Gesundheitspolitik

EU-Parlament will keine versteckte Werbung für Rx-Arzneien

Patienteninformationen müssen sachlich und geprüft sein

Berlin/Straßburg (ks). Das Europäische Parlament hat am 24. November mit großer Mehrheit den Gesetzentwurf zur Patienteninformation über verschreibungspflichtige Medikamente angenommen. Lange wurde um diesen Part des dreiteiligen EU-Pharmapaketes gerungen – nun zeigten sich die Parlamentarier erfreut, ein Aufweichen des Werbeverbots verhindert zu haben. Jetzt muss der Ministerrat noch zustimmen.

Die Europaparlamentarier haben in erster Lesung zwei legislative Berichte verabschiedet: eine Verordnung zu Aspekten auf EU-Ebene sowie eine Richtlinie zu Bestimmungen für Mitgliedstaaten, die in nationale Gesetzgebung umgesetzt werden sollen. Angenommen wurden zahlreiche Änderungsanträge. Der schwedische EU-Abgeordnete Christofer Fjellner (EVP – Christdemokraten), der die Berichte vorgelegt hat, sagte hierzu: "Das Wichtigste, das wir in diesem Verfahren getan haben, war den Fokus dieser Gesetzgebung zu ändern, von den Rechten der pharmazeutischen Unternehmen, Informationen zu verbreiten, hin zu den Patientenrechten auf Information, die sie benötigen und wollen. Dieser Vorschlag bietet nur Verbesserungen in Bezug auf Qualität und Umfang von Informationen, die den Patienten zur Verfügung stehen."

Auch der deutsche EU-Parlamentarier und gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion Dr. Peter Liese (CDU) zeigte sich zufrieden – die ursprünglichen Pläne des früheren Industrie-Kommissars Günter Verheugen waren bei ihm von jeher auf wenig Gegenliebe gestoßen. Liese erläuterte, bei dem Gesetzgebungspaket stehe ein Informationsportal über Arzneimittel im Mittelpunkt, das unabhängig betrieben wird und auch Informationen über die Krankheit selbst und andere Therapiemöglichkeiten bereithalten soll. Die Mitgliedstaaten sollen diese Webseiten einrichten. Dagmar Roth-Behrendt (SPD) verwies darauf, dass auch alle Patientinnen und Patienten, die keinen Computer und keinen Internetzugang haben, die Informationen erhalten können. Druckversionen der autorisierten Informationen sollen daher auch in Gesundheitszentren, beim Arzt oder in der Apotheke zu bekommen sein.

Die Industrie soll Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel nur dann weitergeben können, wenn diese vorab geprüft sind. Hier geht es einerseits um den Beipackzettel, aber auch um häufig gestellte Fragen und Antworten. "Damit die Informationen nicht tendenziös und verkaufsfördernd sind, muss die gleiche Behörde, die das Arzneimittel und den Beipackzettel zulässt, auch diesen Text zulassen", erklärte Liese.

Das Europäische Parlament hat außerdem entschieden, dass die Industrie nicht aktiv auf den Patienten zugehen, sondern nur auf Anfrage von Patienten reagieren darf. Offene Werbung für rezeptpflichtige Medikamente ist in der EU ohnehin verboten. Da das geltende Recht in einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt wird, kann es aber vorkommen, dass Information und Werbung nicht klar voneinander abzugrenzen sind. Um diese Unterscheidung deutlicher zu machen, fordert das Parlament, dass diese Informationen nicht nur über Fernsehen und Radio untersagt sein sollen, sondern auch in Printmedien. Der Kommissionsvorschlag hatte ein Verbot nur für Radio und Fernsehen vorgesehen. Angehörige der Gesundheitsberufe müssen alle Verbindungen zu pharmazeutischen Unternehmen angeben, wenn sie auf öffentlichen Veranstaltungen oder in den Medien über Arzneimittel informieren.

Packungsbeilage im Web – ein Fall für den EuGH

Am gleichen Tag veröffentlichte die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Verica Trstenjak ihre Schlussanträge in einem Verfahren, in dem es ebenfalls um das Thema Patienteninformation zu Rx-Medikamenten ging. Sie plädierte dafür, dass Pharmaunternehmen auf ihren öffentlich zugänglichen Webseiten durchaus die Packungsbeilage eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels veröffentlichen können sollten. Voraussetzung sei, dass die Angaben dem Interessenten nicht unaufgefordert dargeboten werden, sondern nur demjenigen zugänglich sind, der sich selbst um sie bemüht.

Im dem EuGH vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs (Rs. 216/09) streiten die Pharmaunternehmen MSD und Merckle miteinander: MSD präsentierte ihre rezeptpflichtigen Arzneimittel "Vioxx", "Fosamax" und "Singulair" im Internet jeweils über eine nicht passwortgeschützte elektronische Verknüpfung. Gezeigt wurde die Produktpackung zudem wurden Indikationen und Gebrauchsinformationen beschrieben. Ein Urteil des EuGH ist in drei bis sechs Monaten zu erwarten.

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