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- DAZ 16/2009
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Arzneimittel und Therapie
Cilengitid kann dosisabhängig Tumorwachstum auch fördern
Nahezu 7000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an einem primären Hirntumor; fast 2% aller Krebsneuerkrankungen entfallen somit auf diesen Tumortyp. Hirntumore stellen bis zu 90% aller Primärtumore des zentralen Nervensystems, wobei die häufigsten Primärtumore des Hirns Gliome sind: sie machen 80% aller malignen Hirntumore aus. In der Hälfte der Fälle handelt es sich hierbei um Glioblastome, der aggressivsten Form von Hirntumoren. Die durchschnittliche Überlebenszeit von Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastom beträgt derzeit nur zehn bis 15 Monate.
Wie wirkt Cilengitid?
Cilengitid beinhaltet eine RGD-Aminosäuresequenz, die aus den drei Aminosäuren Arginin (R), Glycin (G) und Asparaginsäure (D) besteht. Sie vermittelt die Bindung an spezifische Rezeptoren, die Integrine. Cilengitid hemmt die Integrine αvβ3 and αvβ5. So sollen die Neubildung und das Wachstum von tumoreigenen Blutgefäßen (Angiogenese) und damit das Wachstum und die Ausbreitung von Tumorzellen verhindert werden [2]. Die ersten Studien wurden mit sehr Erfolg versprechend bewertet, woraufhin das National Cancer Institute (NCI) weitere Studien mit Cilengitid als Monotherapie bei verschiedenen Tumorarten einschließlich neu diagnostiziertem Glioblastom, rezidivierendem Glioblastom bei Erwachsenen und rezidivierenden Hirntumoren bei Kindern förderte [3, 4].
Förderung des Tumorwachstums durch niedrige Dosen Cilengitid
Im Tiermodell mit Mäusen durchgeführte Untersuchungen ergaben jetzt jedoch, dass geringe Mengen des Krebsmedikaments das Tumorwachstum sogar förderten [1]. Weitere Untersuchungen zeigten, dass dafür die Aktivierung des Tyrosinkinase-Rezeptors VEGFR2 verantwortlich war, wodurch eine Angiogenese auslöst wurde. Die Autoren der Studie werten diese Ergebnisse allerdings eher als wichtige Erkenntnis: Erhält ein Patient das Medikament erstmals, steigen die Werte im Blut rasch an. Damit wird sichergestellt, dass eine große Menge in den Tumor gelangt. Nach einer gewissen Zeit sinken die Werte und der Körper beginnt sich an das Medikament zu gewöhnen. Da man jetzt weiß, dass geringe Mengen das Tumorwachstum fördern können, ist es – so die Studienleiter – nicht sinnvoll, zuerst eine hohe Dosis zu verabreichen, die dann abfällt und anschließend wieder eine hohe Dosis zu geben. Denkbar sei daher die Verabreichung des Krebsmedikaments über eine Infusionspumpe, die eine gleich bleibende Dosierung ermöglicht.
Quelle
[1] Reynolds, A. R.; et al.: Stimulation of tumor growth and angiogenesis by low concentrations of RGD-mimetic integrin inhibitors. Nature Medicine 2009; doi: 10.1038/nm.1941.
[2] Burke, P.A.; et. al.: Cilengitide Targeting of αvβ3 Integrin Receptor Synergizes with Radioimmunotherapy to Increase Efficacy and Apoptosis in Breast Cancer Xenografts. Cancer Res. 2002; 62: 4263-4272.
[3] Stupp, R., Ruegg C.: Integrin inhibitors reaching the clinic. J. Clin. Oncol. 2007; 25(13): 1651-7.
[4] Stupp, R.; et al.: Phase I/IIa trial of cilengitide (EMD121974) and temozolomide with concomitant radiotherapy, followed by temozolomide and cilengitide maintenance therapy in patients (pts) with newly diagnosed glioblastoma (GBM). J. Clin. Oncol. 2007; ASCO Annual Meeting Proceedings Part I; 25 (18S): Abstr. 2000.
Dr. Hans-Peter Hanssen
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