Gesundheitspolitik

Kassen wollen bei Apotheken 830 Millionen Euro sparen

Kassenvertreter unterbreiten Gesundheitsminister Sparvorschläge

Berlin (lk). Mit Einsparungen zulasten der Apotheken wollen die gesetzlichen Krankenkassen einen Teil des im Jahr 2010 entstehenden Milliarden-Defizits auffangen. Beim Treffen mit Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) forderte der GKV-Spitzenverband, den Apothekenabschlag von 2,30 Euro gesetzlich festzuschreiben. Außerdem will der GKV-Spitzenverband die Großhandelsrabatte für Apotheker abschöpfen. Mit beiden Eingriffen sollen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen um 830 Millionen Euro pro Jahr zulasten der Apotheken sinken.

Im Sommer will die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket zur Eindämmung der Arzneimittelausgaben, insbesondere bei patentgeschützten Arzneien, verabschieden. Mit der Ankündigung einiger Kassen, in Kürze Zusatzbeiträge von den Versicherten zu erheben, ist Gesundheitsminister Rösler unter politischen Handlungsdruck geraten. In dieser Woche will Rösler seine Gespräche über Maßnahmen zur Kostendämpfung mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie fortsetzen.

Das Sofortprogramm des GKV-Spitzenverbandes sieht Sparbeiträge von Herstellern, Apothekern, Pharmagroßhandel und dem Staat vor. Der GKV-Spitzenverband schlägt vor, den Herstellerabschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel von derzeit 6 Prozent "deutlich" zu erhöhen. Eine Erhöhung um jeweils einen Prozentpunkt bringe zusätzliche Einsparungen in Höhe von 110 Millionen. Dies sollte mit einem Preismoratorium ab November 2009 verbunden werden.

Den Sparbeitrag der Apotheken wollen die Kassen durch eine gesetzliche Festlegung des Apothekenabschlags generieren. Der "Großkundenrabatt" solle bei der bisherigen Höhe von 2,30 Euro verbleiben. Die Einsparungen beliefen sich auf rund 330 Millionen Euro.

Großhandelsmarge soll reduziert werden

Für den Großhandel schlagen die Kassen eine Reduzierung der Großhandelsmarge um 40 Prozent vor. Damit sollen ca. 500 Millionen Euro gespart werden. Im Zuge einer Neuregelung der Großhandelszuschläge für Fertigarzneimittel sollen die Apothekenabgabepreise deutlich gesenkt und so die Rabatte des Großhandels an die Apotheker abgeschöpft werden. Zu diesem Zweck sollten die heutigen Zuschläge nach Paragraf 2 der Arzneimittelpreisverordnung durch eine Kombination aus Fixzuschlag und prozentualen Zuschlag ersetzt werden, sagte eine GKV-Sprecherin gegenüber der AZ.

Hinter dieser Forderung stehe der Verdacht, dass der Großhandel den Apotheken unter der Hand deutlich höhere Rabatte zubillige, so die GKV-Sprecherin. Es gebe Hinweise, dass der Großhandel "Abschläge bis zu 40 Prozent" einräume. Ziel der gesetzlichen Krankenkassen sei die Reduzierung der Großhandelsmarge um 40 Prozent und eine entsprechende Senkung der Apothekenabgabepreise. Auf diese Weise sollten die versteckt gewährten Rabatte des Großhandels an die Apotheken an die Patienten weitergereicht werden, so der GKV-Spitzenverband.

Völlig offen ist, ob sich die gesetzlichen Krankenkassen mit ihrer Forderung bei Gesundheitsminister Philipp Rösler durchsetzen können. Selbst Kassenexperten beurteilen die Aussichten auf Umsetzung des Vorschlages des GKV-Spitzenverbandes skeptisch.

Auch der Staat soll sich nach Meinung der Kassen an den Sparbemühungen beteiligen und den Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent reduzieren (mit Preismoratorium).

Strukturreform für Preisbildung bei Arzneimitteln

Mittelfristig halten die Kassen eine Strukturreform bei der Preisbildung für patentgeschützte Arzneimittel für erforderlich. Erreicht werden soll das durch eine schnelle, vorläufige Kosten-Nutzen-Bewertung als "Zugangstor" zur Erstattung in der GKV. Dazu sollen neue Arzneimittel in zwei Kategorien eingeteilt werden: Arzneimittel mit nachgewiesenem medizinisch-therapeutischem Zusatznutzen und Medikamente, bei denen der Zusatznutzen nicht oder vorläufig nicht erbracht ist, d. h., es bestehen vergleichbare Behandlungsalternativen.

Im ersten Fall soll die freie Preisbildung eingegrenzt werden durch bestehende ausländische Referenzpreise und unter Berücksichtigung von Mengeneffekten (Größe der mit diesem Medikament zu therapierenden Gruppe von Kranken) erfolgen. Die Preisbildung der zweiten Gruppe soll sich orientieren an den Preisen der vorhandenen Therapiealternativen. Von diesen Preisen könne aber im Wege der Preisverhandlung mit einzelnen Krankenkassen abgewichen werden.

Nach Abschluss dieser vorläufigen Preisbildung (Stufe 1 und 2) soll eine ausführliche Kosten-Nutzen-Bewertung erfolgen, die innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen Zeitraums abgeschlossen werden muss. Die Kassen schlagen als Frist zwei Jahre vor. Anhand der Ergebnisse werden Einordnung und gebildeter Preis überprüft und gegebenenfalls modifiziert.

Ihre eigenen Sparbeiträge sehen die Kassen bereits durch ihre Rabattverträge sowie die Festbeträge realisiert. Dabei beziffert der GKV-Spitzenverband das Einsparvolumen der Rabattverträge für 2009 auf ca. 500 Millionen Euro. Durch Arzneimittel-Festbeträge seien im laufenden Jahr ca. 4,6 Milliarden Euro Einsparungen zu erwarten.

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