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Neue Grippe
Das leidige Adjuvans
Vielleicht ist es da gut, noch einmal ganz ruhig darüber nachzudenken, was denn ein Adjuvans noch einmal ist.
Was macht ein Adjuvans?
Als ein Adjuvans in der Immunologie bezeichnet man einen Hilfsstoff, der die antigene Wirkung eines Impfstoffs verstärken soll. Dies erreicht das Adjuvans dadurch, dass es einen lokalen Reiz bis hin zu einer kleinen lokalen Entzündung setzt, so dass Komponenten des unspezifischen Immunsystems angelockt werden, um eine möglichst effiziente Antigenpräsentation und ein Milieu von Cytokinen, Interleukinen und Wachstumsfaktoren zu schaffen. Dieses Milieu erleichtert es dem Immunsystem, die spezifischen Komponenten wie B- und eventuell T-Zellen sowie Antikörper zu produzieren, die dann bei einer möglichen Infektion für eine unmittelbar anlaufende Abwehr bereitstehen. Und es kommt ein zweiter Effekt zum Tragen, der sich darin äußert, dass das Adjuvans die Expositionszeit des Antigens vor Ort verlängert und einer zu schnellen Diffusion, verbunden mit einer starken Verdünnung, entgegenwirkt.
Das sind Prinzipien, die vor mehr als 80 Jahren etabliert wurden und seither sicher eingesetzt werden, deutlich länger also, als manches recht vertraute Arzneimittel, über dessen kurze Geschichte man kaum nachdenkt.
Andere Impfstoffe enthalten ebenfalls Adjuvanzien!
Ein systematischer Blick auf die Impfstoffe, die Adjuvanzien enthalten, verdeutlicht, wie "normal" Adjuvanzien im Versorgungsalltag tatsächlich sind (Tab. 1).
Tab. 1: Einzelimpfstoffe der Roten Liste ® , die mit Adjuvanzien versetzt sind | ||||
Erreger | Antigen | Impfstoff* | Hersteller | Adjuvans/Emulgator |
Humanes Papillomvirus | 20 µg HPV16-L1, 20 µg HPV18-L1 | Cervarix® | GlaxoSmithKline | AS04: 50 µg 3-O-desacyl-4‘-monophosphoryl-lipid A (MPL), 0,5 mg Aluminium (als Aluminiumhydroxid) |
Humanes Papillomvirus | 20 µg HPV6-L1, 40 µg HPV11-L1, 40 µg HPV16-L1, 20 µg HPV18-L1 | Gardasil® | Sanofi Pasteur MSD | 0,225 mg amorphes Aluminiumhydroxyphosphatsulfat, Polysorbat 80 |
Corynebacterium diphtheriae | ≥ 2 I.E. Diphtherie-Toxoid | Diphtherie-Adsorbat-Impfstoff | Novartis Behring | 0,75 mg Aluminiumhydroxid |
FSME-Virus | 1,5 µg (0,75 µg) inaktiviertes FSME-Virus, Stamm K23 | Encepur® Erwachsene (Kinder) | Novartis Behring | 1 mg (0,5 mg) Aluminiumhydroxid |
FSME-Virus | 2,4 µg (1,2 µg) inaktiviertes FSME-Virus | FSME IMMUN Erwachsene (Kinder) | Baxter Wien | 0,35 mg (0,17 mg) Aluminiumhydroxid |
Hepatitis- A-Virus | ≥ 500 RIA-Units inaktivierte HA-Viren | HAVpur® | Novartis Behring | Virosome als Adjuvans bestehend aus Influenzavirus (A/Singapore/6/86; H1N1, hergestellt in embryonierten Hühnereiern)-Hämagglutinin und Phospholipiden |
Hepatitis- A-Virus | 1440 (720) Antigeneinheiten inaktivierte HA-Viren | Havrix® Erwachsene (Kinder) | GlaxoSmithKline | 0,5 mg (0,25 mg) Aluminiumhydoxid, Polysorbat 20 |
Hepatitis- A-Virus | 50 E (25 E) inaktivierte HA-Viren Stamm CR 326F | VAQTA® Erwachsene (Kinder) | Sanofi Pasteur MSD | 0,45 mg (0,225 mg) amorphes Aluminiumhydroxyphosphatsulfat |
Hepatitis- B-Virus | 20 µg (10 µg) HBs-Ag | Engerix-B® Erwachsene (Kinder) | GlaxoSmithKline | 0,5 mg (0,25 mg) Aluminiumhydroxid |
