Mikronährstoffe

Ernährungsumstellung und Diät mit Aminosäuren

Mark Warnecke ist einer der erfolgreichsten deutschen Schwimmer aller Zeiten. So hat er 2005 in Montreal mit 35 Jahren als bislang ältester Schwimmer WM-Gold geholt. Warnecke ist aber auch Arzt mit dem Schwerpunkt Ernährungsmedizin und hat ein eigenes Diät-Konzept entwickelt. Uwe Gröber fragte ihn, welche Rolle seiner Meinung nach die Ernährung und die Supplementation von Aminosäuren für die sportliche Leistungsfähigkeit und die Prävention von Zivilisationskrankheiten spielen.*
Foto: Sportphoto by Laci Perenyi

Gröber: Sehr geehrter Herr Warnecke, welchen Anteil hat Ihrer Einschätzung nach die Ernährung am sportlichen Erfolg eines Athleten?

Warnecke: Die Ernährung hat einen sehr großen Anteil am Erfolg eines Sportlers. Ich selbst hatte mich früher nie richtig darum gekümmert, konnte 2005 mit Erlangen des Weltmeistertitels aber selbst feststellen, dass man seine sportliche Leistungsfähigkeit tatsächlich durch eine optimierte Ernährung und sinnvolle Zusatzsubstitution positiv beeinflussen kann.

Gröber: Sie haben mittlerweile ein eigenes Diät-Konzept entwickelt. Können Sie bitte kurz darstellen, auf welchen Grundprinzipien Ihre Diät beruht?

Warnecke: Das Diät-Konzept besteht aus zwei Bausteinen, welche ich ihrer Gewichtung nach aufzählen möchte. Zum einen muss eine Ernährungsumstellung erfolgen, zum anderen werden Aminosäuren während der Diät zugeführt. Die Umstellung der Ernährung und das Beseitigen des Ernährungsfehlers, der zum Übergewicht führte, ist aber der Hauptfaktor. Die Aminosäuren sollen dann helfen, die gewünschte Gewichtsreduktion, die optimal nur aus einer Fettreduktion bestehen sollte, zu unterstützen.

Mark Warnecke

Geboren am 15.02.1970 in Bochum
Arzt, Ernährungsmediziner
10 deutsche Meistertitel in Folge über 50 m Brustschwimmen, insgesamt 21 deutsche Rekorde
25 internationale Medaillen bei Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen
4 Olympiateilnahmen, 1996 Bronze im 100 m Brustschwimmen
Weltmeister 1995, 2000 und 2005, ältester Schwimmweltmeister aller Zeiten mit 35 Jahren
3 Weltrekorde und 1 Weltbestzeit, zusätzlich eigenen Weltrekord 3‑mal egalisiert,
7 Europarekorde
Bestzeiten: 50 m Brust 27,44 min (2005: deutscher Rekord) 100 m Brust 61,33 min (1996)

Gröber: Welche Bedeutung haben Aminosäuren, die sogenannten Bausteine des Lebens, und welche Funktionen erfüllen überhaupt Aminosäuren in unserem Körper?

Warnecke: Aminosäuren sind in jeder Zelle enthalten, bilden Hormone und unterstützen aktiv den Stoffwechsel und verschiedene Organfunktionen. Aminosäuren stärken das Immunsystem, optimieren Blutfett- und Blutzuckerspiegel, wirken laut aktueller Studienlage aktiv gegen Arteriosklerose, Bluthochdruck und vieles mehr.

Gröber: Warum ist gerade die Zufuhr von Aminosäuren während einer Diät so wichtig?

Warnecke: In der Diät sollen Aminosäuren helfen, diese durch ihre vielfältigen positiven Eigenschaften zu unterstützen.

Meiner Meinung nach sind die wissenschaftlich erwiesenen positiven Wirkungen der Aminosäuren bislang gar nicht genug umgesetzt worden. Wenn man sich intensiver mit der Wirkung von Aminosäuren auf den Organismus beschäftigt und sie ggf. selbst ausprobiert, kommt man nicht umhin, diese gerade für die Ausnahmesituationen Sport und Diät zu nutzen.

