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Arzneimittel und Therapie
Gegen Migräneattacken gezielt und rechtzeitig vorgehen
Über 90% aller Kopfschmerzen lassen sich auf Migräne und Spannungskopfschmerz zurückführen. Eine Migräneattacke kann vier bis 72 Stunden dauern und mit wechselnder Häufigkeit ein- bis sechsmal im Monat auftreten. Zwischen den Attacken besteht Schmerzfreiheit. Typisch für den pochenden, hämmernden oder pulsierenden Migränekopfschmerz ist, dass er durch körperliche Bewegung stärker wird. Gleichzeitig leiden fast alle Patienten bei einer Migräneattacke unter Begleitsymptomen wie Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Licht und Lärmempfindlichkeit sowie unter gesteigerter Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Gerüchen. Bei 15% aller Migränepatienten tritt eine Migräne mit Aura auf. Hierbei treten vor den Kopfschmerzen neurologische Symptome, wie Sehstörungen, halbseitige Sensibilitätsstörungen, Hemiparese oder Sprachstörungen auf, die innerhalb einer Stunde wieder verschwinden. Umgangssprachlich werden starke Kopfschmerzen verschiedener Ursachen manchmal als "Migräne" bezeichnet, obwohl eine ärztliche Diagnose gar nicht vorliegt. Häufiger als Migräne ist der Kopfschmerz vom Spannungstyp oder Kombinationen aus beiden Kopfschmerzarten. Auch Clusterkopfschmerz oder Analgetika-induzierte Kopfschmerzen können von Übelkeit und Erbrechen begleitet sein. Da für verschiedene Kopfschmerzformen unterschiedliche Behandlungsleitlinien bestehen, muss für eine rationale Behandlung zunächst eine exakte Diagnose erstellt werden. Zur Diagnosestellung wird der Arzt eine ausführliche Anamnese erheben. Dazu gehören Fragen zur Kopfschmerzhäufigkeit, -dauer, -lokalisation, Schmerzqualität und -intensität, zu Begleitsymptomen und Triggerfaktoren. Auch in der Apotheke müssen vor einer Wirkstoffauswahl Fragen zu Schmerzhäufigkeit, Schmerzcharakter und zu den Begleitsymptomen gestellt werden. Nennt der Patient dabei zwei Kopfschmerzkriterien wie einseitig, pulsierend, mittelschwer bis schwer bzw. Verschlechterung durch Bewegung und ein Zusatzkriterium wie Übelkeit und/oder Erbrechen bzw. Licht- und Geräuschempfindlichkeit, dann kann man von einer Migräne sprechen. Dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer, die höchste Inzidenz für Migräneattacken besteht zwischen dem 35. und dem 45. Lebensjahr.
Medikamentöse Migräneprophylaxe empfohlen
Bei häufigen Migräneattacken (mehr als drei in einem Monat), bei nicht ausreichendem Ansprechen auf eine adäquate Migränetherapie sowie bei nicht tolerablen Nebenwirkungen der Akuttherapie wird eine Migräneprophylaxe empfohlen. Sie ist sinnvoll, um die Häufigkeit der Schmerzattacken zu reduzieren, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern und lange Arbeitsausfallzeiten zu verhindern, aber auch um die Akutbehandlung zu minimieren und das Risiko des Analgetika-bedingten Kopfschmerzes gering zu halten. Mittel der ersten Wahl sind immer noch die Betablocker Metoprolol und Propranolol, der Calciumantagonist Flunarizin, und die Antikonvulsiva Topiramat und Valproinsäure. Migräneprophylaktika der zweiten Wahl sind neben Bisoprolol, Naproxen, Gabapentin, ASS, Magnesium und Amitriptylin. Die prophylaktisch eingesetzten Arzneistoffe sollten schrittweise aufdosiert werden, um unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu vermeiden, die zu Beginn häufiger auftreten. Da einige dieser Wirkstoffe müde machen, sollte zudem die Einnahme möglichst am Abend erfolgen. Zur nicht-medikamentösen Prophylaxe können alle Migränepatienten angehalten werden, auch ihr Verhalten zu ändern. Empfohlen werden:
- Kontrolle der Triggerfaktoren wie Coffein oder Stress,
- Ausdauersport wie Joggen, Radfahren und Schwimmen;
- Entspannungsverfahren (progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen),
- Biofeedbacktherapie;
- Stressbewältigungstraining.
