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DPhG-Jahrestagung
Genregulatoren als Targets für neue Arzneistoffe
Wenn sich die Expression eines Gens ändert, die Basensequenz jedoch – anders als bei einer Mutation – konstant bleibt, dann stellt sich die Frage, welche Mechanismen für diese Art der Genregulation verantwortlich sind. Wie Jung erläuterte, steht die Forschung hier noch ganz am Anfang; nur wenige Aspekte sind bisher verstanden worden.
DNA-Methylierung und Histon-Deacetylierung
Zwei Mechanismen, die man schon relativ gut erforscht hat, sind die DNA-Methylierung und die Histon-Deacetylierung.
Bei der DNA-Methylierung werden Cytosin-Nucleotide durch verschiedene DNA-Methyltransferasen (DNMT) methyliert, und zwar vor allem dort, wo sie gehäuft auftreten (in sogenannten CpG-motifs oder CpG-Inseln). Bei der Zellteilung wird diese DNA-Modifikation auf die Tochterzellen übertragen. Die Methylierung führt zur "Stilllegung" des entsprechenden DNA-Abschnitts ("Silencing", s. Abb.).
Es gibt inzwischen Hinweise darauf, dass die DNA-Methylierung eine Rolle bei der Karzinogenese spielt: Bei einigen Tumoren (z. B. Leukämien) fand man Tumorsuppressor- und DNA-Reparaturgene, die in ihrem Promotorbereich hypermethyliert waren und dadurch nicht mehr abgelesen werden konnten.
Eine Hemmung der DNA-Methylierung wurde daher schon vor einigen Jahren als vielversprechendes Target für Antitumor-Wirkstoffe erkannt. Inzwischen sind in den USA zwei DNA-Methyltransferase-Inhibitoren zur Therapie myelosdysplatischer Syndrome zugelassen: Azacitidin (Vidaza) und Decitabin (Dacogen). Sie werden in die DNA eingebaut und blockieren dadurch das Enzym.
Die Nebenwirkungen der Substanzen sind dadurch bedingt, dass die Stillegung von Genen natürlich auch eine wichtige Schutzfunktion darstellen kann. So ist beispielsweise die Expression viraler Gene im menschlichen Organismus unerwünscht und ihre Unterdrückung daher sinnvoll. Auch für bestimmte Entwicklungsprozesse (z. B. die Embryonalentwicklung) spielt die Transkriptionsregulation eine wichtige Rolle, ein Eingriff ist daher mit unerwünschten Wirkungen wie z. B. Teratogenität behaftet. Darüber hinaus vermutet man, dass nicht alle Wirkungen von Azacitidin und Decitabin auf der Hemmung der DNA-Methylierung beruhen, sondern dass auch klassische zytotoxische Effekte eine Rolle spielen.
Bedeutung der Histone
Die zweite, relativ gut erforschte epigenetische Modifikation betrifft die Histone – spezifische basische Proteine, um die die DNA gewickelt ist. Histone und DNA bilden zusammen die Nucleosomen (ein Nucleosom besteht aus rund 200 Basenpaaren), mehrere Nucleosomen wiederum das Chromatin. Bisher bekannte Möglichkeiten, Histone zu modifizieren, sind die reversible Lysin-Acetylierung (Histone sind reich an Lysin und Arginin) durch Histon-Deacetylasen (HDAC) und Histon-Acetyltransferasen (HAT) sowie die Phosphorylierung von Serin oder Threonin.
Die Hemmung der Histon-Deacetylasen hat sich ebenfalls als interessantes Target für die Krebstherapie erwiesen. Im vergangenen Jahr erhielt der Histon-Deacetylase-Inhibitor Vorinostat (Zolinza™) in den USA die Zulassung zur Behandlung fortgeschrittener kutaner T-Zell-Lymphome. Die Hemmung der HDAC durch Vorinostat führt zur Hyperacetylierung der Histone; es kommt dadurch unter anderem zum Stillstand im Zellzyklus, zur Auslösung apoptotischer Vorgänge, zur Angiogenesehemmung und damit zum Untergang der Tumorzellen.
In der Pipeline der Firma Novartis befindet sich Panobinostat, das derzeit in klinischen Studien zur Behandlung myelodysplatischer Syndrome getestet wird. Ebenfalls in der klinischen Prüfung ist der HDAC-Inhibitor Belinostat (Fa. TopoTarget) zur Behandlung des peripheren T‑Zell-Lymphoms. Auch der seit Langem als Antiepileptikum eingesetzte Wirkstoff Valproinsäure ist in der Lage, die HDAC-Aktivität zu hemmen. Das Besondere ist seine ZNS-Gängigkeit, sodass – unter anderem auch in Deutschland – Studien zur Behandlung von Hirntumoren auf den Weg gebracht wurden, berichtete Jung. Da die HDAC-inhibitorische Wirkung von Valproinsäure jedoch relativ schwach ist, stellt man sich perspektivisch eine kombinierte Anwendung mit anderen Substanzen wie z. B. Lenalidomid vor.
cb
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