In den katabolen Stoffwechselzuständen, die man durch eine Diät bewusst provoziert bzw. durch sportliches Training hinnehmen muss, sind die Vorteile einer Aminosäurensubstitution nicht von der Hand zu weisen. Einige Proteinpräparate, die zu einer Diät genutzt werden, haben die positive Wirkung von Proteinen bei einer Diät schon in Studien bestätigt.

Aminosäuren sind die Bestandteile von Proteinen und somit ohne lang anhaltende Verdauungsphasen schneller für den Organismus verfügbar als langkettige Proteine.

Aminosäuren haben den Vorteil, dass man sie in sehr hoher Konzentration substituieren kann, ohne Nebenprodukte wie Fett, Ballaststoffe (behindern in diesem Fall die Resorption), Purin und andere unerwünschte Begleitstoffe. Aminosäuren werden zu den diätoptimierten Mahlzeiten gegeben, um so die Nährstoffbilanz weiter zu optimieren.

Da in den Aminosäuren keine der oben aufgeführten Zusatzstoffe enthalten sein sollen, sind sie auch, was die "Untermischbarkeit zu Mahlzeiten" und die Dosierungshöhe angeht, gegenüber den herkömmlichen Proteinpräparaten ganz klar im Vorteil.

Alle wissenschaftlich belegten positiven Eigenschaften von Aminosäuren, wie z. B. die besondere Bedeutung für die zelluläre Immunabwehr, Optimierung der Stickstoffbilanz usw. aufzuzählen, würde allerdings den Rahmen dieses Interviews sprengen.

Gröber: Immer mehr Menschen leiden in Deutschland an Übergewicht. Der "Alters"-Diabetes Typ 2 ist eine Erkrankung, die sich in den vergangenen Jahren sehr "verjüngt" hat und mittlerweile bei Zwölfjährigen vermehrt auftritt. Welchen Stellenwert hat Sport und regelmäßige körperliche Aktivität für die Prävention moderner Zivilisationskrankheiten? Kann man Krankheiten wie Diabetes Typ 2 oder Arteriosklerose sozusagen "davonschwimmen"?

Warnecke: Regelmäßige körperliche Aktivität hat für die Prävention einen immens hohen Stellenwert, und es ist sogar möglich, etlichen Erkrankungen bzw. den schweren Folgen dieser Erkrankungen etwas "davonzuschwimmen".

Körperliche Aktivität (Sport) kann vieles verbessern und muss in der Zukunft weiter unterstützt werden. Aber auch der Sport kann nicht alles; die Grundlage bildet immer der gesunde Lebensstil und vor allen Dingen die Ernährung.

Man wird nicht übergewichtig, weil einem die Knie wehtun und man keinen Sport mehr treiben kann, sondern man wird übergewichtig, weil man mehr Kalorien aufnimmt, als man verbraucht! Die Reihenfolge ist also ganz klar: erst Ernährung, dann aktiver Lebensstil, am besten natürlich beides.

Die Kinder mit "Alters"-Diabetes setzen ein eindeutiges Zeichen. Wenn wir jetzt nicht handeln und aus "Angst" vor Investitionen für die Prävention nachgeben, werden wir, die noch etwas älter werden wollen, und unsere Kinder einem unglaublich großen Finanzierungsproblem der erkrankungsbedingten Kosten gegenüberstehen. Eine Schulung für gesunde (nicht unleckere) Ernährung, Verbot von Werbefallen (Süßigkeiten "ohne Fett") und ein sinnvoller Umgang mit Nahrungsergänzungen ist meiner Meinung nach notwendig.