Dabei bedeutet Kontrolle der Triggerfaktoren nicht unbedingt, diese vollständig zu meiden. Es gilt viel eher einen unkontrollierten Stressabfall zu vermeiden. Gestressten Managern kann durchaus geraten werden, für die ersten Urlaubstage einige Akten mit zu nehmen. Wichtig ist es auch, seinen normalen "stressigen" Rhythmus am Wochenende nicht einfach komplett aufzugeben. Das ungewohnte lange Ausschlafen am Wochenende kann durchaus zu einer Migräneattacke führen. Daher gilt auch hier, kontrolliert den Stress zu reduzieren: Besser ist es, sich den Wecker zur gewohnten Arbeitszeit zu stellen und aufzustehen, es dann aber langsamer angehen zu lassen. Andere Auslöser wie Wetterwechsel, Lärm, Licht, Gerüche und Hormonschwankungen lassen sich nur bedingt beeinflussen.
Evidenz-basierte Migränetherapie
Die genauen Vorgänge bei der Entstehung der Migräne sind noch nicht geklärt. Nach den aktuellen Vorstellungen kommt es zu einer Vasodilatation im Bereich der Meningealarterien und einer aseptischen, perivaskulären Entzündung der Arteriolen, vermittelt durch parasympathische Fasern, die den Nervus trigeminus und den Nervus facialis begleiten. Mittels der Positronenemissionstomographie konnte nachgewiesen werden, dass es während der Migräneattacke es im Hirnstamm und Mittelhirn eine Region mit gesteigerter Durchblutung gibt, einen sogenannten Migränegenerator. Eingesetzt werden Analgetika zur unspezifischen Migränetherapie wie ASS, Paracetamol, Ibuprofen oder Naproxen, Antiemetika wie Metoclopramid, Domperidon sowie die Triptane als hochspezifische Migränetherapeutika. Mittel der ersten Wahl bei leicht-und mittelgradigen Migränekopfschmerzen ist ASS (1000 mg), Paracetamol (1000 mg), Ibuprofen (400 bis 600 mg) Naproxen (500 bis 1000 mg) sowie Diclofenac (50 mg). Brausetabletten oder Kautabletten gelten als optimale Darreichungsformen. Unbedingt beachtet werden muss, dass alle diese Arzneistoffe maximal an zehn Tagen im Monat maximal drei Tage hintereinander eingenommen werden dürfen.
Wichtig: den Einnahmezeitpunkt beachten
Triptane führen zur Vasokonstriktion der während der Migräneattacke erweiterten Blutgefäße im Bereich der Dura. Sie hemmen die Freisetzung vasoaktiver Neuropeptide wie z. B. Calcitonin-gene-related-peptide (CGRP) und sie hemmen die Transmission von Schmerzsignalen im Nucleus caudalis des Nervus trigeminus. Alle Triptane unterdrücken den Kopfschmerz und die vegetativen Begleiterscheinungen, bessern die Lärm- und Lichtempfindlichkeit. Aber sie sind nicht in der Lage, den eigentlichen Krankheitsprozess der Migräneattacke zu durchbrechen, der Migränegenerator bleibt wahrscheinlich unbeeinflusst. Triptan dürfen keinesfalls prophylaktisch eingenommen werden. Sie wirken optimal zu Beginn einer Migräneattacke, wenn die Aura beendet ist, aber bevor der Kopfschmerz einsetzt (siehe die Abbildung). Sobald man bemerkt, dass sich eine Migräneattacke entwickelt, sollte eine ausreichende Dosis des gewählten Arzneistoffs eingenommen werden. Kontraindiziert sind Triptane bei Herzinfarkt und Apoplex in der Vorgeschichte, bei koronarer Herzkrankheit sowie bei nicht behandelter Hypertonie. Auch Schwangerschaft und Stillzeit gelten als Kontraindikation. Die auf dem Markt befindlichen Triptane unterscheiden sich in ihrer Wirkkinetik. Die kürzeste Zeit bis zum Wirkeintritt besteht für die subkutane Gabe von Sumatriptan (ca. zehn Minuten), Nasensprays wirken im Allgemeinen schneller als Tabletten oder Sublingualtabletten. Im Schnitt dauert es 30 bis 60 Minuten bis zum Wirkeintritt. Der Wirkungseintritt von Naratriptan und Frovatriptan ist im Vergleich mit anderen Triptanen verzögert, er liegt bei bis zu vier Stunden. Sollte bei einer Migräneattacke die erste Dosis allerdings einen Kopfschmerz nicht gebessert haben, hilft auch eine zweite Dosis nicht. Zeigt ein Triptan bei drei aufeinander folgenden Migräneattacken keine Wirkung, kann ein anderes Triptan wirksam sein.
Quelle
Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Frankfurt/Main, Migräne: Prophylaxe und Therapie, 11. Februar 2009, Pharmacon Davos
ck
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