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Röslers Geheimcoup verärgert Gesundheitspolitiker der Union
Ungeachtet aller sachlichen Differenzen sehen die Gesundheitspolitiker von CDU und CSU vor allem die politische Etikette durch den Minister-Neuling im Gesundheitsressort verletzt. Über die Presse hatte Philipp Rösler seine Vorschläge in die Öffentlichkeit gespielt.
Kritik an Vorgehensweise
"Mich ärgert, dass die Unionsfraktion aus der Zeitung von wichtigen Papieren des Ministeriums erfährt. Das gab es selbst zu Zeiten der großen Koalition nicht", monierte der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU) den Affront. Der normalerweise umgängliche Vize-Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und oberste Gesundheitspolitiker der Union, Johannes Singhammer, kann seinen Zorn nur mühsam unterdrücken: Er sieht in dem am Wochenende bekannt gewordenen Konzept "Schwachstellen". Intern wird Röslers Papier in der CDU als "chaotisch" und als einem Ministeriumsvorschlag "nicht würdig" abgekanzelt.
Für SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach ist die Sache klar: Röslers Konzept spare "keinen Cent". Vereinbarungen mit der Pharmabranche hätten noch nie zu Kostensenkungen geführt.
Positive Stimmen
Verbraucherschützer und Kassen unterstützen dagegen Röslers Pläne. Selbst die Pharmaindustrie signalisierte nach einer ersten Schrecksekunde Bereitschaft, neue Preisregeln zu akzeptieren. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lobte die Pläne. Für den Verband sei es wichtig, dass ein "Preisdiktat der Hersteller" beendet werde, sagte GKV-Sprecher Florian Lanz. Die Verbraucherschützer begrüßten es, dass die Politik auf eine konsequente Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln setze.
VFA: Effizienz durch Wettbewerb erhalten
Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) widersprach vehement dem Eindruck, dass Arzneimittelpreise zu hoch seien. Gleichwohl wehrt sich Verbandschefin Cornelia Yzer nicht gegen Verträge und stärkere Verhandlungen mit den Kassen, wenn die "Effizienz durch Wettbewerb" erhalten bleibe. Ihr Vorschlag: Die staatliche Kosten-Nutzen-Bewertung solle nur dann zum Tragen kommen, wenn eine Einigung nicht innerhalb von zwei Jahren gelinge. Die Unionsfraktion setzt dagegen stärker auf sofort wirkende Maßnahmen zur Preissenkung und fordert in einem Papier unter anderem einen "Pharma-Soli" von den Herstellern.
Lösungen müssen her
Nun beginnen die Verhandlungen über Röslers Pläne. Geschäftsmäßig bis kalt dürfte die Begrüßung ausfallen, wenn Rösler am Donnerstagabend, dem 11. März, zur Klausurtagung der Gesundheitspolitiker der Union in Berlin hinzustößt. Die Atmosphäre in der Regierungskoalition ist zwar angespannt, aber eine Lösung muss trotzdem her. Die Ausgaben für Arzneimittel stiegen weiter: 2009 haben allein die gesetzlichen Krankenkassen knapp 30 Milliarden Euro für Medikamente ausgegeben – etwa ein Fünftel ihrer Gesamtaufwendungen.
Auf drei Seiten haben Röslers Experten die Vorschläge des Hauses zu Papier gebracht. Auf der ersten Seite bewerten seine Beamten die Vorschläge der Verbände: "Nicht weitgehend genug", heißt es da zu den vfa- und BPI-Modellen. "Keine überzeugenden Vorteile zum Festbetragssystem" bieten dem Minister die Vorstellungen des BAH. Die Wünsche des Verbandes Pro Generika fallen bei Rösler ebenfalls durch: "Kein schlüssiges Gesamtkonzept". Als "nicht ausgereift" lehnt das Gesundheitsministerium die vom GKV-Spitzenverband geforderte Einführung einer "Vierten Hürde" ab.
Was sich Rösler vorstellt
Auf knappen zwei Seiten legt Rösler seine eigenen Vorstellungen vor: Mit einen Mix aus Preisverhandlungen und Kosten-Nutzen-Bewertungen will der Bundesgesundheitsminister das Ausgabenwachstum bei Arzneimitteln unter Kontrolle bringen. Im Gegenzug könnten bisherige Instrumente zur Preissteuerung entfallen. Die Pflicht der Apotheken, teure deutsche Arzneimittel durch billigere Importe aus dem preisregulierten Ausland zu ersetzen, könnte ebenso gestrichen werden wie die Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Bonus-Malus-Regelung für Ärzte.
