Medizin

Was steckt eigentlich hinter … Rheumafaktoren?

Rheumaerkrankungen sind häufig, aber oft nicht leicht zu diagnostizieren und zu differenzieren. Die Rheumafaktoren werden gemeinhin mit der rheumatoiden Arthritis in Verbindung gebracht. Aber auch bei anderen Erkrankungen und sogar bei Gesunden können sie nachweisbar sein. Zur frühen und genauen Diagnose sowie Verlaufskontrolle der rheumatoiden Arthritis gehören zudem noch weitere Laborwerte.

Die rheumatoide Arthritis (RA) – auch (primär) chronische Polyarthritis (PcP, cP) genannt – ist sehr häufig. 1% der Bevölkerung ist betroffen, Frauen zwei- bis dreimal häufiger. Neben Gelenken können Schleimhäute, Sehnenscheiden, Gefäße, Augen, Haut und innere Organe befallen sein. Wenn die Therapie früh und konsequent einsetzt, ist die Prognose gut, sonst drohen neben Schmerzen und Einschränkungen eine um bis zu 15 Jahre verkürzte Lebenserwartung.

Die Erkrankung beginnt meistens mit Gelenkschwellungen und -schmerzen, oft sind die Fingergrund- und -mittelgelenke betroffen. Typisch ist der symmetrische Befall und die Morgensteifigkeit. Die Patienten fühlen sich allgemein krank und müde. Später "springt" die Entzündung auf andere Gelenke, auch dann häufig symmetrisch.

Die Diagnose wird in erster Linie klinisch gestellt. Laboruntersuchungen helfen in frühen und noch unklaren Fällen und sind objektive Indikatoren für den Verlauf und sich ankündende Krankheitsschübe.

Rheumafaktoren sind IgM-Autoantikörper gegen körpereigene IgG. Sie lösen eine entzündliche Reaktion des Körpers aus. Zu Beginn einer rheumatoiden Arthritis sind sie bei etwa 40%, im Verlauf bei über 70% der Betroffenen positiv. Liegen Rheumaknoten oder eine Vaskulitis vor, sind fast zu 100% Rheumafaktoren nachweisbar. Sie sind aber auch bei vielen anderen Erkrankungen zu finden (s. Tab. 1). Hohe Titer sprechen für einen schweren Verlauf.

 

Tab. 1: Rheumafaktoren finden sich bei ...
Erkrankungca. %
Sjögren-Syndrom75 – 95
rheumatoider Arthritis70 – 90
Kryoglobulinämie50 – 90
Mixed connective tissue disease50 – 60
Lupus erythematodes15 – 35
Sklerodermie20 – 30
Gesunden > 70 Jahre15 – 25
Polymyositis, Dermatomyositis5 – 10

chronischen Lebererkrankungen

chronisch-entzündlichen
Lungenerkrankungen

Sarkoidose

chronischen Infektionen

< 5

ANA (antinukleäre Antikörper) sind bei rheumatoider Arthritis in 20 – 40% nachweisbar. Sie treten ähnlich wie die Rheumafaktoren bei vielen Erkrankungen auf (s. Tab. 2), für die sie oft recht spezifisch sind: ANA umfassen eine Reihe von antinukleären Antikörpern, die oft mit spezifischen Erkrankungen assoziiert sind.

 

Tab. 2: ANA finden sich bei ...
Erkrankungca. %
systemischem Lupus erythematodes (SLE)95
Mixed connective tissue disease95
CREST-Syndrom95
Sjögren-Syndrom60 – 90
Felty-Syndrom60 – 90
Leukämien30 – 70
Myasthenia gravis40 – 60
juveniler chronischer Arthritis20 – 60
autoimmunhämolytischer Anämie40 – 50
Alveolitis, Lungenfibrose20 – 50
Thyreoiditis20 – 40
Malaria30
Hepatitis30
Gesundenbis 30

CCP-Antikörper (Antikörper gegen zyklische citrullinierte Peptide) sind in den letzten Jahren fester Bestandteil in der Rheumadiagnostik geworden. Sie sind ähnlich wie die Rheumafaktoren bei ca. 70% der Patienten nachweisbar, aber

  • viel seltener bei anderen Erkrankungen oder Gesunden
  • und auch bei 30% der Betroffenen positiv, bei denen kein Rheumafaktor nachweisbar ist.

Die CCP-Antikörper erlauben damit oft eine frühere Diagnose und so eine frühere Therapie. Dies ist wichtig, um die schnelle Entwicklung von Gelenkschäden zu verhindern. Zur Verlaufskontrolle sind sie ungeeignet.

Histokompatibilitätsantigene. Diese genetisch festgelegten Antigene auf Zellmembranen sind häufig mit bestimmten Erkrankungen assoziiert (Tab. 3). Als Träger ist man also nicht per se krank, sondern – statistisch gesehen – nur gefährdeter, irgendwann im Leben von der assoziierten Erkrankung betroffen zu sein.

 

Tab. 3: HLA-assoziierte Erkrankungen
HLAErkrankungRisiko*
B8

Morbus Addison

systemischer Lupus 
erythematodes (SLE)

3,9


2,8

B13

B17

Psoriasis4,7
B27

Morbus Bechterew

Morbus Reiter

87,4

37

DR2multiple Sklerose4,1
DR3

Morbus Addison

Diabetes Typ 1

Gluten-sensitive 
Enteropathie

Sjögren-Syndrom

SLE

6,3

3,3


10,8

9,7

5,8

DR4

Diabetes mellitus Typ 1

rheumatoide Arthritis

6,4

4,2

DR11Hashimoto-Thyreoiditis3,2
* relatives Risiko: HLA-B27 z. B. findet sich bei von Morbus-Bechterew-Betroffenen 90-mal häufiger als in der Normalbevölkerung

Benannt sind die Antigene nach HLA für Human Leucocyte Antigen und der Region auf der DNA, wo sie zu finden sind. Am bekanntestens ist das HLA B27, das hochgradig mit dem Morbus Bechterew und stark mit dem Morbus Reiter assoziiert ist. Für die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis spielt der HLA-Typ keine Rolle. Bei Transplantationen ist eine möglichst weitgehende Übereinstimmung einiger HLA-Bereiche wichtig.