Hepatitis- B-Virus | 10 µg (5 µg) HBs-Ag | HBVAXPRO® Erwachsene (Kinder) | Sanofi Pasteur MSD | 0,5 mg (0,25 mg) amorphes Aluminiumhydroxyphosphatsulfat |
Influenza-Viren | Oberflächenantigene, entsprechend je 15 µg Hämagglutinin der 3 empfohlenen Stämme | Fluad® | Novartis Behring | MF59C.1: 9,75 mg Squalen; 1,175 mg Polysorbat 80; 1,175 mg Sorbitantrioleat; 0,66 mg Natriumcitrat; 0,04 mg Citronensäure, Wasser |
Influenza-Viren | Oberflächenantigene, entsprechend je 15 µg Hämagglutinin der 3 empfohlenen Stämme | Grippeimpfstoff beta | Betapharm | Polysorbat 80/Octoxinol 10 (Tween 80/Triton X-100), RRR-α-Tocopherolhydrogensuccinat |
Influenza-Viren | Gereinigte Antigenfraktion, entsprechend je 15 µg Hämagglutinin der 3 empfohlenen Stämme | Influsplit SSW® | GlaxoSmithKline | Polysorbat 80/Octoxinol 10 (Tween 80/Triton X-100), RRR-α-Tocopherolhydrogensuccinat |
Neisseria meningitidis | 10 µg Oligosaccharid, Stamm C11, Serogruppe C, konjugiert an etwa 15 μg Corynebacterium diphtheriae CRM197-Trägerprotein | Meningitec® | Wyeth | 0,125 mg Aluminiumphosphat |
Neisseria meningitidis | 10 µg Oligosaccharid, Serogruppe C, konjugiert an 12,5-25 μg Corynebacterium diphtheriae CRM197-Trägerprotein | Menjugate® | Novartis Behring | 0,3-0,4 mg Aluminiumhydroxid |
Neisseria meningitidi s | 10 µg de-O-acetyliertes Polysaccharid, Serogruppe C, Stamm C11, konjugiert an 10-20 μg Tetanustoxoid | NeisVac-CTM | Baxter Healthcare | 0,5 mg Aluminiumhydroxid |
Streptococcus pneumoniae | Je 2 µg Polysaccharid der Serotypen 4, 9V, 14, 18C, 19F, 23F; 4 µg Serotyp 6B, jeweils konjugiert an CRM197-Trägerprotein | Prevenar® | Wyeth | 0,5 mg Aluminiumphosphat |
Streptococcus pneumonia e | Je 1 µg Polysaccharid der Serotypen 1, 5, 6B, 7F, 9V, 23F; 3 µg Serotyp 14, jeweils konjugiert an 9-16 µg Protein-D-Trägerprotein; 3 µg Serotyp 18, konjugiert an 5-10 μg Tetanustoxoid; 3 µg Serotyp 19F, konjugiert an 3-6 μg Diphtherietoxoid | Synflorix® | GlaxoSmithKline | 0,5 mg Aluminiumphosphat |
Clostridium tetani | ≥ 40 I.E. Tetanustoxoid | Tetanol® pur | Novartis Behring | Aluminiumhydroxid |
Clostridium tetani | ≥ 40 I.E. Tetanustoxoid | Tetanus-Impfstoff Mérieux® | Sanofi-Pasteur MSD | ≤ 1,25 mg Aluminiumhydroxid |
* Bei Impfstoffen, die für Kinder und Erwachsene zugelassen sind, sind die Mengenangaben für Kinder in Klammern angegeben. |
Fast alle der genannten Impfstoffe enthalten Aluminiumsalze (z. B. Aluminiumhydroxid, Aluminiumphosphat und Aluminiumhydroxyphosphatsulfat). Der Impfstoff Fluad® in der Tabelle enthält dagegen das sogenannte MF59 (Microfluidized Emulsion) Adjuvans, eine Öl-in-Wasser-Emulsion, die seit nunmehr zehn Jahren bei diesem Influenza-Impfstoff eingesetzt wird. Dieser Impfstoff wird vor allem älteren Patientinnen und Patienten empfohlen, deren Immunsystem an Kraft verliert und daher zum Aufbau einer akzeptablen Schutzwirkung "Verstärkung" benötigt. Die anderen interpandemischen Influenza-Impfstoffe enthalten dagegen üblicherweise kein Adjuvans und sind dadurch besser verträglich, induzieren allerdings auch eine weniger nachhaltige Immunreaktion. Da jedoch jedes Jahr gegen die jeweils empfohlenen Drift-Varianten geimpft werden soll, baut sich über die Jahre ein brauchbarer Impfschutz auf.
