Selbstmedikation

Ratiopharm hat Bufexamac-Vertrieb eingestellt

Hersteller Bufexamac-haltiger Dermatologika und Proktologika haben im Zuge des Stufenplanverfahrens freiwillig auf ihre Zulassung verzichtet. Noch vorhandene Ware kann nach derzeit gültiger Rechtslage noch bis Ende 2012 abverkauft werden. Ratiopharm teilt nun mit, dass es den Vertrieb seiner Präparate eingestellt hat. Apotheker, die noch vorhandene Bestände nicht mehr abgeben wollen, können diese über den Retourenweg zurückgeben. Andere pharmazeutische Unternehmer wollen die Abverkaufsfrist weiter nutzen.

Sowohl das BfArM als auch der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) bewerten das Nutzen-Schaden-Verhältnis von Bufexamac-haltigen Dermatika und Proktologika negativ. Einem hohen Risiko für Kontaktallergien steht eine nicht gesicherte Wirksamkeit gegenüber. Im November 2009 hatte das BfArM schon im Rahmen des seit 2002 laufenden Stufenplanverfahrens angekündigt, dass es die Zulassung widerrufen wolle. Die betroffenen Unternehmen haben daraufhin freiwillig auf die Zulassung verzichtet und sich damit zunächst eine nach § 31 Abs. 4 AMG festgelegte Abverkaufsfrist für zwei Jahre gesichert. Nach Auskunft des BfArM kann im Falle eines EU-weiten Widerrufs der Zulassung eine solche Abverkaufsfrist nicht mehr in Anspruch genommen werden. Der Widerruf der Zulassung muss dann sofort umgesetzt werden. Wie verhalten sich nun die Unternehmer?

Nycomed hält Präparate für sicher

Die Firma Nycomed teilte mit, dass ihre Faktu®-akut-Präparate aufgrund der Studienlage bei Beachtung der Fach- und Gebrauchsinformationen weiterhin sicher sind. Es wird auf eine insgesamt gute klinische Wirksamkeit bei Begleitsymptomen hämorrhoidaler und anorektaler Erkrankungen verwiesen. Ein Ausweichen auf Alternativ-Präparate sei nicht notwendig. Nycomed will die gesetzliche Abverkaufsfrist nutzen und Faktu® akut weiterhin am Markt unterstützen.

Sanofi Aventis stellt Abverkauf nicht infrage

Die zur Sanofi-Aventis-Gruppe zählende Winthrop Arzneimittel GmbH stellt nach Mitteilung von Sanofi Aventis den geregelten Abverkauf von Hämo Exhirud® bis auf Weiteres nicht infrage. Das Produkt sei seit Jahren auf dem Markt und somit Arzt und Apotheker bekannt. Die CHMP-Meinung gehe aus dem deutschen Stufenplan hervor. Sanofi Aventis betont, dass sich an der Datenlage nichts geändert hat. Sollte es hier Veränderungen geben, werde man diesen selbstverständlich Rechnung tragen.

Ratiopharm bietet Rücknahme an

Die Firma Ratiopharm teilte dagegen auf Anfrage der DAZ mit, dass sie im Hinblick auf ein mögliches Risiko für allergische Reaktionen unter der Behandlung mit Bufexamac-haltigen Produkten die Entscheidung getroffen hat, den Vertrieb der Bufexamac-haltigen Arzneimittel einzustellen. Bereits jetzt liefert Ratiopharm seine Präparate Bufexamac-ratiopharm® Salbe, Bufexamac-ratiopharm® Creme, Hämo-ratiopharm® Creme N und Hämo-ratiopharm® Zäpfchen N nicht mehr aus. Apotheker können noch vorhandene Ware über den Retourenweg zurückgeben. Ratiopharm betont, dass es sich so zugunsten des unumstrittenen Patientenwohls entschieden habe und gegen ein rein betriebswirtschaftliches Vorgehen.


