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Arzneimittel und Therapie
Gefitinib zur Behandlung des Lungenkarzinoms
Gefitinib richtet sich nur gegen Krebszellen und unterscheidet sich damit von der Chemotherapie, die auch gesunde Zellen angreift. Voraussetzung für die Wirkung von Gefitinib ist das Vorliegen einer bestimmten Mutation, weshalb vor der Therapie ein entsprechender Test durchgeführt werden muss. In der westlichen Welt weisen rund 10 bis 15% aller Lungenkrebspatienten diese spezielle Genmutation auf.
Gefitinib könnte für zahlreiche Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs eine überlegene und besser verträgliche Alternative zur Chemotherapie sein, dem bisherigen Standard zur Erstbehandlung.
Lungenkrebs: prognostisch ungünstig
Jedes Jahr werden in Deutschland rund 46.000 Menschen mit Lungenkrebs neu diagnostiziert, mehr als mit Brustkrebs und Prostatakrebs zusammen, 33.000 Männer (entspricht 14,3% aller Krebsneuerkrankungen) und 13.200 Frauen (entspricht 6,4% aller Krebsneuerkrankungen). Das mittlere Erkrankungsalter liegt geschlechtsunabhängig bei etwa 68 Jahren und entspricht somit dem durchschnittlichen Erkrankungsalter bei Krebs insgesamt.
Insgesamt gehört der Lungenkrebs nach wie vor zu den prognostisch ungünstigsten Krebsformen: In Deutschland sterben pro Jahr mehr Menschen an Lungenkrebs als an Brustkrebs, Prostatakrebs und Dickdarmkrebs zusammen. Bei Männern ist der Lungenkrebs die häufigste Krebstodesursache (26% aller Krebstodesfälle), bei Frauen die dritthäufigste (11,2%).
Risikofaktor Rauchen
Der wichtigste Risikofaktor ist Rauchen. Hier ist bei bis zu 90% der männlichen und 60% der weiblichen Patienten eine Kausalität erkennbar. Dabei steigt das Erkrankungsrisiko mit den "Packungsjahren", der Anzahl der verbrauchten Zigarettenpackungen pro Tag und Dauer des Rauchens in Jahren, und in Abhängigkeit von Inhalationstiefe sowie Teer- und Nicotinkonzentration.
Weitere Risikofaktoren sind Passivrauchen, eine regional hohe Radonbelastung in Wohnhäusern und die berufliche Exposition gegenüber kanzerogenen Stoffen. Auch ererbte Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen, die aber noch weitestgehend ungeklärt ist.
Seit den 90-iger Jahren ist ein deutlicher Rückgang in der Inzidenz und der Mortalität bei Männern zu beobachten. Bei Frauen steigen sowohl Inzidenz als auch Mortalität kontinuierlich an. Dies wird auf die Veränderung in den Rauchgewohnheiten zurückgeführt und in ähnlicher Art und Weise auch in den europäischen Nachbarstaaten beobachtet.
Weltweit mehr als 1,2 Millionen Tote pro Jahr
Es gibt zwei Arten von Lungenkrebs: das kleinzellige (small cell lung cancer, SCLC) und das nicht-kleinzellige Bronchialkarzinom (non- small cell lung cancer, NSCLC). Die Bezeichnung leitet sich aus der Form ab, in der sich die Krebszellen unter dem Mikroskop darstellen.
Wenn Lungenkrebs in frühen Stadien diagnostiziert wird – bevor er in andere Organe oder Lymphknoten metastasiert hat – überleben rund die Hälfte der Patienten fünf Jahre oder mehr. Die überwiegende Zahl der Lungenkrebserkrankungen wird jedoch erst in fortgeschrittenen Stadien entdeckt. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt dann nur noch etwa 15 bis 18%, wenn Fernmetastasen vorhanden sind, sogar nur 5%. Beim kleinzelligen ist die Überlebensrate geringer als beim nichtkleinzelligen Karzinom.
Meistens inoperabel
Die Therapieentscheidung beim kleinzelligen Bronchialkarzinom richtet sich nach dem Stadium und umfasst die chirurgische Entfernung des Tumors, Strahlen- und Chemotherapie oder eine Kombination dieser Optionen. In der Mehrheit ist diese Krebsform inoperabel und wird mit Chemo- und Strahlentherapie behandelt.
