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Bald Standleitung Apotheke – Arztpraxis nötig?

Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat mit einem Urteil zur Austauschbarkeit von Clopidogrel-Präparaten* der Diskussion zum Umgang mit Indikationsangaben weiteren Zündstoff geliefert. Apotheker sollen im Zweifelsfall erst mit dem verschreibenden Arzt Rücksprache halten, bevor sie substituieren dürfen.

Bisher standen sich zwei Rechtsauffassungen gegenüber:

  • Das Bundesgesundheitsministerium und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen vertreten die Ansicht, dass die Substitution eines Präparates durch ein anderes dann rechtens sei, wenn eine Indikation beider Präparate übereinstimmt – dabei muss es sich jedoch nicht um die vom Arzt diagnostizierte handeln.
  • Die Pharmafirmen halten den Austausch dagegen nur dann für legitim, wenn alle Indikationen beider Präparate übereinstimmen.

Die Diagnose ist maßgeblich

Das Oberlandesgericht hat mit seinem Urteil nun eine Zwischenstellung eingenommen. Es hält die Formulierung im Sozialgesetzbuch für "nicht eindeutig" hinsichtlich der Frage: Liegt ein "gleicher Indikationsbereich" nur dann vor, wenn alle Indikationen vollständig identisch sind, oder reicht eine Übereinstimmung der Indikation bei der tatsächlich gestellten Diagnose aus? Das OLG stellte in seinem Urteil klar: Wird die konkrete Indikation vom Austauschpräparat abgedeckt, darf substituiert werden.

Da die Diagnosestellung auf dem Rezept nicht angeben ist, bedeutet das in der Praxis: Bei Unklarheiten muss nach Meinung des OLG die Apotheke den Fall mit dem Arzt klären.


Dr. Sigrid Joachimsthaler

* Urteil des Hanseatischen OLG Hamburg vom 2. Juli 2009, Az 3 U 221-08.

Kommentar: Ärgerlich für Apotheken und Patienten


Es ist gelinde gesagt bedauerlich, dass der Gesetzgeber die Unklarheit über die Bewertung von Indikationen bei der Substitution von Arzneimitteln und Wirkstoffen noch nicht beseitigt hat. Nun stehen die Apothekenteams und mit ihnen die Patienten weiter im Ungewissen und müssen sich nach dem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts bei der Abgabe von Rabattarzneimitteln auf lästige Telefonate und Wartezeiten einrichten.

Dazu kommt die Frage nach der Haftung, die aus Sicht der Hersteller auf die Apotheker übergeht, wenn es sich um einen unbegründeten Off-Label-Use handelt.

Eine routinemäßige Abfrage der konkreten Diagnose beim Mediziner konterkariert den Datenschutz und würde die Rabattierungspraxis noch umständlicher und frustrierender machen.

Mit dem Retaxationsrisiko auf der einen Seite und dem Haftungsrisiko auf der anderen Seite steuern Apotheken zwischen Skylla und Charybdis. Zwar ist aus pharmazeutischer Sicht der Ansatz des OLG sinnvoller als die Haltung von BMG und Kassen, praktikabel ist sie aber nicht. GKV-Spitzenverband wie Ministerium müssen sich fragen lassen, ob sie das bisherige System der Indikationen für untauglich halten – dann sollten sie jedoch eine klare Neuregelung schaffen und nicht nur die bestehenden Regelungen aus Kostengründen unterlaufen.

Paradox ist, dass zuvor der Off-Label-Use häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten war, weil die Kassen Therapieversuche von Ärzten für Schwerkranke nicht bezahlen wollten.

Ein tolerierter Off-Label-Use, der nur dem Zweck dient, Kosten einzusparen, widerspricht jedenfalls dem erklärten Hauptziel der AMG-Novelle: der Stärkung der Arzneimittelsicherheit.

ADEXA fordert die Verantwortlichen deshalb auf, rasch eine rechtlich eindeutige Lösung im Sinne der Patienten zu finden.


Tanja Kratt, ADEXA, Zweite Vorsitzende

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