Arzneimittel und Therapie

Therapiemöglichkeiten bei Belastungsund Dranginkontinenz

Trotz sechs bis acht Millionen Betroffener ist das Thema Harninkontinenz in Deutschland ein Tabu. Dies zu Unrecht, denn mit Aufklärung, adäquaten krankengymnastischen und medikamentösen Maßnahmen kann die Inkontinenz in vielen Fällen behoben oder zumindest gelindert werden. Ein erster Schritt ist die aktive Auseinandersetzung mit der Blasenschwäche und die Inanspruchnahme unterstützender Hilfen.
Bei der Dranginkontinenz ist der unfreiwillige Harnverlust blasenbedingt. Sie ist durch häufiges Wasserlassen, imperativen Harndrang und Nykturie gekennzeichnet. Die Therapie erfolgt überwiegend medikamentös, der Therapieerfolg liegt bei 50 bis 70%. Auch bei einer Belastungsinkontinenz stehen therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung.
Foto: Cramer-Gesundheits-Consulting

Eine Harninkontinenz kann in allen Altersgruppen auftreten, sie kommt allerdings gehäuft bei alten Menschen und Frauen vor. Man unterscheidet folgende Inkontinenzarten:

  • Belastungsinkontinenz
  • Dranginkontinenz
  • Mischinkontinenz
  • Inkontinenz bei neurogenen Grunderkrankungen
  • Überlaufinkontinenz
  • Extraurethrale Inkontinenz
  • Nykturie
  • Enuresis

Die Diagnostik des vorliegenden Inkontinenztyps erfolgt durch eine ausführliche Anamnese, anhand von Trink- und Miktionsprotokollen, durch die körperliche Untersuchung und Sonographie sowie gegebenenfalls durch eine Blasendruckmessung und in wenigen Fällen nach einer Blasenspiegelung. Die häufigsten Inkontinenzarten sind Drang- und Belastungsinkontinenz, wobei die Belastungsinkontinenz vor allem bei Frauen, eine Dranginkontinenz überwiegend bei Männern auftritt.

Belastungsinkontinenz

Bei einer Belastungsinkontinenz ist der Schließmuskelmechanismus der Harnröhre geschädigt. Bei Frauen ist die Ursache häufig eine Schwächung des Beckenbodens, bei Männern kann eine Prostataoperation zu einer Inkontinenz führen. Der ungewollte Urinverlust tritt vor allem beim Husten, Lachen, Niesen, Heben, Bücken, Sport und körperlichen Anstrengungen auf. Risikofaktoren sind Schwangerschaft, Geburtsmethode (häufig nach Zangengeburt) Hysterektomie, Radiatio, Adipositas, Obstipation, Asthma, Rauchen, Alter und Östrogenmangel. Leichtere Formen können konservativ mithilfe physiotherapeutischer Verfahren wie Beckenbodentraining, Verhaltensmodifikation, Biofeedback-Training, Elektro- oder Magnetfeldtherapie behandelt werden, wobei die Erfolgsraten zwischen 30 und 60% liegen. Die konservative Therapie sollte mindestens sechs bis acht Wochen dauern, bevor bei unzureichendem Behandlungserfolg medikamentöse oder chirurgische Maßnahmen eingeleitet werden. Medikamentös kann bei Frauen Duloxetin (Yentreve®) eingesetzt werden. Der Wirkstoff muss einschleichend dosiert werden, die Erfolgsrate liegt bei etwa 37%, die Abbruchrate bei 66%. In therapieresistenten Fällen erfolgt ein chirurgischer Eingriff, bei dem minimal-invasiv spannungsfreie Vaginalbänder angelegt werden. Die Erfolgsquoten liegen zwischen 82 und 98%.

Verteilung der häufigsten
Inkontinenzarten
 FrauMann
allgemeine 
Prävalenz
41
Belastungsinkontinenz50%8%
Drang-
inkontinenz
20%70%
Mischform30%19%

Dranginkontinenz

Bei der Dranginkontinenz (überaktive Blase) ist der unfreiwillige Harnverlust blasenbedingt. Die Instabilität des Blasenmuskels kann durch einen Harnwegsinfekt, übertriebene Körperhygiene, Medikamente (Diuretika), Östrogenmangel, neurologische Erkrankungen (nach Schlaganfällen, bei einer Parkinsonerkrankung), durch eine Prostatahyperplasie oder Blasentumore hervorgerufen werden, aber auch ohne erkennbare Ursache auftreten. Sie ist durch Pollakisurie (Wasserlassen häufiger als achtmal täglich), imperativen Harndrang und Nykturie gekennzeichnet. Die Therapie erfolgt überwiegend medikamentös. Meist werden Anticholinergika wie Oxybutynin, Tolterodin, Trospiumchlorid, Propiverin, Solifenacin, Darifenacin und Fesoterodin eingesetzt. Der Therapieerfolg liegt bei 50 bis 70%. Unerwünschte Wirkungen wie Mundtrockenheit, Obstipation, Sehstörungen und Blasenentleerungsstörungen beeinträchtigen die Compliance, so dass nach einem Jahr nur noch etwa ein Fünftel der Patienten die medikamentöse Behandlung fortführt. In therapieresistenten Fällen kommen verschiedene Formen der Elektro- und Magnetfeldtherapie oder eine Injektion von Botulinum-A-Toxin in den Detruser zum Einsatz. Als ultima ratio können operative Interventionen wie Blasenaugmentation oder eine Harnableitung in Betracht gezogen werden.

 

Quelle

Prof. Dr. Daniela Schultz-Lampel, Villingen-Schwenningen: "Harninkontinenz: Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten". Vortrag auf dem Frühjahrskongress der LAK Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen, 14. bis 15. März 2009.

 

 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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