arzneimitteldistribution zum Ausdruck. In dieser Woche jährt sich die Leitentscheidung des EuGH. Elmar Mand, Professor an der Universität Marburg, und Enno Burk nehmen den Jahrestag zum Anlass, noch einmal die Grundlinien und die Bedeutung der Luxemburger Entscheidung nachzuzeichnen.
In ihren Ausführungen setzen sich unsere Autoren auch mit den Kritikern der EuGH-Entscheidung auseinander, die nicht müde werden, weiterhin ihre vom Gericht für obsolet erklärten (Irr-)Lehren zu verbreiten. Die Hartnäckigkeit, ja Aggressivität ihrer Urteilsschelte mag darin liegen, dass einige der lautstärksten Kritiker während des langjährigen Gerichtsverfahrens regelmäßig in engen Diensten zu den Propagandisten des Fremdbesitzes standen (und zum Teil auch weiterhin noch stehen). Und offensichtlich wurde dabei nicht selten ihr juristischer Blick durch die interessengeleiteten Einflüsterungen ihrer Auftraggeber getrübt. Wie sicher waren sich die selbsternannten Europa-Experten ihrer Sache gewesen! An der Juristischen Fakultät der Universität Saarbrücken wurden schon Fortgeschrittenen-Klausuren ausgegeben, deren Musterlösungen das Fremdbesitzverbot bei Apotheken für gemeinschaftsrechtlich hinfällig erklärten. Und dann so etwas! Die Freunde des Fremdbesitzes und ihre Beraterbataillone erlebten vor einem Jahr ein fulminantes rechtliches Fiasko.
Ein EuGH-Chefkritiker mit besonders viel Schaum vor dem Mund ist Christoph Herrmann. In einer juristischen Fachzeitschrift (!) stellt der Wirtschaftsjurist allen Ernstes die Frage, ob das EuGH-Verfahren nicht neu aufgerollt werden müsse, weil die Ehefrau des Generalanwalts Pharmazeutin sei! O mores, o tempores, da spricht ein wahrlich unbefangener Kombattant: Herrmann war federführender Autor des degoutanten DocMorris-Gutachtens, das vom damaligen saarländischen Minister für Justiz, Gesundheit und Soziales, Josef Hecken (CDU), in Auftrag gegeben und finanziert worden war. Mit großem Bohei hatten Hecken und Herrmann seinerzeit die Inhalte des Gutachtens in der Berliner Landesvertretung des Saarlandes zusammen mit DocMorris-Chef Ralf Däinghaus und Celesio-Rechtsanwalt Thomas Diekmann präsentiert. Bei der PR-Pressekonferenz offenbarte Heckens Staatssekretär Wolfgang Schild (CDU), dass unter seiner Leitung seit Februar 2006 im Ministerium eine geheime Arbeitsgruppe getagt hatte, um zu prüfen, mit welchen rechtlichen Argumenten dem niederländischen Versandhändler für seine erste Vor-Ort-Fremdbesitzapotheke im Saarland eine Betriebserlaubnis erteilt werden könne. Mit von der Partie waren in der Arbeitsgruppe die damalige DocMorris-Führungscrew, leitende Ministerialbeamte, ein ehemaliger und zwei aktive Richter aus dem Saarland! Allein schon dieses Verfahren sprach rechtsstaatlichen Maßstäben Hohn und führte zu FDP-Anfragen im Saarländischen Landtag. Die Namen der Arbeitsgruppenmitglieder sind immer noch geheim. Leider weigert sich auch das jetzige Gesundheitsministerium unter FDP-Führung, die Namen insbesondere der aktiven Richter der Arbeitsgruppe offenzulegen (Die datenschutzrechtlichen Bedenken, die gegen die Bekanntgabe geltend gemacht werden, rühren von einem Fachaufsatz, der wiederum aus der Feder von zwei saarländischen Ministerialen stammt!).
Eine andere Frage ist inzwischen beantwortet: Der selbstherrliche Rechtsverstoß Heckens und seines Staatssekretärs Wolfgang Schild kam die Steuerzahler durchaus teuer zu stehen: Auf ca. 50.000 Euro beziffert das saarländische Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz die Kosten, die im Zuge des "DocMorris"-Verfahrens für Gutachter ausgegeben wurden. Hinzu kommen Prozesskosten in ebenfalls beträchtlicher fünfstelliger Höhe. Wohl dem, der für seine irrigen Rechtsausführungen nicht persönlich haftet! Und wohl dem, der – Rechtsbruch hin, Rechtsbruch her – nicht nur zu alledem schweigen darf, sondern sich seiner weiteren Karriereplanung widmen kann – ohne jeden Einspruch von Handelsblatt, FAZ, spiegel-online oder Frontal 21: Josef Hecken ist nach seinem Intermezzo als Präsident des Bundesversicherungsamts inzwischen Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Wolfgang Schild wurde Staatssekretär im Ministerium der (passt …) Justiz des Saarlandes und Christoph Herrmann erhielt als Professor einen Ruf an die Universität Passau auf einen Lehrstuhl für (na, was wohl …?) Europarecht.
Ironie der Geschichte: Der einzige, der von der Bildfläche verschwunden ist, ist der, der uns alles eingebrockt hat: Ralf Däinghaus. Zwei Monate nach dem EuGH-Urteil räumte der DocMorris-Gründer seinen Stuhl bei Celesio – ob ganz freiwillig, wissen wir nicht. Aber auf jeden Fall mit einer fetten Rendite.
Dr. Christian Rotta
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