Gesundheitspolitik

Duell um Kopfpauschale spitzt sich zu

Seehofer bleibt bei seinem Nein zu Röslers Plänen

Berlin (lk). Der Streit um die Einführung einer Kopfpauschale spitzt sich zu einer offenen Konfrontation zwischen CSU und FDP in der Regierungskoalition zu. Nach einem Spitzentreffen der Parteichefs von CSU und FDP, Horst Seehofer und Guido Westerwelle, mit Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel vergangene Woche in Berlin verhärteten sich die Fronten. Eine klare Absage an die Kopfpauschale erteilte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer.

Nach eigenen Angaben hat Seehofer beim Treffen im Kanzleramt am 24. Februar das Nein der CSU zur Kopfpauschale im Detail vorgerechnet. Die Umstellung des Arbeitnehmeranteils von derzeit 7,9 Prozent erfordere eine Prämie in Höhe von 145 Euro und einen steuerlichen Sozialausgleich von 21 Mrd. Euro. Seehofer: "Diese Zahlen sind unbestechlich. Diese Zahlen sind nicht zu erschüttern. Nichts ist so überzeugend wie die Realität." Eine Kopfpauschale von 145 Euro bedeute konkret, dass die meisten der 20 Millionen Rentner einen Sozialausgleich benötigten. "Die meisten Frauen erhalten 800 Euro und weniger Rente", rechnete Seehofer vor. Selbst wer wie die Mehrheit 1000 Euro Rente monatlich beziehe, benötige einen Sozialausgleich von über 65 Euro im Monat. So etwas könne kein CSU-Politiker gutheißen.

Außerdem schloss Seehofer jede Steuererhöhung zur Finanzierung der Kopfpauschale aus. Selbst Röslers Vorschlag einer stufenweisen Einführung mit einem Sozialausgleich von anfänglich 10 Mrd. Euro lehnt die CSU kategorisch ab. Seehofer: "Schauen Sie sich doch mal den Haushalt an. Wir wollen mehr Geld für Bildung ausgeben und die Steuern senken." Nach Seehofers Worten haben sich ungeachtet aller Differenzen die Parteivorsitzenden darauf verständigt, dass die Regierungskommission "zügig" Finanzierungsvorschläge vorlegen soll. Die Kommission solle die Frage beantworten, wie die "unvermeidlichen Mehrkosten" der Demografie im Gesundheitswesen bezahlt werden könnten. Nach Ansicht des CSU-Chefs kommt dafür vor allem folgender Weg in Betracht: Begleitet vor wirksamen Maßnahmen zur Kostendämpfung könnten die heute auf ein Prozent des Einkommens begrenzten Zusatzbeiträge weiter steigen. Seehofer: "Die Bevölkerung ist bereit, für gute medizinische Versorgung mehr zu bezahlen. Die Bevölkerung ist aber nicht bereit, die Mittel zu verschleudern."

Rösler weist Kritik zurück

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler wies Seehofers Berechnungen zur Pauschale umgehend zurück. Die Gesundheitspolitik sei ein schwieriges Feld, das wisse auch Seehofer, der früher selbst Gesundheitsminister war. Rösler: "Es ist nichts für schnelle Kopfrechner, sondern für solides und seriöses Arbeiten, und genau das wird der Auftrag der Regierungskommission sein." In einem ARD-Interview riet der FDP-Politiker zur Zurückhaltung. Alle sollten abwarten, welches Modell die Regierungskommission vorstellen werde. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte indessen mehr Transparenz im Gesundheitssystem. Die steigenden Beiträge einiger Krankenkassen zeigten, dass das System insgesamt transparenter werden müsse, sagte Merkel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Der Versicherte müsse besser sehen können, was seine Kasse wofür ausgebe.

Angesichts der steigenden GKV-Ausgaben forderte Seehofer die Bundesregierung auf, bei der Gesundheitsreform aufs Tempo zu drücken und sich vor allem der Ausgabenseite zuzuwenden. Vereinbart worden sei, dass Rösler rasch Maßnahmen zur Kostendämpfung vorlegen müsse. Die "sehr rasante" Entwicklung führe sonst im Herbst/Winter zu Beitragsschüben bei den Kassen, "die nicht mehr mit Zusatzbeiträgen aufzubringen sind." Bleibe Rösler untätig, müsse der Einheitsbeitrag im Jahr 2015 "irgendwo bei 20 Prozent liegen".

Sparen bei Arzneimitteln

Wirtschaftlichkeitsreserven sieht Seehofer vor allem bei Arzneimitteln. Die Ausgabensteigerungen seien "nicht so richtig medizinisch zu begründen", sagte er. Bevor man der Bevölkerung höhere Beiträge aufbürde, müsse der Nachweis geführt werden, "dass es wirtschaftlich zugeht." Außer im Arzneimittelsektor sieht Seehofer jedoch kaum Reserven zur Kostendämpfung. Es gebe auch nicht viele Möglichkeiten, Leistungen aus der GKV-Finanzierung auszuklammern. Ausdrücklich nicht zurückkehren will Seehofer zur Budgetierung. Die Methoden der Gesundheitspolitik der 90er Jahre, als er selbst Gesundheitsminister war, seien weitgehend ausgereizt.

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