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- DAZ 18/2009
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Sächsischer Apothekertag
Umbruch, Aufbruch, Veränderung
Mit einem eigens von der Sächsischen Landesapothekerkammer produzierten Film, der Dokumente aus der Zeit der friedlichen Revolution von 1989 und 1990 zeigte und in dem zwei sächsische Apotheker, Hans Koch und Stefan Finger, in Interviews an die damaligen Gedanken und Gefühle der Apothekerinnen und Apotheker in der Zeit des Umbruchs erinnerten, eröffnete Friedemann Schmidt, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer, den Apothekertag. Man denke mit Dankbarkeit an die ersten Schritte in Freiheit und Selbstbestimmung, so Schmidt, auch daran, als man gemeinsam rief "Wir sind das Volk".
Politische Grußworte
Leider sei die Initiative von Bayern und Sachsen, die verschreibungspflichtigen Arzneimittel vom Versandhandel auszuschließen, bisher nicht erfolgreich gewesen. Dennoch halte man an der Auffassung fest, so die sächsische Ministerin für Soziales, Christine Clauß, dass ein Verbot des Versandhandels mit Rx-Arzneimitteln ein Beitrag für einen sichereren Arzneimittelverkehr wäre. Man werde nicht aufgeben, nach Wegen zu suchen, dies zu erreichen. Clauß ließ wissen, dass bereits zwei neue Gutachten vorliegen, mittels derer Möglichkeiten aufgezeigt werden, Pick-up-Stellen zu verbieten. Die Gutachten werden zurzeit geprüft. Vielleicht ergebe sich doch noch die Chance, einen entsprechenden Passus in die 15. AMG-Novelle zu packen. Grundsätzlich sei sie, insbesondere nach dem Schlussantrag des Generalanwalts, optimistisch, dass der Europäische Gerichtshof am Fremd- und Mehrbesitzverbot festhalte. Die sächsische Gesundheitsministerin lobte das Fortbildungsangebot des Sächsischen Apothekertags, bei dem es um das Thema Arzneimittel und Alter ging. Statistisch gesehen altert Sachsen am schnellsten, sagte sie, es ist daher zu begrüßen, wenn sich die Apotheker mit einer qualitätsgerechten Arzneimitteltherapie im Alter befassen. Clauß rief den Apothekerinnen und Apothekern zu: "Das sächsische Gesundheitswesen braucht Sie auch in Zukunft!"
Auch Maria Michalk, Bundestagsabgeordnete der CDU und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags, möchte die deutsche Apotheke nicht missen: "Wir sind auf Sie angewiesen", so die CDU-Politikerin, die Apotheke ist einer der wichtigsten Orte für Patienten, "ein soziales Kompetenzzentrum". Die Apotheke hat soziale Funktionen, die weit über die üblichen Dienstleistungen hinausgehen. Michalk kündigte an, sie werde gegen die Verharmlosung des Arzneimittels, gegen Fehl- und Mehrgebrauch und gegen Arzneimittelfälschungen kämpfen. Deutlich habe sich ihre Fraktion gegen eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots ausgesprochen. Nach dem positiven Schlussantrag des Generalanwalts sehe man mit Spannung auf den 19. Mai, wenn der EuGH sein Urteil in dieser Sache verkündet.
Den Elan und die Aktivitäten aus den Zeiten der Wende wünscht sich Dr. Marlies Volkmer, SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestags, heute für viele Menschen zurück. Die Menschen hätten damals vieles ausprobiert, was machbar sei, und nicht lange gefragt. Volkmer hält nichts von Pick-up-Stellen, Arzneimittel gehören in Apothekerhand, so ihre feste Überzeugung. Auch sie hoffe, dass zwei neue vorliegende Gutachten einen politischen Weg zeigen, wie man das Problem der Pick-up-Stellen lösen könne. Ein Verbot von Rx-Arzneimitteln im Versandhandel wäre die sauberste Lösung gewesen. Im Bundestag habe sich dafür leider keine Mehrheit gefunden. Volkmer steht dagegen zum aktuellen SPD-Antrag, Kontrazeptiva für bedürftige Frauen zu Sonderbedingungen zur Verfügung zu stellen, allerdings halte sie den eingeschlagenen Weg für falsch. In Sachen Fremdbesitzverbot hofft auch sie, dass sich der EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts anschließt.
Verständnis für die aktuellen Probleme der Apotheker zeigte Kristin Schütz von der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag und gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Rabattverträge, eine zunehmende Bürokratie und zahlungsunwillige Krankenkassen stellen eine Belastung für die Apotheken dar. Letztlich wirke sich das auch auf die Patienten aus. Die FDP setzt auch in Zukunft auf eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln durch die inhabergeführten Apotheken. Ihre Partei werde sich für die Stärkung einer wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung einsetzen.
