Aus der Hochschule

Phytopharmaka in der aktuellen Forschung

Zum zweiten Mal fand am Zentrum für Arzneimittelwissenschaften der Universität Münster ein wissenschaftliches Symposium für Nachwuchswissenschaftler zum Thema "Phytopharmaka in der aktuellen Forschung" statt. Zum Young Researcher Meeting am 13. und 14. März präsentierten Doktoranden ihre Forschungsergebnisse und diskutierten miteinander, ohne dass ihre jeweiligen Betreuer oder andere ältere Wissenschaftler sich einmischten.
Die Mariendistel (Silybum marianum) ist mehr als eine Leberdroge. Jedenfalls zeigen experimentelle Tests interessante pharmakologische Wirkungen des in ihr enthaltenen ­Silymarin bei Entzündungen und Krebs.
Foto: Sertürner

Dieses Jahr fanden sich etwa 35 Doktoranden aus ganz Deutschland ein, vornehmlich Pharmazeuten, aber auch Mediziner, Biologen und andere, die sich mit der Erforschung von Arzneipflanzen befassen. Spannend war die interdisziplinäre Beleuchtung von Fragestellungen aus der Sicht der Phytochemie, der tierexperimentellen und molekularen Pharmakologie sowie der Klinik.

Gastrointestinum

Im Vortragsblock zur Thematik "Gastrointestinum" leitete eine Präsentation zum Fäkalmetabolismus von Flavonoiden in ein hochaktuelles und bisher wenig bearbeitetes Gebiet ein: Durch Ex-vivo-Modelle mit Schweinedickdarm konnten die Abbauwege dieser Polyphenole erstmals klar definiert werden.

Die Wirkung von Inhaltsstoffen eines Phytopharmakons gegen gastrointestinale Störungen (Iberogast®) auf die Vitalität von in vitro kultivierten Darmzellen (CaCo2) zeigte deutlich, dass bestimmte Fraktionen die mitochondriale Aktivität deutlich stimulieren, was im Kontext der belegten Wirksamkeit des Präparates diskutiert wurde.

In einem anderen Vortrag ging es um die potenzielle intestinale Absorption von Curcurbitacinen in einem Zwei-Komponenten-System, bei dem keine Permeation dieser Stoffe durch die Darmwand gefunden wurde.

Zur Pharmakologie der antiemetischen Wirkung von Ingwer wurden Daten präsentiert, die eine klare 5-HT3 -Rezeptor-antagonistische Wirkung des ätherischen Öls aufzeigten, für die überwiegend das Citral verantwortlich ist.

Ein Referent befasste sich mit der Frage, ob Extrakte aus Rhabarber (Rheum rhaponticum) uterotroph wirken. Im Rattenmodell wurde eine solche Wirkung nicht gefunden, was für die Anwendung solcher Extrakte bei Wechseljahresbeschwerden positiv zu bewerten ist.

Entzündung und Spasmolyse

Im Vortragsblock "Entzündung und Spasmolyse" wurde gezeigt, dass Naturstoffe wie Silymarin oder Harpagosid Entzündungsmediatoren im Bereich von Bronchialepithelzellen deutlich beeinflussen. Auch ihr Einfluss auf die Schlagfrequenz der Zilien wurde mit Videos sehr eindrücklich dokumentiert.

Der altbekannte Naturstoff Silymarin aus Mariendistelfrüchten hat eventuell ein ganz neues therapeutisches Potenzial: Untersuchungen zeigten, dass Silymarin die Glucoseaufnahme von Zellen hemmen kann, sodass stark energieabhängige Prozesse, wie sie bei Entzündungen oder bei der Tumorproliferation auftreten, unterbunden werden.

Die Untersuchung von fraktionierten Thymianextrakten auf die isolierte Rattentrachea und die ziliäre Clearance ergab, dass das Thymol wahrscheinlich nicht für die sehr deutlich ausgeprägten antispasmodischen Effekte von Thymian verantwortlich ist.

Ein weiterer Beitrag beschäftigte sich mit dem Einfluss von Sesquiterpenlactonen auf die Botenstoffe TNF-α und Interferon-γ im Rahmen der Entstehung von Kontaktallergien.

ZNS und Mikrobiologie

Im Vortragsblock "ZNS und Mikrobiologie" wurde mittels eines Ex-vivo-Tiermodells gezeigt, dass Safranextrakt deutlich antagonistisch auf den NMDA-Rezeptor im ZNS wirkt. Diese Untersuchung bestätigt die Ergebnisse kürzlich publizierter In-vitro-Rezeptorbindungsstudien und könnte als Grundlage für klinische Studien dienen.

Die Glykogensynthasekinase spielt eine zentrale Rolle in der Pathogenese der Alzheimer-Demenz. Mittels eines entsprechenden ELISA wurde ein effektives Screening von 20 Drogen aus der TCM durchgeführt, um potenzielle Inhibitoren dieses Enzyms zu identifizieren.

Die Identitätsprüfung von TCM-Drogen im Rahmen der Qualitätskontrolle stellt immer noch ein großes Problem dar. Ein Referent berichtete über experimentelle Protokolle zur genetischen und damit zweifelsfreien Charakterisierung solcher Drogen.

In mehreren Vorträgen wurden antiadhärent wirkende Naturstoffe vorgestellt, die das Andocken pathogener Bakterien und Viren an die Zelle durch die Blockade von Oberflächenproteinen unterbinden und damit die Infektion verhindern. Beispielsweise wirken verschiedene Polyphenol-reiche Extrakte und Polysaccharide antiadhärent gegen Herpes-simplex-Virus Typ 1, Helicobacter pylori oder Porphyromonas gingivalis

Zur Untersuchung pflanzlicher Extrakte auf potenzielle genotoxische Wirkungen dient der Mikrokerntest, der in einer Präsentation erläutert wurde; dabei ist die Auswahl optimaler Zelllinien und die Optimierung der Verfahrensparameter besonders wichtig.

Im Block "Klinische Untersuchungen" präsentierten zwei Teilnehmer ihre epidemiologischen Studien, in denen sie das Verordnungsverhalten von Ärzten in Bezug auf Phytopharmaka bzw. die Einstellung potenzieller Patienten zur Phytotherapie eruiert haben.

Ferner wurden vorläufige Ergebnisse einer klinischen Studie zur Behandlung der idiopathischen zervikalen Dystonie (Schiefhals) mit einer Moorcreme vorgestellt.

Eine Vielzahl von Postern rundete die Veranstaltung ab. Insgesamt bot sich ein hochaktuelles, spannendes Programm mit intensiven Diskussionen; einmal mehr hat sich gezeigt, dass der Nachwuchs es hervorragend versteht, eigene Ergebnisse zu präsentieren, zu diskutieren und neue Ideen und Gedanken zu generieren.

Organisiert wurde die Tagung von Prof. Dr. A. Hensel und Prof. Dr. T. Schmidt (Pharmazeutische Biologie und Phytochemie, Münster), Prof. Dr. H. Winterhoff (Pharmakologie und Toxikologie, Münster) und PD Dr. A.-M. Beer (Universität Bochum). Großzügig unterstützt wurde sie durch die Firmen Cassella-med, PhytoLab, GlaxoSmithKline, Steigerwald und Dr. Loges. Die Organisatoren freuen sich jetzt schon auf das nächste Meeting 2011.


Andreas Hensel

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