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Das regulierte Chaos
Welche Probleme bei der Versorgung mit ausgeschriebenen Inkontinenzprodukten auftreten können, beschreibt Dr. Thomas Friedrich, Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, am Beispiel einer Patientin aus Sachsen-Anhalt. Nach Übersendung eines sorgfältig ausgefüllten Fragebogens wurde nur eine der beiden gewünschten Inkontinenzvorlagen geliefert. Die angemahnte Nachlieferung kam ohne Ankündigung, als die Patientin nicht zu Hause war. Die Ware wurde dann an einer Pick-up-Stelle abgegeben, von der die Patientin aber die sperrigen Kartons nicht nach Hause transportieren konnte. Für solche Fälle der Unzumutbarkeit sehen die Verträge vor, dass gegen Aufzahlung die Einzelversorgung vereinbart werden kann. Doch im Beispielfall stieß auch dies auf Hindernisse, so Friedrich. Als Reaktion auf den Wunsch nach Einzelversorgung habe die Patientin lapidare Ablehnungen, aber keinen gerichtsfähigen Bescheid erhalten, sodass nicht einmal der Klageweg gegeben sei. An diesem Beispiel werden die Probleme der Ausschreibungen deutlich. Denn ein anonymes Call-Center der fernen Zentrale eines Logistikunternehmens kann die vielfältigen Aspekte der Hilfsmittelversorgung nicht so klären, wie dies in der Apotheke geschieht.
Bürokratie pur
Doch auch bei der Versorgung mit Hilfsmitteln, die weiterhin von Apotheken geliefert werden, treibt die Bürokratie merkwürdige Blüten, die dann vorrangig die Apotheken treffen. So berichtet Apotheker Klaus Kusenberg aus Flensburg über eine Patientin, die künstliche Ernährung erhält. Eine solche Ernährung wird naturgemäß sofort benötigt. Apothekerverbände und Krankenkassen haben einen Aufschlagssatz ausgehandelt, der in der Apotheken-EDV ausgewiesen ist. Doch obwohl die Genehmigung nicht abgewartet werden kann und der Preis bereits ausgehandelt ist, muss die Lieferung von der Krankenversicherung genehmigt werden. Zur Versorgungssicherung bleibt somit keine andere Möglichkeit, als die Patienten vorab zu versorgen und damit das finanzielle Risiko zu übernehmen. Kusenberg hat sich daran gewöhnt, wöchentlich die gleiche Genehmigung zu beantragen. Doch Ende Februar erhielt er nicht mehr die gewohnte Antwort. Als Erklärung habe man ihm im DAK-Hilfsmittel-Kompetenzzentrum in Gießen mitgeteilt, es sei Karneval, berichtet der Apotheker. Daher solle er den Antrag erneut einreichen. Doch Karneval ist nicht das einzige Hindernis für die Genehmigungen. Bei anderen Krankenkassen sollen auch zu anderen Jahreszeiten Bearbeitungszeiten von zwei Wochen üblich sein.
Mehr Regeln, mehr Verwirrung
Der Aufwand der individuellen Genehmigungen sollte sich durch Ausschreibungen erübrigen, doch leider geht auch diese Rechnung nicht auf. Denn viele Ausschreibungen betreffen nur einzelne regionale Losgebiete. So kann es von der genauen Art des Produktes, vom Sitz der Apotheke und von der Wohnform des Patienten abhängen, ob ein Hilfsmittelrezept beliefert werden kann. Gemäß einem Rundschreiben des Hamburger Apothekervereins können nicht alle Differenzierungen im ABDATA-Artikelstamm abgebildet werden. In dem Rundschreiben werden die Apotheken daher schriftlich über Lieferausschlüsse informiert. Bei unsicherer Vertragslage empfiehlt der Hamburger Apothekerverein, Barzahlung zu verlangen oder die Versorgung vorab genehmigen zu lassen.
Doch nicht einmal auf Verbandsebene ist immer klar, wie mit den neuen Bedingungen umgegangen werden soll. So berichtet Friedrich über einen von der Techniker Krankenkasse geschlossenen Vertrag über die Lieferung von Inkontinenzprodukten. Unter bestimmten Bedingungen können Apothekerverbände einem solchen Vertrag beitreten. Doch Mitsprache im Sinne einer Vertragspartnerschaft sei nicht vorgesehen. Vielmehr laufe das Konstrukt auf ein Preisdiktat hinaus: Entweder die Verbände bzw. einzelne Apotheken unterwerfen sich einer Monatspauschale von 22 Euro netto oder sie dürfen die betroffenen Produkte nicht mehr zu Lasten der Kasse liefern.
KurzkommentarOffenbar führen die Genehmigungen für Hilfsmittel bei den Krankenkassen zu großem Verwaltungsaufwand und damit auch zu entsprechend hohen Kosten. Der Aufwand aller Beteiligten dürfte vielfach in einem deutlichen Missverhältnis zum Preis der Hilfsmittel stehen. Ausschreibungen lösen das Problem nicht, sondern verschieben den Aufwand auf die Patienten und teilweise auch auf überforderte Auftragnehmer. Offenbar hat der Gesetzgeber übersehen, dass Instrumente wie Ausschreibungen und Genehmigungen für hochpreisige Großgeräte erfunden wurden, bei denen sie auch effektiv sein mögen. Doch laufend verwendete Verbrauchswaren wie Inkontinenzartikel oder gar Produkte für die künstliche Ernährung werden vielfach genauso notwendig und schnell wie Arzneimittel benötigt und sollten daher ebenso selbstverständlich ohne Einzelgenehmigung geliefert werden. Das gilt erst recht, wenn die Preise ohnehin vertraglich ausgehandelt sind.
Thomas Müller-Bohn
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