Aus terminlichen Gründen konnte der Vertreter der Linken, Dr. Ilja Seifert, Behinderten- und pflegepolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, nicht anwesend sein. Wie aus seinem schriftlichen Grußwort hervorgeht, setzt sich seine Partei ebenfalls für die wohnortnahe Apotheke, flächendeckend und natürlich barrierefrei ein. Darüber hinaus plädiert Die Linke für eine Positivliste, für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel, für mehr Prävention und Gesundheitsförderung. Auch aus Sicht dieser Partei soll der Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln verboten und die Rolle des Heilberufs Apotheker gestärkt werden. Fremdbesitz von Apotheken wird daher abgelehnt.
Die sächsische Apothekerkammer pflegte von Anfang gute Beziehungen zu den osteuropäischen Apothekerkammern von Ungarn, Polen und Tschechien. Beim Sächsischen Apothekertag hat es daher Tradition, dass Vertreter dieser Länder ein Grußwort überbringen. Dr. Károly Zalai, Generalsekretär der ungarischen Apothekerkammer, beklagte, dass der Apothekerberuf auch in Ungarn immer mehr in die Merkantilität gedrängt werde. Viele Apotheken sind in seinem Land bereits schon in Kettenhand, über 500 OTC-Produkte bereits außerhalb von Apotheken erhältlich.
Ähnlich klagte auch Zdenek Blahuta, ein Vertreter der tschechischen Apothekerkammer. Die Zahl der Kettenapotheken nimmt zu. Von den rund 2500 Apotheken in Tschechien gehören bereits 250 zu Ketten.
Arzneitherapie im AlterIm Rahmen des Sächsischen Apothekertags boten die Sächsische Landesapothekerkammer und der Sächsische Apothekerverband in Zusammenarbeit mit der Landesgruppe Sachsen der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft einen Pharmazeutischen Kongress zum Thema "Arzneimitteltherapie im Alter" für Apothekerinnen und Apotheker sowie für Pharmazieingenieure und PTA. Insgesamt acht Vorträge standen auf dem Programm zu den Themen Diabetes, Pharmakotherapie im Alter, altersbedingte Veränderungen der Pharmakokinetik und -dynamik, Alzheimer, Demenzen, Arzneimittelwechselwirkungen und problematische Arzneiformen für Senioren.
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Drei Fragen von Koch
In ihrer berufspolitischen Ansprache stellte die Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbands, Monika Koch, je eine Frage an Politiker, an die Apotheker selbst und an die Bürger.
An die Politiker: Welche Art der Arzneimittelversorgung möchten Sie in Zukunft haben? Der Staat hat im Rahmen der Daseinsvorsorge auch für die Arzneimittelversorgung Verantwortung zu tragen. Daher erteilte er dem Apotheker den Auftrag eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung, rund um die Uhr, in zumutbarer Entfernung und in der erforderlichen Qualität, mit entsprechenden Vorschriften, Auflagen und Überprüfungen sicherzustellen. Die Apotheker haben dafür das Arzneimittelmonopol, die Preisbindung im Rx-Bereich – und die persönliche Verantwortung. Aber, so Koch, diese Zusammenhänge scheinen in den letzten Jahren verloren gegangen zu sein. Den Arzneimittelversandhandel bekämpfen die Apotheker nicht aus Angst vor einer übermächtigen Konkurrenz, sondern wegen der Risiken und Nebenwirkungen, wie man sie bereits sieht. "Arzneimittel in der Tanke konnte man in Klingenthal schon mal vorübergehend erwerben", so Koch, "damals konnte dem Treiben schnell ein Ende gesetzt werden, aber wie lange noch?" Die Bundes- und Landtagsabgeordneten forderte sie auf, solchen Entwicklungen Einhalt zu gebieten, sonst kann von einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung nicht mehr lange die Rede sein. Die Apotheker werden sich die Wahlprogramme der Parteien unter diesem Aspekt sehr genau ansehen.
An die Apotheker: Welche Art von Apotheker wollen Sie sein – Heilberuf oder Händler? Mit dieser Frage hielt die Verbandsvorsitzende ihren Kolleginnen und Kollegen den Spiegel vor. Vielmals sind es Apothekerinnen und Apotheker selbst, die sich nicht an Fairness und Gesetze halten und damit Entwicklungen Vorschub leisten. Koch: "Die Arzneimittel in der Tankstelle Klingenthal kamen nicht vom Großhandel, die kamen von einem Kollegen. Auch in anderen Fällen, wo Arzneimittel in Drogerie- und Supermärkten aufgetaucht sind, sind Apotheker die mutmaßlichen Lieferanten." Sie erwähnte auch dubiose Marketingaktionen wie Happy Hour oder Sonderangebote für Schmerzmittel und fragte, ob dies noch mit dem heilberuflichen Selbstverständnis vereinbar sei. Koch: "Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Zukunft pharmazeutisch, heilberuflich entschieden wird. Den reinen Arzneimittelhandel können andere besser."
