Arzneimittel und Therapie

Benefit durch mehrere Biologicals?

Die Kombination einer zielgerichteten Substanz mit einer Standardchemotherapie führt beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom zu besseren Therapieergebnissen als die alleinige Chemotherapie. Die Hoffnung, mit mehreren zielgerichteten Substanzen einen zusätzlichen Benefit zu erzielen, hat sich indes nicht erfüllt. In einer im Februar dieses Jahres publizierten Studie hatten Patienten, die neben einer Chemotherapie die Biologicals Bevacizumab (Avastin®) und Cetuximab (Erbitux®) erhielten, ein geringeres progressionsfreies Überleben als Patienten, die auf Cetuximab verzichteten.

Betrachtet man die vergangenen 15 Jahre, so hat sich die Prognose eines fortgeschrittenen Darmtumors deutlich verbessert. Die Integration neuer Zytostatika wie Irinotecan oder Oxaliplatin in eine fluoropyrimidinbasierte Chemotherapie (das heißt 5-Fluorouracil oder Capecitabin) schlug sich in einer deutlichen Verlängerung des Gesamtüberlebens nieder, und durch den Einsatz zielgerichteter Substanzen wie Bevacizumab und Cetuximab konnte ein weiterer Benefit erzielt werden. Die Hypothese, mehrere zielgerichtete Substanzen und eine Chemotherapie könnten zu noch besseren Ergebnissen führen, wurde nun in einer niederländischen Studie untersucht.

Open label Phase-III-Studie

An der multizentrischen, randomisierten Studie nahmen 755 nicht vorbehandelte Patienten mit einem metastasierten kolorektalen Tumor teil. Sie erhielten eines der folgenden Therapieprotokolle open label, das heißt Patienten und Arzt waren über Wirkstoff und Dosierung informiert:

  • Chemotherapie plus Bevacizumab; n = 378 (CB-Schema mit 1000 mg/m² Körperoberfläche (KOF) Capecitabin oral zweimal täglich Tag 1 bis 14; 130 mg/m² KOF Oxaliplatin i.v. an Tag 1; 7,5 mg/kg Bevacizumab an Tag 1; die Zyklusdauer betrug 21 Tage).
  • Chemotherapie plus Bevacizumab plus Cetuximab; n = 377 (CBC-Schema mit 1000 mg/m² KOF Capecitabin oral zweimal täglich Tag 1 bis 14; 130 mg/m² KOF Oxaliplatin i.v. an Tag 1; 400 mg/m² KOF Cetuximab an Tag 1 des ersten Zyklus, dann 250 mg/m² wöchentlich; Zyklusdauer 21 Tage).

In beiden Gruppen wurde Oxaliplatin über maximal sechs Zyklen verabreicht; anschließend wurde die Dosis von Capecitabin auf 1250 mg/m² Körperoberfläche erhöht.

Der primäre Studienendpunkt was das progressionsfreie Gesamtüberleben, sekundäre Studienendpunkte beinhalteten das Gesamtüberleben, die Responserate, die Sicherheit der Therapie, die Lebensqualität und den Einfluss des KRAS-Status auf den Therapieerfolg. Das KRAS-Gen kodiert ein Protein in der EGFR-Signalkaskade. Es kann normal (Wildtyp) oder mutiert sein. Liegt eine Mutation vor, ist die Blockade von EGFR weniger effektiv als bei der Wildform). Die mediane Beobachtungsdauer lag bei 23 Monaten. In der CB-Gruppe mit Chemotherapie plus Bevacizumab waren median zehn Behandlungszyklen, in der CBC-Gruppe (Chemotherapie plus Bevacizumab plus Cetuximab) neun Zyklen appliziert worden.

Unerwartetes Ergebnis

Die statistische Auswertung der gesammelten Daten führte zu folgenden Ergebnissen:

  • Das mediane progressionsfreie Überleben lag in der CB-Gruppe bei 10,7 Monaten und in der CBC-Gruppe bei 9,4 Monaten (p = 0,01); das heißt, die zusätzliche Gabe von Cetuximab führte zu einer Abnahme des Überlebens.
  • Die Lebensqualität war in der CBC-Gruppe geringer als in der CB-Gruppe.
  • Gesamtüberleben und Responserate waren in beiden Gruppen ähnlich und zeigten keine signifikanten Unterschiede (Gesamtüberleben CB-Gruppe 20,3 Monate vs. 19,4 Monate CBC-Gruppe; Ansprechrate CB-Gruppe 50,0% vs. 52,7% CBC-Gruppe).
  • Bei Patienten der CBC-Gruppe traten mehr schwere Nebenwirkungen (Grad 3 und 4) auf, die auf die Hauttoxizität von Cetuximab zurückzuführen waren.
  • Eine Subgruppenanalyse für Probanden der CBC-Gruppe zeigte, dass bei Mutation des KRAS-Gens das progressionsfreie Überleben signifikant geringer war als bei Vorliegen des KRAS-Wildtyps. Dieses Ergebnis war nicht überraschend und bestätigt die Rolle von KRAS als prädiktiver Biomarker.

Weniger ist mehr

Ein Kommentator befasst sich mit der obigen Studie, ohne eine plausible Erklärung für die unerwarteten Ergebnisse zu finden. Er vermutet, dass zwischen dem Angiogenesehemmer Bevacizumab und dem Inhibitor des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors Cetuximab unbekannte Interaktionen intrazellulärer Signalwege auftreten, die die antitumoröse Wirksamkeit vermindern. Eine Kombination zielgerichteter Substanzen führe offenbar nicht zu additiven Wirkungen, wie sie unter einer Kombinationstherapie mit unterschiedlichen Zytostatika beobachtet werden. Bei Biologicals gelte derzeit: weniger ist mehr.

 

Quelle

 Tol J., et al.: Chemotherapy, Bevacizumab, and Cetuximab in metastatic colorectal cancer. N Engl J Med 2009; 60, 563-572.

 Mayer R.: Targeted therapy for advanced colorectal cancer – more is not always better. N Engl J Med 2009; 360, 623-624.

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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