BSG und CRP. Die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) und das C-reaktive Protein (CRP) sind unspezifische, aber sensitive Parameter für Entzündungen: Sie zeigen an, dass etwas im Körper nicht stimmt, aber geben kaum Hinweise, was genau nicht stimmt.

So können u. a. Entzündungen aller Art, Tumoren und eine Anämie die Ursache sein, wenn die BSG erhöht ist. Die einfache Durchführung und die Empfindlichkeit machen die BSG einerseits zu einem guten Suchtest und geeignet zur Verlaufskontrolle, andererseits erhöhen viele Störungen die Senkungsgeschwindigkeit.

Das CRP ist spezifischer als die BSG für Entzündungen. Es reagiert schnell und ist daher gut für die Verlaufs- und Therapiekontrolle geeignet.

Eisen, Ferritin, Transferrin. Ferritin ist das Speichereiweiß für Eisen, Transferrin das Transporteiweiß. Die Konstellation der drei Werte gibt Hinweise auf die Ursache einer Anämie:

  • Bei einer Eisenmangelanämie sind Eisen und Ferritin als Ausdruck des Eisenmangels erniedrigt, das Transferrin als Reaktion des Körpers erhöht.
  • Bei Tumorerkrankungen und chronischen Entzündungen (z. B. einer RA), sind als Zeichen der Eisenverwertungsstörung das Eisen im Blut und das Transferrin erniedrigt und das Ferritin erhöht.
  • Bei einer Anämie aufgrund eines Vitmin-B12 - oder Folsäuremangels sind Eisen, Ferritin und Transferrin oft nur gering verändert. Die Erythrozyten sind aber makrozytär und hyperchrom.

Zusammenfassung. Die heutige Labormedizin hat viel dazu beigetragen, rheumatische Erkrankungen früher zu diagnostizieren und den Verlauf besser zu verfolgen. Dies ermöglicht die für die Langzeitprognose so wichtige frühe und konsequent angepasste Therapie. Allerdings stiftet die Vielfalt der verfügbaren Laborparameter auch Verwirrung. Wichtig ist,

  • Laborwerte in Zusammenhang mit den klinischen Symptomen zu bewerten,
  • die Aussagekraft von Laborwerten realistisch zu sehen, (so reicht eine einmalige HLA-Bestimmung, da sich der HLA-Typ im Laufe eines Lebens nicht ändert, und ein positiver Nachweis von Rheumafaktoren bedeutet nicht, an einer RA zu leiden)
  • die Entzündungsaktivität anzeigende Parameter, z. B. BSG und CRP, regelmäßig zu kontrollieren und im Verlauf zu sehen

 

Tab. 4: Laborwerte und ihre Bedeutung
LaborwertWas steckt dahinter?
Rheumafaktoren
  • IgM-Autoantikörper gegen körpereigene IgG
  • bei > 70% der Patienten mit RA positiv, 
    zu Beginn nur bei ca. 40%
  • bei vielen anderen Erkrankungen nachweisbar
  • Diagnosesicherung und Verlaufskontrolle
  • hoher Titer spricht für schweren Verlauf
ANA , ANF (antinukleäre Antikörper bzw. Faktoren)
  • bei 20 – 40% der Patienten mit RA positiv
  • wichtig für Nachweis und Ausschluss eines systemischen Lupus erythematodes (SLE) und anderer Kollagenosen
  • bei vielen anderen Erkrankungen nachweisbar
CCP-Antikörper
  • bei 70% der Patienten nachweisbar
  • viel seltener bei anderen Erkrankungen oder Gesunden nachweisbar als die Rheumafaktoren
  • auch bei 30% der Patienten nachweisbar, bei denen kein Rheumafaktor nachweisbar ist
  • Nachweis spricht eher für eine schnelle Entwicklung von Gelenkschäden
  • zur Verlaufskontrolle ungeeignet
Histokompatibilitätsantigene (HLA: Human Leucocyte Antigen)
  • genetisch festgelegte Antigene auf Zellmembranen, die mit bestimmten Erkrankungen assoziiert sind
  • für die Diagnose einer RA spielt der HLA-Typ keine Rolle, aber bei vielen anderen rheumatischen und Autoimmun-Erkrankungen.
BSG, CRPsind u. a. bei entzündlicher Aktivität erhöht und eignen sich daher als Suchtest, Verlaufsparameter und Kontrolle der antientzündlichen Therapie
Eisen, Ferritin,
Transferrin
erniedrigtes Eisen und Transferrin sowie erhöhtes Ferritin sind Zeichen einer oft vorliegenden Anämie aufgrund/als Folge der chronischen Entzündung

Quelle

Neumeister B(Hrsg.): KLF Labordiagnostik, Elsevier, 4. Aufl.

Schäffler A, Menche N (Hrsg.): Gesundheit heute Laborwerte, Knaur, München. 1. Aufl.

Thomas L (Hrsg.): Labor und Diagnose, Th-Books, 7. Aufl.

 


Dr. med. Arne Schäffler & Kollegen, Augsburg, www.schaeffler.cc

 

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