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Die Fusionswelle rollt

(leo/daz). Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wird zurzeit von einer alle Dimensionen sprengenden Fusionswelle heimgesucht. Gegenwärtig gibt es noch 186 selbstständige Krankenkassen und es werden immer weniger. Ursache dafür ist die jüngste Gesundheitsreform. Begünstigt wird die Entwicklung zudem vom technischen Fortschritt, der gerade große Gebilde fördert. Auch die steigenden Gesundheitskosten machen den Krankenkassen zu schaffen, ebenso der überbordende Bürokratismus im Vertragsgeschehen und beim Risikostrukturausgleich.

Da seit Einführung des Gesundheitsfonds zu Beginn dieses Jahres ein bundeseinheitlicher Beitragssatz von derzeit 14,9 Prozentpunkten gilt, können die noch bestehenden 177 gesetzlichen Krankenkassen (ohne die neun landwirtschaftlichen Krankenkassen, für die Sonderregelungen gelten) nicht mehr einfach höhere Beiträge von ihren Mitgliedern verlangen, sondern allenfalls zum Mittel des gesetzlich zwar vorgesehenen, aber unpopulären Zusatzbeitrages greifen. Zunächst versuchen die Krankenkassen ihr Heil in Fusionen – teilweise über die historisch gewachsenen Krankenkassenarten hinaus.

Die Neuordnung im AOK-System

Die AOKs Berlin und Brandenburg werden zum 1. Januar 2010 fusionieren. Die neue Krankenkasse mit Hauptsitz in Potsdam wird mit über 1,3 Mio. Versicherten die größte Krankenkasse der Region. Die Selbstverwaltungsgremien beider Krankenkassen haben der Fusion bereits zugestimmt. "Durch den Zusammenschluss und die daraus resultierenden Einsparungen kann die neue Krankenkasse darauf verzichten, im kommenden Jahr einen Zusatzbeitrag von ihren Mitgliedern zu erheben", sagte der Berliner Vorstandsvorsitzende Werner Felder. Der Beschluss ist möglicherweise nur der erste Schritt, weil es um eine Neuordnung "im Nordosten des AOK-Systems" gehe, also unter Einbeziehung von Mecklenburg-Vorpommern. Doch an der Küste will man von einer Fusion im Augenblick nichts wissen.

Eine AOK-Fusion bahnt sich auch in Nordrhein-Westfalen an, nämlich bei den beiden Ortskrankenkassen im größten Bundesland. "Wir führen Gespräche mit der AOK Westfalen-Lippe und ich bin zuversichtlich, dass wir im kommenden Jahr zu einem Zusammenschluss kommen", sagte der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland-Hamburg, Wilfried Jacobs. Während die AOK Rheinland-Hamburg 2,83 Mio. Versicherte und 7300 Mitarbeiter aufweist, hat die AOK Westfalen-Lippe 2,07 Mio. Versicherte und 5000 Mitarbeiter. Noch offen und ein "Knackpunkt" in den Verhandlungen ist, ob Düsseldorf oder Dortmund Sitz der neuen Krankenkasse wird und wer an der Spitze der neuen Kasse stehen soll.

Die meisten Fusionen bei den BKKs

In Baden-Württemberg und Hessen werden sich zum 1. Januar 2010 drei BKKs, nämlich die BKK Gesundheit, die BKK Fahr und die Taunus BKK zusammenschließen. Dadurch entsteht die größte BKK in Deutschland mit rund 1,5 Mio. Versicherten. Bereits zum 1. August 2009 haben die Novitas BKK und die ABC-BKK fusioniert.

Die BKKs sind es, die vom Gesundheitsfonds besonders betroffen sind, konnten sie doch in der Vergangenheit mit günstigen Beitragssätzen bei ihren Mitgliedern aufwarten. Von daher liegt es auf der Hand, dass die Zahl der betrieblichen Krankenkassen noch weiter abnehmen dürfte, bis alle Fusionsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Es gehört zur Ironie des Gesundheitsfonds, dass gerade jene Krankenkassen vom Markt verschwinden bzw. schon verschwunden sind, die in der Vergangenheit gut gewirtschaftet haben.

Und bei den Ersatzkassen?

Von der "Fusionitis" sind auch die Ersatzkassen ergriffen. Die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) und die Hamburg Münchener Krankenkasse (HMK) gehen ab 1. Januar 2010 gemeinsame Wege. Die neue Krankenkasse wird rund 6,3 Mio. Versicherte haben und den Namen "DAK Unternehmen Leben" tragen. Bereits in den vergangenen Jahren hatten beide Krankenkassen gemeinsame Geschäftsstellen genutzt.

Zwei Fusionen hat die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) in diesem Jahr bereits zustande gebracht. Zum 1. April 2009 schloss sie sich mit der BKK des Versicherungskonzerns Allianz zur "KKH Allianz" zusammen und zum 1. Juli 2009 wurde die BKK der Metro AG Kaufhof in den Verbund integriert. Derzeit verhandelt die KKH Allianz noch mit einer Reihe anderer Anbieter, um mögliche Kooperationen oder Fusionen zu prüfen. Die neue Krankenkasse könnte durch die enge Verflechtung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung wegweisend sein und ein interessantes Modell für die Zukunft darstellen.

Die Barmer Ersatzkasse (BEK) und die Schwäbisch Gmünder Ersatzkasse (GEK) sprechen ebenfalls über eine Fusion. Mit zusammen 8,5 Mio. Versicherten würde dabei die größte Krankenkasse bundesweit entstehen. Weder BEK noch GEK wollen die Pläne derzeit bestätigen. Ein Termin für den Zusammenschluss könnte der 1. Januar 2010 sein.

Eine Fusion hinter sich hat bereits die Techniker Krankenkasse (TK), die am 1. Januar 2009 die Innungskrankenkasse (IKK) direkt übernommen hat und damit zur größten deutschen Krankenkasse mit 7,1 Mio. Versicherten wurde. Ein Jahr zuvor hatten sich die Handelskrankenkasse und die IKK Weser-Ems zusammengeschlossen. Von Gesetzes wegen wurden zum 1. Januar 2008 die See-Krankenkasse und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See vereinigt – unter der Bezeichnung Knappschaft.

Nur noch 100 gesetzliche Krankenkassen?

Kenner der Szene gehen davon aus, dass es bei den nächsten Sozialwahlen, die im Juni 2010 anstehen, nur noch etwa 100 gesetzliche Krankenkassen in Deutschland geben wird. Das finanzielle Volumen für die rund 72 Mio. pflicht- und freiwilligen Versicherten bzw. Rentner beläuft sich in diesem Jahr auf über 167 Mrd. Euro. Insgesamt (Stand: 1. August 2009) gibt es derzeit noch 186 gesetzliche Krankenkassen, nämlich 15 AOKs, 140 BKKs, 13 IKKs, acht Ersatzkassen, neun landwirtschaftliche Krankenkassen und die Knappschaft.

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