Gesundheitspolitik

GKV-Spitzenverband: Handelsmargen gehören auf den Prüfstand

GKV-Chefin Doris Pfeiffer hält die Apothekendichte in Deutschlands Städten für zu hoch

Berlin (lk/ks). Die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer, will die Margen im Arzneimittelhandel auf den Prüfstand stellen und die Zahl der Apotheken senken: "In Deutschland haben wir sehr viele Apotheken. Es geht mir um eine Diskussion über die Vertriebswege für Arzneimittel, auch über die Zahl der Apotheken", sagte Pfeiffer in Interview mit der AZ. Das Hauptproblem bestehe vor allem in den Ballungsgebieten. Aber auch auf dem Lande habe "niemand ein Problem, eine Apotheke zu finden".

Dr. Doris Pfeiffer
Foto: AZ/Sket

AZ: Die Regierungskommission zur Neuordnung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen hat ihre Arbeit aufgenommen. Wie groß sind Ihre Hoffnungen auf ein gutes Ergebnis?

Pfeifer: Wir sind natürlich alle sehr gespannt. Nicht zuletzt wegen der Stimmenvielfalt in der schwarz-gelben Regierungskoalition lässt sich über das Ergebnis keine Prognose wagen. Für die gesetzlichen Krankenkassen ist aber wichtig, dass dort nicht nur über die künftige Finanzierung der GKV gesprochen wird, sondern auch über die Ausgabenseite. Die Kostendynamik läuft ungebremst. Da muss etwas passieren. Wichtig ist aus Kassensicht auch, dass die Versorgungsqualität für die Patienten erhalten bleibt und nicht am Sachleistungsprinzip gerüttelt wird. Patienten sollten nicht mit der Kreditkarte zum Arzt gehen und Vorkasse leisten müssen.

AZ: Ärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe fordert rund 40 Mrd. Euro zusätzlich für die GKV. Ist die Finanzlage wirklich so schlecht?

Pfeiffer: Das sehe ich nicht so. Die GKV gibt 170 Mrd. Euro aus. Insgesamt geben die Bürger knapp 350 Mrd. Euro im Jahr für Gesundheit aus. Ich finde es schade, dass Ärztepräsident Hoppe immer wieder mit der Drohung der Rationierung bei der Patientenversorgung Ängste in der Bevölkerung schürt. Es ist genügend Geld vorhanden. In vielen Arztpraxen und Krankenhäusern werden aber viele medizinische Dinge gemacht, die nicht notwendig sind, beispielsweise bei der Arthroskopie oder beim Röntgen. Nach Schätzungen sind etwa die Hälfte der Arthroskopien überflüssig. Bei den Röntgen-, CT- und MRT-Untersuchungen wird der Anteil noch höher geschätzt. Da besteht noch großer Spielraum für Einsparungen.

AZ: Auch bei Arzneimitteln? Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler hat ein Sparkonzept für neue Arzneimittel vorgelegt. Reichen Verhandlungen mit den pharmazeutischen Unternehmen zur Preisdämpfung aus?

Pfeiffer: Das entscheidende Problem bei Preisverhandlungen zwischen Kassen und pharmazeutischen Unternehmen ist und bleibt die Nutzen- bzw. die Kosten-Nutzen-Bewertung. Aus GKV-Sicht ist es erforderlich, diese zu beschleunigen. Die Hersteller haben heute ein Interesse, das Verfahren in die Länge zu ziehen. Dann können wir nicht auf gleicher Augenhöhe verhandeln. Wir wollen die Pharmafirmen keineswegs verteufeln. Wir wollen, das neue, segensreiche Arzneimittel rasch zu den Patienten gelangen. Aber die Politik muss dafür sorgen, dass im Interesse der Patienten schneller klar wird, ob ein neues Medikament tatsächlich zusätzlichen Nutzen bringt. Dann können auch Verhandlungen wirkungsvoll eingesetzt werden.

AZ: Wer soll auf GKV-Seite verhandeln?

Pfeiffer: Nicht vorstellen kann ich mir, dass jede Kasse für sich verhandelt. Dann wäre das Ungleichgewicht noch größer. Die Verhandlungen sollten für die GKV insgesamt geführt werden. Wir wollen dann auch über Mengen, z. B. für den indikationsgemäßen Einsatz verhandeln, nicht nur über den Preis.

AZ: Wie soll es mit den Rabattverträgen weitergehen?

Pfeiffer: Aus GKV-Sicht hat sich das Instrument der Rabattverträge als Ergänzung des Festbetragssystems bewährt. Hier findet zwischen den Kassen und zwischen den Herstellern Wettbewerb statt, der zu erheblichen Einsparungen führt. Das begrüßen wir und wollen es ausbauen. Rabattverträge sind eine wichtige Ergänzung zum Festbetragssystem. Wichtig ist, dass die Festbeträge durch Rabattverträge nicht abgelöst werden. Außerdem: Ich kann nicht erkennen, dass durch Rabattverträge mittelständische Generikahersteller in Existenznot geraten. Dieser Vorwurf ist unbegründet.

AZ: Aber beim erzwungenen Medikamentenwechsel treten immer wieder Compliance-Probleme auf.

Pfeiffer: Ich glaube, das ist vor allem eine Frage der Gewohnheit und der Information. Wichtig ist, dass die Ärzte ihre Patienten darüber informieren. Weil Rabattverträge im deutschen Gesundheitswesen noch relativ neu sind, sorgen sie jetzt noch für Irritationen. Das wird sich aber einspielen. Das hat sich schon deutlich verbessert. Das gilt auch für das Handling in den Apotheken. Bessere Kommunikation kann hier dafür sorgen, dass die Apotheker mit den Anlaufproblemen der Rabattverträge im Verhältnis zum Patienten nicht alleine gelassen werden.