Gröber: Juristische und sportethische Gründe haben Sportler und Trainer in den vergangenen Jahren nicht vor unerlaubten Manipulationen zurückschrecken lassen, wie der Fall Marion Jones oder die Doping-Skandale um die Telekom-Radprofis gezeigt haben. Sind diese Dopingfälle nur die Spitze des Eisbergs und wie sieht nach Ihrer persönlichen Einschätzung die Situation im internationalen Schwimmsport derzeit aus?

Warnecke: Auch das ist eine Frage, die sich nicht einfach beantworten lässt und viel Platz für Spekulationen offen hält. Ich persönlich denke, dass es durch die internationale Ungerechtigkeit bei der Dopingbekämpfung zurzeit keine wirkliche Chancengleichheit gibt. In Deutschland sind wir schon sehr gut in der Dopingbekämpfung und lassen gerade durch häufige, unangemeldete Kontrollen wenig Spielraum für schwarze Schafe. Dennoch kann man natürlich auch bei uns noch etwas optimieren, und das wird auch immer so bleiben, da das "Dopinggeschäft" natürlich nicht ruht. Ein wichtiger Punkt zur Optimierung wäre z. B. eine deutlichere Bestrafung der Hinterleute im Dopingbusiness. Alle Menschen, die sich Fachwissen zur Umgehung der gängigen Kontroll- und Analysenmöglichkeiten aneignen und dies direkt oder indirekt anwenden, sind viel, viel schlimmer als ein erwischter Sportler! Wissenschaft zu betreiben, um zu betrügen – wie soll man das ethisch vertreten? Ohne die "Fachleute" im Hintergrund wäre ein Betrug, wie im Radsport gezeigt, kaum möglich gewesen, denn Sportler kommen nicht auf genaue gerade nicht detektierbare Konzentrationen oder auf chemisch wirkungsvolle Verschleierungsmethoden einfach nur so. Natürlich gibt es einen Markt für im Dopinglabor nicht auffindbare Designerdrogen, es gibt aber auch zu geringe Strafen für die Hersteller, Vertreiber und involvierte Zwischenglieder, wie z. B. Betreuer und Ärzte!

Literaturtipp


Uwe Gröber
Metabolic Tuning statt Doping. Mikronährstoffe im Sport
302 Seiten, 125 Tabellen, 57 farbige Abbildungen. 29,90 Euro.
Hirzel Verlag, 2008. ISBN 978-3-7776-1608-7
Dieses Buch können Sie einfach und schnell bestellen unter der Postadresse:
Deutscher Apotheker Verlag Postfach 10 10 61 70009 Stuttgart

oder im Internet unter: www.dav-buchhandlung.de

oder per Telefon unter: (07 11) 25 82 - 3 41 oder- 3 42

Gröber: Ist es heute im Schwimmsport überhaupt noch möglich, ohne Doping Olympiasieger zu werden?

Warnecke: Ja! Begründung: vor 30 Jahren wäre keiner die Zeiten von heute geschwommen, egal mit was für einer Droge. Anabolika waren bekannt und damals teilweise auch systematisch verabreicht worden, dennoch geht die Weltrekordentwicklung weiter. Anabolika zählen auch heute noch im Schwimmen zu den potentesten verbotenen Dopingmitteln.

Natürlich reden wir heute vielfach von Epo, dies ist aber z. B. im Kurzstreckenbereich von untergeordneter Bedeutung, und Wachstumshormon ist nicht das, was theoretisch so viel besser wirkt als Anabolika, um die Leistungsentwicklung alleine zu begründen. Trainingssteuerung und Professionalisierung des Schwimmsports sind in der Gesamtentwicklung viel entscheidender.

Zur Professionalisierung gehört in den Bereichen natürlich auch die Tatsache, dass die Athleten, zumindest international, von den Werbeeinnahmen leben können und sich so voll auf den Sport konzentrieren. Allein das bewirkt schon eine ganz andere Fokussierung auf den "Job". Sport ist heute kein Hobby mehr und wenn ja, wie es bei mir war, dann eckt man unentwegt an.

Gröber: Lieber Herr Warnecke, ich bedanke mich ganz herzlich für das interessante Interview.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.