Selbstmedikation

Low-Glyx schlägt Ballaststoffe

Die Ernährungsberatung übergewichtiger Typ-2-Diabetiker zielt darauf ab, sowohl die Menge der Fette als auch der Kohlenhydrate, speziell der Kohlenhydrate mit hohem glykämischem Index zu verringern und so die Gesamtkalorienzahl zu reduzieren. Über einen kurzen Zeitraum konnte schon gezeigt werden, dass dadurch die Blutzuckerwerte verbessert werden können. Ob Low-Glyx-Diäten auch über einen Zeitraum von sechs Monaten die gewünschte metabolische Verbesserung bringen, war das Ziel einer aktuellen Studie. Sie ergab, dass eine Low-Glyx-Diät eine nicht-medikamentöse adjuvante Therapieoption bei Diabetes Typ 2 sein könnte.
Ernährungsberatung Vor allem übergewichtige Typ-2-Diabetiker sollten sowohl die Menge der Fette als auch der Kohlenhydrate, speziell der Kohlenhydrate mit hohem glykämischem Index, verringern und so die Gesamtkalorienzahl reduzieren.

Foto: Lilly Pharma Holding GmbH

In Kurzzeitstudien konnte gezeigt werden, dass sich Diäten mit niedrigem glykämischem Index (Low-Glyx) nicht nur auf die Diabeteseinstellung sondern auch auf das bei dieser Patientengruppe häufig erhöhte kardiovaskuläre Risiko positiv auswirken.

Erste Studie zu Langzeiteffekten

Um erstmals die Langzeiteffekte verschiedener Diäten zu untersuchen, werteten Forscher am Universitätsklinikum Toronto die Daten von 210 Patienten aus, die an einer sechsmonatigen randomisierten Parallelstudie teilnahmen. Alle Patienten litten an Diabetes mellitus Typ 2, der mit oralen Antidiabetika behandelt wurde. Lediglich Acarbose wurde ausgeschlossen, da die Hemmung der α-Glucosidase und die dadurch reduzierte Kohlenhydratresorption quasi eine vom Ernährungsregime unabhängige künstliche Low-Glyx-Diät generiert hätte. Die Studienteilnehmer verpflichteten sich, neben ihrer antidiabetischen Medikation sechs Monate lang an einer der beiden folgenden Diäten teilzunehmen:

  • Diät mit niedrigem glykämischem Index (Low-Glyx), das heißt bevorzugt Pumpernickelbrot, Leinsamen, Weizengrütze, Linsen, Bohnen, Erbsen und Nüsse oder
  • ballaststoffreiche Kost, das heißt bevorzugt Vollkornbrot, Frühstücksflocken, brauner Reis sowie Kartoffeln

Der glykämische Index der Low-Glyx-Diät betrug durchschnittlich 69,6 gegenüber 83,5 für die ballaststoffreiche Kost. Patienten, die die ballaststoffreiche Diät erhielten (n = 104), litten im Mittel bereits 7,2 Jahre an Diabetes, das Durchschnittsalter lag bei 61 Jahren, das durchschnittliche Ausgangsgewicht betrug 87,8 kg, der HbA1c -Wert lag bei 7,1%.

Bei den Patienten der Low-Glyx-Gruppe (n = 106) betrug die Diabetesdauer 8,3 Jahre, das Durchschnittsalter 60 Jahre und das Ausgangsgewicht 87,0 kg. Der HbA1c -Wert lag ebenfalls bei 7,1%. Der Body-Mass-Index war mit 31 kg/m² in beiden Gruppen identisch.

Was ist der glykämische Index?

Der glykämische Index (GI) ist ein Maß für die Blutzuckerwirksamkeit von Nahrungsmitteln: Je nachdem, welche Kohlenhydrate enthalten sind, wirkt sich die aufgenommene Nahrung unterschiedlich auf den Blutzuckeranstieg und die Blutzuckerhöhe aus. Lebensmittel, die einen raschen und hohen Blutzuckeranstieg bewirken, haben einen hohen glykämischen Index. Lebensmittel, nach deren Verzehr der Blutzucker nur langsam und gering ansteigt, haben einen niedrigen glykämischen Index. Als Referenz dient Traubenzucker, dessen glykämischer Index per Definition 100 beträgt.

glykämischer Index

Lebensmittel

100

Traubenzucker

70 bis 100

Kartoffelbrei, Minutenreis, Weißbrot, Cornflakes, Cola

55 bis 70

Graubrot, Müsliriegel, Salzkartoffeln, ungesüßte Obstsäfte, Haushaltszucker, Honig

< 55

Milch, Joghurt, Brot aus ganzen Körnern, Obst, Nudeln aus Hartweizen, Erbsen, Bohnen, Linsen, Blattgemüse

Blutzuckerspiegel signifikant verbessert

Nach einer Beobachtungszeit von 24 Wochen sank der HbA1c -Wert in der Low-Glyx-Gruppe signifikant (p < 0,001) um 0,5 Prozentpunkte, im Vergleich zu einer Abnahme um lediglich 0,18 Prozentpunkte in der Gruppe mit ballaststoffreicher Diät. Dieser Unterschied ist klinisch relevant, und korreliert den Autoren zufolge laut Endpunktstudien mit einer Reduktion mikrovaskulärer Komplikationen um etwa 10%. Die Differenz der Nüchternblutzuckerwerte betrug zu Studienende 6,8 mg/dl und war damit in der Low-Glyx-Gruppe ebenfalls signifikant (p = 0,02) niedriger als in der Gruppe, die ballaststoffreiche Kost erhalten hatte. Zwar nahm auch das Körpergewicht in der Probandengruppe mit niedrigem glykämischem Index um 0,9 kg mehr ab, als in der Ballaststoff-Gruppe, dieser Unterschied war jedoch nicht signifikant (p = 0,053). Das HDL-Cholesterin stieg in der Gruppe mit niedrigem glykämischem Index gegenüber der Vergleichsgruppe um 1,9 mg/dl (p = 0,005) an. Für die übrigen sekundären Zielparameter wie Blutdruck, Triglyceridspiegel und Konzentration des C-reaktiven Proteins ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.

Low-Glyx-Diät dauerhaft umsetzbar

Die klinische Erfahrung zeigt, dass sehr restriktive oder einseitige Diäten im Allgemeinen eine schlechte Compliance besitzen und von den Patienten nicht sehr lange durchgehalten werden. Da es sich bei einer Diät, die kohlenhydrathaltige Lebensmittel mit niedrigem glykämischem Index bevorzugt, weder um eine einseitige noch um eine restriktive Diät handelt, bestehen gute Chancen, dass ein solches Ernährungsregime von den Patienten im Rahmen einer Lebensstiländerung auch über Jahre befolgt werden kann. Die Low-Glyx-Diät scheint daher eine interessante nicht-medikamentöse und kostengünstige adjuvante Therapieoption bei Diabetes mellitus Typ 2 zu sein.

 

Quelle

 Jenkins D.J.; et al.: Effect of a lowglycemic index or a high-cereal fiber diet on type 2 diabetes: a randomized trial. J AMA, 2008; 300: 2742-53. 

 

Apotheker Dr. Andreas Ziegler

 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.