AZ: Die Krankenkassen klagen gegen den Schiedsspruch, den Apothekenabschlag von 2,30 Euro auf 1,75 Euro zu senken. Wie wenig wollen Sie den Apotheken überhaupt noch zahlen?

Pfeiffer: Aus unserer Sicht ist die Grundkonstruktion falsch. Der Abschlag ist so etwas wie ein Mengenrabatt für die GKV. Das war die Grundidee. Darin die Kosten zum Beispiel für die Umsetzung von Rabattverträgen einzubringen, macht aus unserer Sicht keinen Sinn. Nach unserer Auffassung gehört der Aufwand für die Verteilung der Arzneimittel in die Preisverordnung und spielt beim Apothekenrabatt keine Rolle. Wichtig aus unserer Sicht ist, dass die Klage möglichst schnell entschieden wird, damit wir eine Basis für die Verhandlung im laufenden Jahr haben. Darin sind wir mit den Apothekern einig.

AZ: Mit welchem Instrument wollen Sie den Apothekenabschlag ersetzen?

Pfeiffer: Unsere Idealvorstellung ist: Der Apothekenrabatt ist ein Rabatt zugunsten der GKV, weil die GKV den größten Teil der Arzneimittel abnimmt. Dort ist es nicht sinnvoll darüber zu verhandeln, ob und wie sich die Kosten für die Apotheken verändert haben. Kostenfragen müssen in der Preisverordnung geregelt werden. Dort geht es um die Margen. Das ist für die GKV eine systematische Frage. Der gesamte Arzneimittelbereich bedarf einer Neuordnung. Die verschiedenen Instrumente sind unübersichtlich, in ihrer Wirkung zum Teil gegenläufig und schaffen viel Unsicherheit – für die Kassen wie für Apotheken. Das wäre eine Aufgabe für den neuen Bundesgesundheitsminister, dort mehr Transparenz und Rechtssicherheit für alle an der Arzneimittelversorgung Beteiligten zu schaffen.

AZ: Auch Sie haben vorgeschlagen, die Großhandelsrabatte für die Apotheken zu kürzen.

Pfeiffer: Es geht mir um eine Diskussion über die Vertriebswege für Arzneimittel, auch über die Zahl der Apotheken. In Deutschland haben wir sehr viele Apotheken. Der Anstieg der Apothekenzahl in den letzten Jahren ist für mich der Hinweis, dass es in einer Apotheke immer noch genug zu verdienen gibt. Offensichtlich sind die Margen noch gut genug. Deswegen muss man die Frage nach den Handelsspannen auf dem gesamten Vertriebsweg stellen. Fördern die gesetzlichen Margen einen effizienten Vertriebsweg? Oder ist da so viel Luft drin, dass davon mehr Apotheken leben können, als wir zur Versorgung der Versicherten brauchen?

AZ: Wie viele Apotheken dürfen es denn sein?

Pfeiffer: Vor 15 Jahren hatten wir noch über 1000 Krankenkassen, heute nur noch 169. Und die GKV funktioniert trotzdem. Diese Relation soll kein Maßstab für die Apotheken sein. Wir wollen auch keine Zahl festlegen. Aber: Trotz des starken Stadt-Land-Gefälles hat niemand ein Problem, eine Apotheke zu finden. In den neuen Bundesländern ist die Apothekendichte nur halb so hoch wie in den alten Bundesländern, ohne dass dort die Arzneimittelversorgung problematisch ist. Mein Eindruck ist daher, dass die Apothekenfinanzierung noch sehr gut ist. Darüber müssen wir zumindest sprechen. Aufgabe der GKV ist es nicht, einen Berufsstand zu finanzieren. Auch hier müssen Wirtschaftlichkeitskriterien gelten. Das Hauptproblem sehe ich vor allem in Ballungsgebieten.

AZ: Stichwort Pick-up-Stellen, Aufhebung des Mehr- und Fremdbesitzverbotes. Dann gäbe es möglicherweise aber eine Ausweitung des Apothekennetzes?

Pfeiffer: Das gehört zum Gesamtthema Vertriebswege. Wir wollen keinen bestimmten Weg vorschreiben. Für die GKV ist entscheidend, dass bei allen Wegen die Sicherheit der Arzneimittelversorgung garantiert ist – ob in der Apotheke oder der Tankstelle. In neuen Vertriebswegen sehen wir für unsere Versicherten die Chance für mehr Flexibilität und Effizienz in diesem Markt. In anderen Ländern mit Kettenapotheken gibt es beispielsweise keine Hinweise darauf, dass dort die Sicherheit der Arzneimittelversorgung gefährdet wäre. Wir haben uns schon immer für eine Lockerung des deutschen Apothekenmarktes ausgesprochen. Keine Angst, wir wollen nicht die Abgabe in Tankstellen promoten. Aber wir haben mit anderen Vertriebswegen keine Berührungsprobleme. Ich halte es allerdings nicht für realistisch, dass es einen Run auf Arzneimittel in Tankstellen geben würde. Aber wenn die Rahmenbedingungen vor allem hinsichtlich Sicherheit und Effizienz stimmen, sollten wir diesen und andere neue Vertriebswege nicht von vorneherein ausschließen.

AZ: Frau Pfeiffer, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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