Arzneimittel und Therapie

Tasimelteon lindert Schlafstörungen bei Schichtarbeit

Der Agonist am Melatoninrezeptor Tasimelteon könnte Schichtarbeitern und Flugreisenden das Umstellen der inneren Uhr erleichtern. Das zeigen die Ergebnisse aus zwei randomisierten Studien. Als generelles Einschlafmittel ist der Wirkstoff jedoch nicht geeignet.
Besser Schlafen Tasimelteon verringerte in Studien im Vergleich zu Placebo die Zeit bis zum Einschlafen und verbesserte die Schlafeffizienz. Der Wirkstoff könnte für alle, die unter den Auswirkungen von Reisen über mehrere Zeitzonen leiden sowie für Schichtarbeiter interessant sein.

Foto: Yupik PR GmbH

Störungen des zirkadianen Schlafrhythmus sind für Millionen von Menschen häufig Ursache der Schlaflosigkeit, zum Beispiel Schichtarbeiter, Flugpersonal, Touristen, Fußballteams und viele andere. Die aus Störungen des zirkadianen Rhythmus resultierenden Schlafprobleme (primäre Schlafstörungen) reichen von Einschlafproblemen bis zu übermäßigem Schlafbedürfnis beim Versuch, wach zu bleiben.

Melatonin steuert den Schlaf-wach-Rhythmus

Das körpereigene Hormon Melatonin, das hauptsächlich nachts produziert wird, trägt zur physiologischen Steuerung des Schlaf-wach-Rhythmus bei. In den USA sind Präparate, die Melatonin selbst als Wirkstoff enthalten, frei erhältlich und durchaus populär, dennoch gibt es Bedenken: Weder Wirksamkeit noch Unbedenklichkeit wurden in kontrollierten Studien untersucht und wie bei der Zulassung eines Arzneimittel durch eine entsprechende Behörde geprüft. Die Wirkung scheint einer im Jahr 2006 veröffentlichten Metaanalyse zufolge eher bescheiden zu sein [BMJ 2006: 332; 385-393].

Ein neuer Wirkstoff ist Tasimelteon, ein Agonist an zwei von drei Melatoninrezeptoren. Der Wirkstoff wurde nun in einer Phase-II- und einer Phase-III-Studie mit Placebo verglichen.

Melatonin

Melatonin wird von den Pinealozyten der Epiphyse (Zirbeldrüse) produziert und gehört zu den biogenen Aminen. Die Ausschüttung des Tryptophanderivats folgt einem Tag-Nacht-Rhythmus. Durch die Belichtung der Netzhaut wird über mehrere Zwischenschritte die Freisetzung von Melatonin gehemmt. Bei Dunkelheit wird die Synthese und Freisetzung dagegen gesteigert. Über die Melatonin-Rezeptoren wirkt Melatonin schlaffördernd.

[nach Thews, Mutschler, Vaupel. Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen, Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH 2007]

Studien mit Tasimelteon

In der Phase-II-Studie bekamen 39 gesunde Personen randomisiert 10 mg (n = 9), 20 mg (n = 8), 50 mg (n = 7) oder 100 mg Tasimelteon oder Placebo (n = 8). Die Probanden wurden sieben Nächte beobachtet: Drei mit normalen Schlafenszeiten, anschließend drei mit einer abrupten Zeitverschiebung von fünf Stunden und Einnahme der Medikation vor dem Zubettgehen und abschließend eine Nacht ohne Behandlung.

In der Phase-III-Studie wurden 411 gesunde Probanden nach einer im Schlaflabor induzierten Zeitverschiebung von fünf Stunden eine Nacht beobachtet. Sie bekamen jeweils 30 Minuten vor dem Zubettgehen 20 mg (n = 100), 50 mg (n = 102) oder 100 mg (n = 106) Tasimelteon oder Placebo (n = 103).

In beiden Studien wurde der Schlaf mittels Polysomnographien (EEG, EOG und EMG) aufgezeichnet, um Schlafeffizienz (Anteil der Zeit, die im Bett schlafend verbracht wurde) und Schlaflatenz (die bis zum Einschlafen benötigte Zeit) zu untersuchen.

Ergebnisse: Tasimelteon verringert Jetlag

Tasimelteon verringerte in beiden Studien im Vergleich zu Placebo die Zeit bis zum Einschlafen und verbesserte die Schlafeffizienz. Die Probanden, die den Melatoninagonisten eingenommen hatten, schliefen zwischen 30 Minuten und zwei Stunden länger als im Placebo-Arm. Unter der höchsten Dosierung von 100 mg war die Latenz bis zum Einschlafen oder zum Tiefschlaf sogar kürzer als vor der Zeitverschiebung.

Der Unterschied zu Placebo verminderte sich aber bereits am zweiten Tag, was nach Ansicht der Autoren mit der beginnenden physiologischen Umstellung der inneren Uhr zusammenhängt.

Bisher keine schwerwiegenden Nebenwirkungen

Die Therapie war gut verträglich, es wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet. Die Häufigkeit leichter Nebenwirkungen unterschied sich nicht zwischen den Tasimelteon- und den Placebogruppen.

Melatoninagonisten – Schlafmittel ohne Nebenwirkung?

Der Wirkstoff könnte für alle, die unter den Auswirkungen von Reisen über mehrere Zeitzonen leiden sowie für Schichtarbeiter interessant sein. Voraussetzung ist, dass sich die im Schlaflabor gewonnenen Ergebnisse auf den Alltag übertragen lassen. Als Ersatz für die wegen des hohen Abhängigkeits- und Gewöhnungspotenzials problematischen Benzodiazepine und deren Derivate kommt Tasimelteon aber trotzdem nicht infrage, betont der Autor eines begleitenden Kommentars, da Melatoninagonisten keine Hypnotika im klassischen Sinn sind. Sie können zwar möglicherweise die Umstellung des Tag-Nacht-Rhythmus beschleunigen, nicht aber dauerhaft bestehende Schlafstörungen lindern.

Die Entwicklung von Melatonin-Analoga, die MelatoninRezeptoren spezifisch besetzen, kann in Zukunft auch helfen, die Rolle von Melatonin bei der Regulierung des Schlafs besser zu verstehen.

 

Quelle

 Shantha MW, et al.: Melatonin agonist tasimelteon (VEC-162) for transient insomnia after sleep-time shift: two randomised controlled multicentre trials. Lancet 2008; 373: 482-490.

 Cardinali DP, et al.: Let there be sleep – on time. Lancet 2008; 373: 439-440.

 

Apothekerin Bettina Christine Martini

 

 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.