An die Bürger: Wie gehen wir mit unserer Geschichte um? Koch erinnerte sich, wie sie die Wendezeit erlebte, als sie Friedensgebete in ihrer Heimatgemeinde organisierte, als sie Angst hatte, Freiheit, Beruf, Kinder zu verlieren. "Dass wir damals diese Angst überwinden konnten, darauf können wir sehr stolz sein." Für die freiheitlich demokratische Gesellschaft habe man damals einiges riskiert – diese Botschaft sollte man an die Jungen weitergeben.
Suspekt sei ihr "das Gejammere, wie gemütlich und kuschelig es doch in der DDR zuging und heute: eine kalte, egoistische Gesellschaft, in der es nur noch ums Geld geht". Hier hielt Koch entgegen, dass jeder an seiner Stelle entscheide, wie menschlich es zugehe oder nicht. "Die Gesellschaft sind doch wir, oder anders: ‚Wir sind das Volk‘."
Es sei zwar nicht immer leicht, auch in einer freiheitlich, demokratischen Gesellschaft ein anständiger Mensch zu bleiben, aber niemand riskiere seine Freiheit oder Existenz, wenn er sich für eine Verbesserung der Gesellschaft einsetzt. "Es gibt auch keine Entschuldigung", so Koch, "es nicht wenigstens zu versuchen."
Am GesellschaftsabendLied, gesungen bei der Festtafel der VI. Generalversammlung des Deutschen Apothekervereins in Leipzig am 6. September 1877 im alten Schützenhause – und jetzt wieder vorgetragen
(Melodie: Stimmt an mit hellem hohen Klang):
Grüss’ Gott, – Collegen – allzumal, –
Aus Norden und aus Süden!
Lasst heut’ beim schäumenden Pokal
Den Frohsinn nicht ermüden!
Kehr’ – holde Freude – bei uns ein
In unserm trauten Kreise!
Du sollst heut’ unsre Losung sein
In ungetrübter Weise.
Jetzt streifen wir die Sorgen ab,
Die unsern Stand beschweren,
Und werfen sie zum Styx hinab,
Dort mögen sie verzehren.
Uralt ist unsre Wissenschaft,
Doch nimmerdar veraltet,
Sie hat vielmehr mit reger Kraft
Allseitig sich entfaltet.
Hier steigen Gläser in die Höh’
– mit Wein von edlen Sorten, –
Man labt sich am gebrat’nen Reh’
Und an gebacknen Torten.
Bei diesem Tafel-Studium
Lasst uns gemütlich weilen,
Bis wir in’s Privatissimum
Zu unsern Lieben eilen.
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"Wir sind das Volk"
In seinem Festvortrag prangerte Dr. Joachim Gauck, früherer Pfarrer in der DDR, von 1991 bis 2000 Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und seit 2003 Vorsitzender des Vereins "Gegen das Vergessen – für Demokratie", die Zeit der DDR-Diktatur an. Es war kein Rechtsstaat, wichtige In-stanzen der Rechtspflege fehlten. Er versuchte aber auch Verständnis dafür zu wecken, dass es nicht leicht gewesen sei, sich als DDR-Bürger gegen das Regime zu stellen. Wenn man ohne Parteizugehörigkeit quasi keine gute Ausbildung geschweige denn einen guten Arbeitsplatz erreichen konnte, solle sich jeder selbst fragen, wie er damals gehandelt hätte. Wie schwer war es für viele Andersdenkende in der DDR, die sich zwar formal dem Regime unterwarfen, aber im Innersten den Konflikt mit ihrer freiheitlichen Gesinnung mit sich selbst ausmachen mussten: "Man musste sich einbilden, überzeugt zu sein, obwohl man es nicht war", so Gauck. Und mit dem schon legendären Satz, den sich DDR-Bürger einfielen ließen, wenn man sie für den Parteieintritt gewinnen wollte (man fühle sich noch nicht reif für diese wichtige Entscheidung), konnte man meist nur einen Aufschub bewirken. Manche Menschen gingen an diesen Konflikten zugrunde, viele brauchen Jahre, um sich von der Brechung des eigenen Ich zu befreien und benötigten psychologische Hilfe.
Der hervorragende Satz "Wir sind das Volk", der in der Zeit der Wende geprägt wurde, drückt aus, was die Bürger in DDR-Zeiten nie hatten: ich bin ein Bürger, wir können frei entscheiden und wählen.
Das Gut der Freiheit könne man nicht hoch genug einschätzen. Aber man solle sich auch bewusst sein, dass Freiheit auch Verantwortung bedeute. Gauck: "Wir sind nicht zum Gehorsam geschaffen, sondern um Verantwortung zu übernehmen." Kein anderes Lebewesen hat die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, wir sind zur Freiheit ermächtigt. Er empfinde daher ein tiefes Unwohlsein, wenn man Verantwortung nicht wahrnehme. Gauck: "Wir wollen Freiheit als Verantwortung."
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