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Pharma-Aktien im Visier
Bayer (Deutschland)
WKN BAY001, Börse Frankfurt
Fakten & News
Der deutsche Pharma- und Chemieriese Bayer gliedert sich in drei Sparten: Pharma, Chemie und Pflanzenschutz/Düngemittel. Im Pharmabereich gehören zu den umsatzstarken Blockbustern Yasmin (Empfängnisverhütung), Betaferon (multiple Sklerose) und Xarelto (Thrombose). Die Produktpipeline von Bayer gilt als gut bestückt und der Konzern erwartet für 2009 einen Umsatz in Höhe von 32 Mrd. Euro.
Die von Bayer veröffentlichten Zahlen zum 3. Quartal entsprachen weitgehend den Erwartungen der Analysten. Das Pharmageschäft des diversifizierten Unternehmens erwies sich als stabil, die zyklische Chemiesparte glänzte sogar mit einem Umsatzplus, nur der Bereich Pflanzenschutz/Düngemittel enttäuschte. Letztendlich stemmt jedoch der Pharmabereich mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes. Und auch in Zukunft scheint sich Bayer verstärkt Richtung Pharma auszurichten – darauf deutet auch die Berufung des Pharmaexperten Marijn Dekkers zum neuen Bayer-Chef hin. In der Pharmasparte überzeugt nach Aussagen von Experten die Entwicklung neuer Medikamente. Die Studie zum Krebsmittel Regorafenib wurde erfolgreich abgeschlossen, Nexavar (gegen fortgeschrittenen Schilddrüsenkrebs, in Zusammenarbeit mit Onyx Pharmaceuticals) steckt in der Phase III-Studie und ist bereits in vielen Ländern in der Lungenkrebs- und Nierenkrebs-Therapie zugelassen. Zu nennen ist insbesondere das neu entwickelte Thrombose-Medikament Xarelto, das nach Angaben des Konzerns mit voraussichtlich über 2 Milliarden Euro Umsatz das Zeug zum Blockbuster hat und zum wichtigsten Produkt für Bayer nach Nexavar avancieren dürfte. Merrill Lynch und Credit Suisse belassen den Wert auf "Kaufen" mit Kursziel 58 bzw. 55 Euro, Morgan Stanley und die Commerzbank sehen die Aktie ebenfalls bei 55 Euro. Die Aktie notiert aktuell bei 46,85 Euro im Xetra-Handel.
Merck KGaA (Deutschland)
WKN 659990, Börse Frankfurt
Fakten & News
Das Pharma- und Chemieunternehmen Merck KGaA gilt als ältestes pharmazeutisches Unternehmen der Welt, beschäftigt über 30.000 Mitarbeiter und wies 2008 einen Umsatz von 7,6 Milliarden Euro aus. Die Pharmasparte des Unternehmens umfasst rezeptpflichtige Marken-Arzneimittel wie zum Beispiel Erbitux (bislang zugelassen bei lokal fortgeschrittenem Kopf-Hals-Tumor und Darmkrebs) oder Rebif (multiple Sklerose) sowie zahlreiche bekannte Marken zur Selbstmedikation. Der Chemiezweig liefert unter anderem Flüssigkristalle für Displays und Effektpigmente für Industrie und Kosmetik. Der gleichnamige US-Pharmagigant "Merck Co." ist eine ehemalige Tochter der Merck-Gruppe, die allerdings seit 1917 als vollständig unabhängiges Unternehmen geführt wird.
Anlässlich der Veröffentlichung der Zahlen zum 3. Quartal sprach Unternehmenschef Kley von einem klaren Erholungstrend. Dies ließ die Börsianer allerdings unbeeindruckt. Grund: Das operative Ergebnis war um 28 Prozent gegenüber Vorjahr eingebrochen und die Erlöse und die Umsatzrendite wurden auf das Gesamtjahr nach unten revidiert. Im Detail hatte sich das Geschäft mit Flüssigkristallen zwar erholt, blieb aber rückläufig, weil die Nachfrage aus der Elektroindustrie für die Grundsubstanzen von LCD-Fernsehern und Handy-Displays geringer ausfiel. Grund zur Freude lieferte dagegen der Umsatz des Krebsmedikaments Erbitux mit einem Anstieg um 33 Prozent gegenüber Vorjahr.
Unterdessen sind aktuell zwei Vorgänge von großem Interesse: Einmal die Zulassung des MS-Medikamentes Cladribin – möglicherweise in einem beschleunigten Zulassungsverfahren – und vor allem die EU-Zulassung für das Schlüsselmedikament Erbitux bei Lungenkrebs. Hier hatte die europäische Arzneimittelbehörde EMEA im Juli eine negative Stellungnahme abgegeben, wogegen Merck Berufung eingelegt hat. Gerade die Vermarktungsmöglichkeit von Erbitux als Lungenkrebsmedikament wird für die weitere Margenentwicklung als wesentlich angesehen. Die Überlebensrate auf 5-Jahressicht liegt hier nur bei 10 Prozent und der Bedarf ist entsprechend groß.