Als kurzfristige Maßnahmen schließt Rösler Zwangsrabatte und ein Preismoratorium nicht aus: "Unabhängig von langfristigen Maßnahmen bleiben kurzfristige Maßnahmen wie Zwangsrabatte und Preismoratorium in der Diskussion", heißt es im Konzept. Nähere Ausführung über die Rahmenbedingungen solcher Zwangsmaßnahmen gibt es aber nicht. Wie ernst Rösler diese Drohung meint, muss sich also erst noch zeigen. Grundsätzlich soll der freie Marktzugang für neue Arzneimittel erhalten bleiben. "Die Unternehmen können nach der Markteinführung ihr Produkt zum geforderten Preis vermarkten", heißt es in Röslers Konzept. "Kurzfristig" nach der Markteinführung soll jedoch eine Nutzenbewertung auf der Grundlage der vom Unternehmen einzureichenden Daten erfolgen. Es soll festgestellt werden, für welche Patienten und Erkrankungen ein Zusatznutzen entsteht und ob das neue Arzneimittel ein "Solist" ist oder im Wettbewerb mit ähnlichen Arzneimitteln steht.
Für sogenannte Solisten soll es zwischen jeder Krankenkasse und dem pharmazeutischen Unternehmen auf freiwilliger Basis eine Erstattungsvereinbarung geben. Diese Vereinbarung soll Kosten-Nutzenbewertungen und Richtgrößenprüfungen überflüssig machen. Kommt es nach einem Jahr nicht zu einer Einigung zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen, "beginnt eine Kosten-Nutzen-Analyse durch das IQWiG, an dessen Ende eine Höchstpreisfestsetzung steht", heißt es in Röslers dreiseitigem Entwurf. Wer die Preise festsetzen soll und auf welcher Basis, sagt Rösler noch nicht.
Für neue Arzneimittel, die im Wettbewerb mit anderen innovativen Produkten stehen, soll es Ausschreibungen der Krankenkassen geben. Diese wiederum sollen zu Erstattungsverträgen zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Krankenkassen führen. Nimmt kein Unternehmen an der Ausschreibung teil, gilt das Verfahren wie für "Solisten".
Das derzeitige Festbetragssystem für Arzneimittel soll erhalten bleiben. Bei der jährlichen Anpassung der Festbetragshöhe sollen jedoch die Zuzahlungsfreistellungsgrenzen berücksichtigt werden. Dadurch soll eine Preisspirale nach unten (Kellertreppeneffekt) vermieden werden. Wie Rösler dies im Detail regeln will, bleibt im Konzept allerdings offen.
Die Rabattverträge sollen zum Schutz mittlerer und kleinerer Generikahersteller weiterentwickelt werden. Auch hier bleibt in Röslers Papier offen, wie "Oligopolisierung" vermieden und sichergestellt werden soll, "dass genügend Anbieter im Markt bleiben".
Unter Punkt 4. Deregulierung heißt es in Röslers Konzept nur: "In Abhängigkeit von der Umsetzung der obigen Vorschläge können andere Instrumente entfallen oder vereinfacht werden: Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Bonus-Malus-Regelung, Importarzneimittel."
Keine Details zur Importquote
Details dazu, wie Rösler die Importquote kippen will, finden sich im Papier nicht. Obwohl die Importquote gesetzlich bei 5 Prozent festgeschrieben ist, beträgt sie in der Praxis rund 11 Prozent. Laut Insight Health wurden im Jahr 2009 rund 36 Millionen Packungen im Gesamtwert von 2,6 Milliarden Euro als Reimporte an deutsche Apotheken geliefert. 18 Unternehmen mit einem Umsatz von jeweils mehr als einer Million Euro sind laut Insight Health in Deutschland als Reimporteure aktiv. Prompt regt sich auch hier Protest gegen Röslers Ansinnen – dieses Mal sogar aus den eigenen Reihen. Laut FAZ meldete bereits der saarländische Wirtschaftsminister Christoph Hartmann (FDP) "in aller Form" seine "tiefsten Bedenken gegen diese Pläne" an. Er habe Sorge, dass die Arzneimittelimporteure überproportional getroffen werden könnten. "Die negativen Auswirkungen brächten in Deutschland eine große Anzahl von Arbeitsplätzen in Gefahr, alleine im Saarland über 700", heißt es in dem Schreiben. In der saarländischen Kleinstadt Merzig m Saarland sitzt mit Kohl-Pharma der Import-Marktführer.
Bis zum Sommer will die Koalition einen Gesetzesentwurf auf den Weg bringen. Die Gesundheitspolitiker von CDU und CSU wollen jetzt einen eigenen Vorschlag ausarbeiten. Bis zum notwendigen Kompromiss ist es noch ein weiter Weg.
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