In den meisten Fällen ist die Verwendung von Adjuvanzien ein Kompromiss, den man eingeht, weil es für einen "normalen" Impfstoff völlig inakzeptabel wäre, wenn man jährlich impfen müsste.
Reinere Antigene sind weniger immunogen
Generell kann man sagen, dass der Trend zu reineren, besser charakterisierten und dadurch deutlich sicheren Antigenen damit verbunden ist, dass diesen Antigenen Adjuvanzien zugesetzt werden müssen, weil die Antigene sonst nicht ausreichend immunogen sind. Folglich tauchen auch beide Impfstoffe mit rekombinanten Antigenen (HPV und HBsAg) in der Tabelle 1 auf.
Die Adjuvantierung des Pandemie-Impfstoffs
Die Adjuvantierung der aktuellen Impfstoffe gegen die Neue Grippe hat hingegen zunächst einmal andere Gründe. Als über pandemische Impfstoffe nachgedacht wurde (damals ging es nicht um das H1N1-, sondern um das H5N1-Influenzavirus), antizipierte man einen extremen Zeitdruck, der sich für uns in Deutschland Gott sein Dank nicht so eingestellt hat. Aber das weiß man erst jetzt. Damals entschied man sich für einen Antigen-sparenden Ansatz, was eine Adjuvantierung zwingend erforderlich machte. Dabei entschied man sich für Squalen-basierte Öl-in-Wasser-Emulsionen als Adjuvanzien, die sich vor allem bei einem Influenza-Impfstoff (Fluad®) seit zehn Jahren weltweit in mehr als 40 Millionen verimpften Dosen bewährt haben. Diese Entscheidung könnte sich eventuell im Nachhinein als glücklich erweisen, denn erste Studien mit entsprechenden H5N1-Vakzinen zeigen, dass eine Vakzinierung mit einem adjuvantierten Influenza-Impfstoff nicht nur eine robustere und zudem gegen andere Varianten kreuzreaktive Immunantwort induziert. Zusätzlich zeigt sich bei einer erneuten Impfung mit einem etwas anderen Influenza-Stamm (Drift-Varianten) ein deutlicher Auffrischungseffekt [1, 2]. Diese Option scheint nach einer überstandenen H1N1-Virusinfektion wegen des teils milden Verlaufs der Krankheit nicht sicher zu sein. Allerdings müssen da belastbare experimentelle Daten abgewartet werden.
Mittlerweile sind zwei pandemische, adjuvantierte Influenza-Impfstoffe in Deutschland zugelassen: Pandemrix® und Celtura®, die sich in einigen Punkten unterscheiden (Tab. 2). Verfügbar ist jedoch nur Pandemrix®.
Tab. 2: Daten zu Pandemrix und Celtura® | ||
Pandemrix® | Celtura® | |
Hersteller | GlaxoSmithKline | Novartis Behring |
Angezüchtet in | Hühnereiern | Hundenierenzelllinie (MDCK-Zellen) |
Impfantigene | Spaltimpfstoff, 3,75 µg/Dosis Hämagglutinin | Spaltimpfstoff, 3,75 µg/ Dosis Hämagglutinin |
Adjuvans | AS03: 10,69 mg Squalen, 11,86 mg DL-α-Tocopherol, 4,86 mg Polysorbat 80 | MF59: 4,875 mg Squalen, 0,588 mg Sorbitan-Trioleat, 0,588 mg Polysorbat 80 |
Konservierungsmittel | 5 µg Thiomersal | 0,025 mg Thiomersal (nur bei Mehrdosenbehältnis); kein Thiomersal in Einmal-Fertigspritze |
Gefährliches Squalen?