Neuere Therapieansätze beim Lungenkrebs zielen auf die Unterdrückung von Wachstumssignalen in Tumorzellen oder die Hemmung des die Tumorzelle versorgenden Blutgefäßwachstums. Zu den Therapeutika mit Wirkung auf die Wachstumssignale gehören auch die Tyrosinkinase-Inhibitoren Erlotinib (Tarceva®), das seit 2005 auf dem Markt ist, und das neue Gefitinib, die sich beide gegen den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor EGFR richten.
Verstärkte Expression des EGF-Rezeptors
Eine verstärkte Expression des EGF-Rezeptors findet sich bei vielen epithelialen Tumoren, so auch beim Bronchialkarzinom. Der epidermale Wachstumsfaktor EGF und sein Rezeptor EGFR, der auch als HER1 oder ErbB1 bezeichnet wird, regulieren Vorgänge des Zellwachstums und der Proliferation.
Das Anilinchinazolin Gefitinib bindet an eine Tyrosinkinase, die sich am intrazellulären Teil des EGF-Rezeptors befindet, indem es mit Adenosintriphosphat (ATP) um die Bindung an dieses Enzym konkurriert. Damit verhindert Gefitinib die Aktivierung von EGFR, die eine Phosphorylierung als Signal für die Zellproliferation in Gang setzt. Dadurch kann die Ras-Signaltransduktionskaskade nicht mehr aktiviert werden. Die Zellproliferation, Angiogenese und Metastasierung werden gebremst sowie die Apoptose gefördert.
Einmal täglich 250 mg oral
Gefitinib wird als 250-mg-Tablette einmal täglich eingenommen. Nach oraler Gabe wird Gefitinib langsam resorbiert, maximale Plasmakonzentrationen treten drei bis sieben Stunden nach der Anwendung auf. Die mittlere absolute Bioverfügbarkeit bei Krebspatienten beträgt 59% und wird durch Nahrungsaufnahme nicht wesentlich beeinflusst. Gefitinib wird extensiv metabolisiert, am oxidativen Metabolismus sind vor allem die P450-Isoenzyme CYP3A4 und CYP2D6 beteiligt. Gefitinib wird hauptsächlich in Form seiner Metaboliten über die Fäzes ausgeschieden, die mittlere terminale Halbwertszeit beträgt bei Krebspatienten 41 Stunden. Bei Patienten mit einer Beeinträchtigung der Leberfunktion ist die Bioverfügbarkeit im Vergleich zu gesunden Probanden erhöht, wodurch sich die unerwünschten Wirkungen verstärken können.
Genauso wirksam wie Chemotherapie
Die Zulassung erfolgte unter anderem auf Basis von zwei klinischen Phase-III-Studien, Ipass und Interest, in denen Gefitinib genauso wie oder besser wirksam als eine Chemotherapie war. Bei einigen der Krebspatienten, den so genanntenn Super-Respondern, kam es unter der Gabe von Gefitinib sogar zu einem deutlich besseren Krankheitsverlauf.
Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen in den Studien waren Durchfall und Hautreaktionen wie Akne. Sie traten bei mehr als 20% der Patienten auf, normalerweise während des ersten Monats der Behandlung, und waren im Allgemeinen reversibel. Da der Metabolismus von Gefitinib über die Cytochrom-P450-Isoenzyme CYP3A4 und CYP2D6 verläuft, sind zahlreiche Wechselwirkungen zu beachten.
Quelle
Fachinformation von Iressa® , Stand Juli 2009.
Informationen von der Einführungspressekonferenz: Einführung der personalisierten Erstlinientherapie bei fortgeschrittenem NSCLC, Frankfurt/M., 14. Juli 2009.
Kim ES, et al.: Gefitinib versus docetaxel in previously treated non-small-cell lung cancer (INTEREST): a randomised phase III trial. Lancet 2008;372:1809 –18.
Pao W, Miller V, Zakowski M, et al.: EGF receptor gene mutations are common in lung cancers from never smokers and are associated with sensitivity of tumors to gefitinib and erlotinib. Proc. Nat. Acad. Sci. USA 2004;101(36):13306 –11.
Sordella R, Bell DW, Haber DA, Settleman J: Gefitinib-sensitizing EGFR mutations in lung cancer activate anti-apoptotic pathways. Science 2004;305:1163 –7.
