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Gesundheitspolitik
GKV-Spitzenverband lehnt Pick-up-Verbot ab
Neue Vertriebswege eröffneten den Versicherten die Chance zu mehr Flexibilität und förderten den Wettbewerb, heißt es zur Begründung weiter. Für ein Pick-up-Verbot fehle die Notwendigkeit, "soweit für alle Vertriebswege die Sicherheit der Versorgung gesetzlich gewährleistet wird". Der GKV-Spitzenverband schlägt in seiner insgesamt 45-seitigen Stellungnahme vor, die entsprechenden Gesetzespassagen ersatzlos zu streichen.
Von der Einführung von Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und Herstellern neuer Arzneimittel erwartet der GKV-Spitzenverband kurzfristig einen Preisschub bei der Arzneimittelversorgung. Die Rahmenbedingungen ließen nicht erwarten, dass "pharmazeutische Unternehmer vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Inverkehrbringen eines Arzneimittels zu einer Einigung über den Erstattungsbetrag bereit sind", schreibt der GKV-Spitzenverband an. Die vorausschauende Berücksichtigung eines von der Schiedsstelle später festzusetzenden Rabattes werden "die Abgabepreise und damit die Arzneimittelausgaben im Markteinführungsjahr im Vergleich zu heute steigen" lassen. Dass die Kosten-Nutzen-Bewertung erst im Anschluss eines Schiedsspruches starten solle, ist aus Sicht der Kassen "eindeutig zu spät". Hier drängt GKV-Spitzenverband auf kürzere Fristen. "Sonst erfolge die Preisfestsetzung erst so spät, dass "die entscheidende Erlösphase für die meisten Arzneimittel abgeschlossen sein dürfte".
Kartellrecht unerwünscht
Anders als bei den Arzneimittelherstellern stößt beim GKV-Spitzenverband die vorgesehene Anwendung des Kartellrechts auf gesetzliche Krankenkassen auf Ablehnung. Dieser Schritt sei in seinen Konsequenzen so weitreichend, dass eine gesonderte Gesetzgebung erforderlich sei. Eine solche Umstellung der Rechtslage bedürfe einer "sorgfältigen Prüfung". Es bestehe die große Gefahr, dass die Auswirkungen auf die Versorgung der Versicherten "nicht ausreichend berücksichtigt werden". Gegen die Anwendung des Kartellverbotes bestehen beim GKV-Spitzenverband daher "erhebliche rechtliche Bedenken".
Während einige Kassen sich bereits äußerst kritisch zu der im AMNOG-Entwurf vorgesehenen Mehrkostenregelung für Rabatt-Arzneimittel geäußert haben, schweigt der GKV-Spitzenverband hierzu in seiner Stellungnahme. Die ebenfalls im Rahmen von § 129 SGB V vorgesehenen Präzisierungen für die Aut-idem-Substitution und die damit zusammenhängenden Änderungen an der Packungsgrößenverordnung, werden vom Verband begrüßt. Mit der Umformulierung sollen bisherige Probleme bei der Auslegung der Merkmale "gleicher Indikationsbereich" und "identische Packungsgröße" ausgeräumt werden. "Die angestrebte Rechtsänderung folgt konkreten GKV-Vorschlägen, die aus der Anwendungspraxis zur aut-idem-Regelung nach § 129 SGB V entwickelt wurden", heißt es in der GKV-Stellungnahme.
Pharmaindustrie kritisiert zentrale Verhandlungen
Andere Töne wurden dagegen aus der Industrie laut. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) wendet sich gegen die starke Position des GKV-Spitzenverbandes bei den künftigen Preisverhandlungen: "Verhandlungen zentral auf den Spitzenverband zu konzentrieren, bedeutet, statt Wettbewerb ein Nachfragemonopol zu etablieren", warnte vfa-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Die Industrie stehe für wettbewerbliche Strukturen und daher für einen Vorrang dezentraler Verträge. Die Möglichkeiten zu wichtigen Versorgungsverträgen und die Teilnahme der Hersteller an Verträgen der integrierten Versorgung dürften aber nicht ins Leere laufen, weil dezentrale Verträge nachrangig seien. "Verträge müssen automatisch Zwangsrabatte ablösen," so Yzer weiter.
Yzer betonte weiterhin, dass die geplante frühe Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) weitreichende Auswirkungen auf den Leistungsanspruch und die Versorgung der Patienten haben werde. "Daher müssen die wesentlichen Kriterien und die Methodik der Bewertung durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung und nicht durch den G-BA selbst festgelegt werden", so ihre Forderung. Die frühe Bewertung erfordere einen verantwortlichen Umgang mit den Unwägbarkeiten zum Zeitpunkt der Zulassung, damit sie nicht zu einer willkürlichen Innovationsbremse werde.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) übte ebenfalls Kritik an den zentralen Verhandlungen und den Regelungen zur frühen Nutzenbewertung. Zudem werde dem G-BA "eine extreme Machtfülle zugebilligt" – und das "ohne gesellschaftliche Legitimation". Der BPI beklagt, dass im Referentenentwurf die von Schwarz-Gelb angekündigte Deregulierung der Arzneimittelversorgung nur unzureichend umgesetzt werde. Es finde lediglich eine geringfügige Bereinigung statt, um die ohnehin nicht oder kaum genutzten Regulierungsinstrumente und -befugnisse wie dem Zweitmeinungsverfahren oder der Bonus-Malus-Regelung. Ein Dorn im Auge ist sämtlichen Herstellerverbänden zudem die geplante Ausweitung der Aut-idem-Substitution. Die intendierte größtmögliche Austauschbarkeit von Arzneimitteln sei haftungsrechtlich problematisch und würde die ohnehin bei Rabattverträgen bestehende Non-Compliance noch vergrößern, argumentieren sie.
Auch nach dieser ersten Erörterung des Referentenentwurfs ist davon auszugehen, dass das Bundesgesundheitsministerium an den Grundstrukturen festhalten und lediglich Nuancen verändern wird. In den nächsten Wochen ist sodann ein entsprechender Kabinettsentwurf der Bundesregierung zu erwarten. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause sollte ein Fraktionsentwurf in den Bundestag eingebracht werden, damit das zustimmungsfreie AMNOG plangemäß zum 1. Januar 2011 in Kraft treten kann.
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