Beide Impfstoffe verwenden eine Squalen-basierte Öl-in-Wasser-Emulsion, wobei sich das Antigen in der wässrigen Phase befindet, während die Öl-Phase adjuvierend wirkt. Dass eine Öl-Komponente als Adjuvans wirksam ist, wurde bereits 1916 entdeckt, als man beobachtete, dass die Immunantwort gegen inaktivierte Salmonellen deutlich stärker war, wenn man Mineralöl beisetzte. Und auch eines der potentesten Adjuvanzien, das komplette Freund’sche Adjuvans (FCA), besteht aus Paraffin mit abgetöteten Mycobakterien. Squalen ist ein ungesättigter Kohlenwasserstoff, der als natürlicher Vorläufer aller Sterole (Cholesterol, Gallensäuren, Steoridhormonen,Vitamin D und anderen) eine prominente Komponente des Primärstoffwechsels ist und vollständig metabolisiert werden kann (Abb. 1).
Im Internet kursierten in den vergangenen Tagen Falschmeldungen, die Antikörper gegen Squalen in Verbindung mit dem sogenannten Golfkriegssyndrom gebracht haben. Diese Antikörper sollen nach einer Impfung mit Squalen-haltigen Anthrax-Vakzinen induziert worden sein. Liest man jedoch nicht nur die eine, zitierte Studie, sondern recherchiert darüber hinaus, sind diese Vorwürfe absolut haltlos. Eine entsprechende Aufarbeitung des Themas hat inzwischen auch das Paul-Ehrlich-Institut auf der Homepage veröffentlicht [3]. In MF59 wird Squalen durch Polysorbat 80 (Tween 80) und Span 85 (Sorbitan-Trioleat) physikalisch stabilisiert. In AS03 ist anstelle des Span 85 DL-α-Tocopherol (Vitamin E) enthalten, das Fette vor dem Verderb durch Sauerstoff schützt.
Quecksilber als Konservierungsmittel
Pandemrix® und wohl teilweise auch Celtura® werden in Mehrdosenbehältnissen vertrieben, was den Zusatz von Konservierungsmitteln nötig macht. Immer wieder hört man von den Ängsten, dass als Konservierungsmittel die gleiche Substanz eingesetzt wurde, vor der man in (kaputten) Fieberthermometern warnt.
Eine akute Quecksilber-Vergiftung wird oft durch die direkte Aufnahme von Dämpfen hervorgerufen, wobei 150 bis 300 mg als tödlich angesehen werden. Chronische Vergiftungen treten vor allem über die Nahrungskette auf, wobei hier vor allem Schwertfisch oder Hai mit bis zu 0,8 mg/kg belastet sind [4]. In einer Impfdosis Pandemrix® ist als Konservierungsmittel 5 µg Thiomersal (Quecksilberethyl-natriumthiosalicylat) enthalten, viel weniger, als ein 100 g schweres Haifischsteak enthält.
Fazit
Alle vorgebrachten Argumente gegen eine Impfung mit einem adjuvantierten Impfstoff wie Pandemrix lassen sich bei rationaler Betrachtung recht leicht entkräften!
Literatur
[1] Leroux-Roels et al. 2009, Vaccine in press, doi:10.1016/j.vaccine.2009.10.017
[2] Leroux-Roels et al. 2007, Lancet 370: 580–89
[3] www.pei.de/schweinegrippe; Stellungnahme zu Risiken, die im Zusammenhang mit Squalen diskutiert werden: Squalen bzw. Squalen-Antikörper als angebliche Auslöser für das "Gulf war syndrome"
[4] Reinhard Kruse, Edda Bartelt: Exposition mit Methylquecksilber durch Fischverzehr. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Februar 2008.
Autoren
Dr. Ilse Zündorf, Prof. Dr. Theo Dingermann, Institut für Pharmazeutische Biologie Goethe-Universität Frankfurt a. M., Max-von-Laue-Str. 9, 60438 Frankfurt
1 Kommentar
Tabelle der Adjutantien
von Casuti am 05.11.2019 um 9:18 Uhr
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