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Dr. Doris Uhl

Kommentar


Der ganz legale Abverkauf

Unterschiedliche rechtliche Regelungen auf nationaler und EU-Ebene im Bereich der Arzneimittelzulassung haben nach dem Hin und Her um den Rückruf national und EU-weit zugelassener Clopidogrel-Generika eine neue Blüte hervorgebracht. Danach können sich in Deutschland Hersteller, die im Rahmen des Stufenplanverfahrens über einen geplanten Zulassungswiderruf unterrichtet werden, durch freiwilligen Zulassungsverzicht eine Abverkaufsfrist von zwei Jahren sichern. Eine solche Unternehmer-freundliche Regelung sieht das europäische Recht nicht vor.

So haben wir also im Falle von Bufexamac folgende kuriose Situation: In Deutschland läuft seit 2002 ein Stufenplanverfahren in Sachen Bufexamac-haltiger Dermatika und Proktologika. Im November 2009 kündigte das BfArM im Rahmen dieses Verfahrens an, dass es die Zulassung wegen eines ungünstigen Nutzen-Schaden-Verhältnisses widerrufen will und hat damit die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) auf den Plan gerufen. Sie muss immer dann, wenn ein Mitgliedsland einen Zulassungswiderruf plant, ein Risikobewertungsverfahren in die Wege leiten. Folgerichtig hat nun der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA die Daten gesichtet und kommt in der Sache zur gleichen Bewertung wie das BfArM. Er empfiehlt den Widerruf der Zulassung. Jetzt muss die EU-Kommission entscheiden, ob sie der Empfehlung folgen und die Zulassung EU-weit widerrufen wird. Dass der Widerruf kommen wird, daran scheint niemand wirklich zu zweifeln. Die Frage ist nur, wann.

Inzwischen haben in Deutschland die pharmazeutischen Unternehmer Bufexamac-haltiger Präparate schon im Januar 2010 freiwillig auf ihre Zulassung verzichtet. Unbemerkt von der Öffentlichkeit und im Einvernehmen mit dem BfArM läuft seitdem der Abverkauf der Restbestände über die Apotheken. Das ist solange vollkommen legal, wie auf EU-Ebene noch keine rechtskräftige Entscheidung zum Widerruf der Bufexamac-Zulassung gefallen ist. Wird die Zulassung auf EU-Ebene widerrufen, dann kippt auch die bundesdeutsche Abverkaufsregelung bei freiwilligem Zulassungsverzicht. Ein Rückruf noch im Markt vorhandener Ware wäre nicht mehr zu vermeiden.

Nun sollte all das, was Arzneimittelüberwachungsbehörden in diesem Zusammenhang unternehmen, vorrangig der Arzneimittelsicherheit und dem Verbraucherschutz dienen. Vor diesem Hintergrund ist es schwer zu verstehen und kaum zu vermitteln, weshalb das BfArM auf der einen Seite ein so hohes Risiko sieht, das einen Bufexamac-Widerruf rechtfertigt, auf der anderen Seite aber noch zusehen kann, dass Patienten weiter mit dem Wirkstoff behandelt werden. Dass pharmazeutische Unternehmer die gesetzlichen Möglichkeiten nutzen, ist ihnen nicht zu verdenken. Sie haben entsprechende Präparate jahrzehntelang in den Markt gebracht, ihre Risikobewertung war und ist zum Teil immer noch eine andere.

Wenn aber nun ein Unternehmen wie Ratiopharm den Vertrieb der umstrittenen Präparate einstellt und den Apotheken eine großzügige Retourenregelung anbietet, dann ist das ein Beispiel, das Schule machen sollte. Zwar wird schon manch ein Apotheker im Zuge der jahrelang schwelenden Diskussion Alternativen empfohlen haben. Doch sicher werden noch einige Bufexamac-haltige Hämorrhoidenmittel und Hautcremes in den Apotheken lagern. Alle Apotheker und Unternehmer, für die das Vertrauen der Patienten an erster Stelle stehen, sollten spätestens jetzt auf den Abverkauf von Restbeständen verzichten, selbst wenn er noch legal ist.

Dr. Doris Uhl, Redakteurin der Deutschen Apotheker Zeitung

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