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Steckbrief: Gefitinib
Handelsname:
Iressa
Hersteller:
AstraZeneca GmbH, Wedel
Einführungsdatum:
1. Juli 2009
Zusammensetzung:
Jede Tablette enthält 250 mg Gefitinib. Sonstige Bestandteile. Tablettenkern: Lactose-Monohydrat, mikrokristalline Cellulose (E 460), Croscarmel-lose-Natrium, Povidon (K29 – 32) (E 1201), Natriumdodecylsulfat, Magnesiumstearat (Ph. Eur.). Tablettenhülle: Hypromellose (E 464), Macrogol 300, Titandioxid (E 171), Eisen(III)-hydroxid-oxid × H2O (E 172), Eisen(III)-oxid (E 172).
Packungsgrößen, Preise und PZN:
30 Filmtabletten, 3499,21 Euro, PZN 1249285
Stoffklasse:
Zytostatika; Proteinkinase-Hemmer; ATC-Code: L01XE02.
Indikation:
Zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem, nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) mit aktivierenden Mutationen der EGFR-TK.
Dosierung:
Eine 250-mg-Tablette einmal täglich.
Gegenanzeigen:
Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile, Stillen.
Nebenwirkungen:
Sehr häufig: Anorexie; Durchfall, Erbrechen, Übelkeit, Stomatitis; Erhöhungen der Alaninaminotransferase; Hautreaktionen, pustulöser Ausschlag; Asthenie, hauptsächlich leicht. Häufig: Konjunktivitis, Blepharitis, trockene Augen; Hämorrhagie, wie Nasenbluten und Hämaturie; interstitielle Lungenerkrankung (1,3%), oft schwer, über Todesfälle wurde berichtet; Dehydratation als Folge von Durchfall, Übelkeit, Erbrechen oder Appetitlosigkeit, Mundtrockenheit; Erhöhungen der Aspartataminotransferase, Erhöhungen des Gesamtbilirubins; Nagelstörungen, Alopezie; asymptomatische Erhöhung der Kreatininwerte im Blut, Proteinurie; Pyrexie.
Wechselwirkungen:
Der Metabolismus von Gefitinib verläuft über das Cytochrom-P450-Isoenzym-CYP3A4 (vorwiegend) und über CYP2D6; eine gleichzeitige Gabe von CYP3A4-Induktoren kann die Wirksamkeit der Behandlung verringern und sollte vermieden werden; bei gleichzeitiger Behandlung mit starken Inhibitoren dieser Enzyme sollte der Patient hinsichtlich Nebenwirkungen engmaschig überwacht werden. Gefitinib besitzt ein geringes Potenzial zur Hemmung von CYP2D6; wenn eine Anwendung von CYP2D6-Substraten in Kombination mit Gefitinib in Betracht gezogen wird, sollte eine Dosisanpassung des CYP2D6-Substra-
tes vor allem für Mittel mit einer engen therapeutischen Breite in Betracht gezogen werden. Patienten, die Warfarin und Gefitinib gleichzeitig einnehmen, sollten regelmäßig auf Veränderungen der Prothrombinzeit (PT) oder der INR kontrolliert werden. Arzneimittel, die eine signifikante und anhaltende Erhöhung des pH-Werts im Magen bewirken können die Bioverfügbarkeit und Plasmakonzentrationen von Gefitinib reduzieren. Gefitinib verstärkt möglicherweise die neutropenische Wirkung von Vinorelbin.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen:
Bei 1,3% der Patienten, die Gefitinib erhalten haben, kam es zu einer interstitiellen Lungenerkrankung, die akut auftreten kann und die in einigen Fällen tödlich verlief. Regelmäßige Leberfunktionstests werden empfohlen, Gefitinib sollte bei leichten bis mäßigen Veränderungen der Leberfunktion mit Vorsicht angewendet werden. Patienten sollten sofort ärztlichen Rat einholen, wenn Symptome am Auge auftreten oder schwere oder anhaltende Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen oder Anorexie auftreten, da diese indirekt zur Austrocknung führen können. Während der Therapie mit Gefitinib ist von Asthenie berichtet worden; Patienten, bei denen dieses Symptom auftritt, müssen beim Führen eines Fahrzeuges oder beim Bedienen von Maschinen besonders vorsichtig sein.
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