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Impfwillige und -unwillige

Warum wir Babys und Schwangere so schlecht schützen können
Doris Uhl

"Nur jeder Vierte hält die Schweinegrippe-Impfung für nötig" – solche Meldungen sind an der Tagesordnung und lassen Impfbefürworter verzweifeln. Denn wie soll so verhindert werden, dass sich das jetzt noch harmlose A/H1N1-Influenzavirus mit anderen zirkulierenden Influenzaviren mischt und ein deutlich gefährlicheres Virus entsteht (siehe den Bericht "Das leidige Adjuvans" und den Kommentar "Impfen ja oder nein?")?

Um solchen Entwicklungen rechtzeitig Einhalt zu gebieten, wurden vor einigen Jahren vor dem Hintergrund der Gefahr einer Vogelgrippe-Pandemie Pandemiepläne ausgearbeitet, Gelder für die Erforschung von neuen Impfstoffen bereit gestellt, neue Herstellungsverfahren und Pandemieimpfstoffe entwickelt. Mit den mit öffentlichen Geldern unterstützten Herstellern GlaxoSmithKline und Novartis wurden Vorverträge über die Bereitstellung von 160 Millionen Impfdosen im Pandemiefall geschlossen.

Als nun im Verlauf dieses Jahres klar wurde, dass ein neuartiges A/H1N1-Virus seinen Zug um die Welt angetreten hatte und die WHO die höchste Pandemiestufe aussprach, wähnten wir uns hier noch sicher, dass unsere Pläne greifen und rechtzeitig zum Herbst, bevor der neue Erreger richtig zuschlägt, wirksame und sichere Impfstoffe zur Verfügung stehen würden. Vorbestellungen wurden getätigt: für die Bundeswehr, die Bundesregierung und Bundesbeamte die Ganzvirusvakzine Celvapan® von Baxter, für alle anderen 50 Millionen Dosen Pandemrix® des Herstellers GlaxoSmithKline. Von der Option, bei Novartis Impfstoff zu ordern, wurde kein Gebrauch gemacht.

Doch schnell erwies sich, dass sich das A/H1N1-Saatvirus nicht so einfach anzüchten ließ wie das für die präpandemischen Impfstoffe verwendete H5N1-Saatvirus, weder in Hühnereiern noch in den neuen Zellkulturen. Die ersten Chargen von Pandemrix® konnten erst Ende Oktober von den Bundesländern abgeholt werden und damit begann eine logistische Herausforderung, die von einigen Ländern bis heute nicht gemeistert ist. Obwohl auf der Prioritätenliste der zu Impfenden das Schlüsselpersonal, also medizinisches Personal, Polizisten und Feuerwehr, ganz oben stand, konnten beispielsweise in Baden-Württemberg zu Beginn selbst Impfwillige in Kliniken nicht geimpft werden, weil dort kein Impfstoff verfügbar war. Dafür erhielten an anderer Stelle gesunde Erwachsene, die auf der Prioritätenliste ganz unten stehen, problemlos den Impfschutz von ihrem Hausarzt. Wenn jetzt zu lesen ist, dass wegen Verdacht auf Schweinegrippe eine Klinikstation des Kreiskrankenhauses Donaueschingen lahmgelegt ist, dann muss gefragt werden, ob das Personal überhaupt die Möglichkeit gehabt hat, sich impfen zu lassen. Eine Ursache für die logistischen Probleme ist sicher die, dass GlaxoSmithKline seit Ende August seine Prognosen zu den wöchentlich lieferbaren Impfstoffmengen ständig nach unten korrigieren musste. Die Länder waren in ihren Planungen von wesentlich mehr Impfstoffdosen ausgegangen. Man wirbt um Verständnis, weil es sich bei der Impfstoffherstellung um einen biologischen Prozess mit vielen Unwägbarkeiten handelt. Doch das ist nicht neu. Den für die Bestellung zuständigen Verhandlungsführern von Bund und Ländern sollte das bekannt gewesen sein. Umso unverständlicher, dass man sich nur auf einen Hersteller verlassen hat. Möglich, dass es die günstigeren Konditionen waren, die ein Hersteller bei einer Bestellung von 50 Millionen Dosen einräumen kann. Doch nun haben wir die Situation, dass auf der einen Seite mit Celtura® von Novartis ein zweiter Impfstoff zwar in Deutschland zugelassen ist, wir ihn aber nicht zur Verfügung haben, obwohl wir auch auf diesen Impfstoff aufgrund der Vorverträge hätten zurückgreifen können. Auf der anderen Seite kämpft GlaxoSmithKline mit Produktionsschwierigkeiten und kann voraussichtlich dieses Jahr nur 20 Millionen Dosen liefern. In der Zwischenzeit verbreitet sich der Erreger der Neuen Grippe rasant und lässt sich nicht mehr aufhalten. Auch die Gefahr, dass neue gefährlichere Varianten des Influenzavirus entstehen, wird täglich größer. Da spielt die geringe Impfbereitschaft in der Bevölkerung momentan nur eine untergeordnete Rolle. Denn unabhängig von der Impfwilligkeit kann bis Ende des Jahres nur ein Viertel unserer Bevölkerung geimpft werden. Und das ist in der Tat entschieden zu wenig. 20 Millionen Geimpfte können die Verbreitung des Virus nicht stoppen. Sie können auch nicht den notwendigen Herdenschutz für Babys oder die rund 600.000 Schwangeren bieten, für die zur Zeit kein den STIKO-Empfehlungen entsprechender Impfstoff zur Verfügung steht. Es bleibt also die Verwaltung des Mangels und der Versuch der Schadensbegrenzung. Bei der hohen weltweiten Nachfrage wird es schwierig sein, zusätzlich Impfstoff zu bekommen. Das zeigen die verzweifelten Versuche, für Schwangere einen adjuvanzienfreien Spaltimpfstoff zu erhalten. 150.000 Dosen sollen nun in den nächsten Wochen von dem australischen Hersteller CSL bereitgestellt werden. Damit wäre die Gefahr für die übrigen 450.000 Schwangeren noch nicht vorbei, genauso wenig wie für drei Viertel unserer Bevölkerung, die sich, selbst wenn sie wollten, dieses Jahr nicht mehr impfen lassen können. Viele von ihnen haben allerdings schon eine Infektion mit dem Erreger der Neuen Grippe hinter sich, oft ohne überhaupt etwas davon gemerkt zu haben. Hoffen wir, dass sie so erst einmal vor weiteren Influenzavirus-Attacken geschützt sind, auch wenn der Schutz vielleicht nicht ganz so optimal ist wie nach Immunisierung mit einem adjuvantierten Impfstoff.


Doris Uhl

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