Die Analysten sehen die Aktie überwiegend bei 70 Euro. So JPMorgan und Merrill Lynch, die sich insgesamt neutral zu diesem Wert stellen. Die Experten von UniCredit und Goldman Sachs stellen dagegen 76 Euro in Aussicht. Aktuell notiert die Aktie im Xetra-Handel bei 63,40 Euro.
Stada (Deutschland)
WKN 725180, Börse Frankfurt
Fakten & News
1895 als Apothekergenossenschaft entstanden, ist Stada heute ein weltweit tätiger Pharmakonzern und auf den Vertrieb von Generika, Präparaten der Selbstmedikation und Spezialpharmazeutika ausgerichtet. Die "Gesundheits AG", wie sich Stada selbst bezeichnet, verzichtet dabei auf kostenintensive Forschung und konzentriert sich auf Multisource Produkte – Wirkstoffe mit abgelaufenem Patentschutz. Die preiswerten "value-for-money"-Produkte werden über Vertriebsgesellschaften unter anderem auch in Asien, den USA und Russland vertrieben. Mittelfristig will das Unternehmen in das Geschäft mit Biogenerika einsteigen.
Der Konzern blickt einerseits auf ein relativ dynamisches Russland-Geschäft, erleidet aber andererseits negative Währungseffekte vor allem beim Russischen Rubel und Umsatzrückgänge am heimischen Markt durch Preissenkungen. Positiv fällt dagegen die starke Umsatzentwicklung der Stada-Tochter Cellpharm mit dem Medikament Epo-Zeta (Anämie infolge von chronischem Nierenversagen und Chemotherapie) auf.
Grundsätzlich werden dem Konzern durch den Umstand, dass bis 2013 Medikamente im Volumen von 4 Mrd. Euro ihren Patentschutz verlieren, attraktive Wachstumschancen bescheinigt. Unsicherheiten herrschen indes hinsichtlich der konkreten Auswirkungen der Rabattverträge für den Generikahersteller. Die Experten gehen davon aus, dass ein weiteres Umsatzwachstum ohne den Zukauf von Produkten und ohne Akquisitionen für Stada nicht zu machen ist. Dabei werden zwei Varianten durchgespielt: Das Unternehmen erhöht das Kapital oder wird selbst aufgekauft. Zuletzt wurde bekannt, dass Stada für den aus dem Merckle-Imperium stammenden Schweizer Generikahersteller Mepha ein Angebot abgegeben hat.
Analysten von Sal. Oppenheim, UniCredit und der Commerzbank sehen Stada auf dem aktuellen Kursniveau von 18 Euro als fair bewertet an. Merrill Lynch sieht für Stada ab 2010 wieder Wachstumspotenzial, setzt auf das Kostensenkungspotenzial. Das Kursziel wird auf 24 Euro festgelegt. Die Aktie wird aktuell mit 18,67 Euro im Xetra-Handel bewertet.
Wissenswertes
… über die Pharmaforschung in DeutschlandAuf rund 9 Milliarden Menschen soll die Weltbevölkerung laut Weltbank bis 2050 steigen. Vor allem der demografische Wandel in den aufstrebenden Wirtschaften in China, Indien, Brasilien und Russland dürften sich dabei für die globale Pharmaindustrie als Schrittmacher erweisen. Doch wie sieht es dabei mit dem Pharmastandort Deutschland aus?
In den Achtzigerjahren nannte man Deutschland noch die "Apotheke der Welt", als BASF, Bayer und Hoechst die Elite der Pharmabranche stellten. Seitdem hat der Standort Deutschland in Sachen Pharmaforschung und Entwicklung (F&E) im internationalen Vergleich an Boden verloren. Neben den Marktführern USA und Großbritannien kommt nun auch zunehmend Konkurrenzdruck aus Schwellenländern wie Indien oder China und aus Singapur.
Eine Spitzenstellung in Europa nimmt Deutschland nichtsdestoweniger bei den kommerziellen klinischen Studien ein. Bei der Produktion gentechnischer Arzneimittel liegen die deutschen Pharmaunternehmen hinter den USA bereits auf Rang zwei. Auch die Zahl der Patentanmeldungen ist im europäischen Vergleich deutlich gestiegen. Als Innovationshemmnis gelten dagegen die Kostendämpfungsmaßnahmen der deutschen Gesundheitspolitik. Exemplarisch werden hier die Einbeziehung von patentgeschützten Medikamenten in Festbetragsgruppen ("Jumbogruppen") genannt. Hier wird laut einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI) der Eindruck vermittelt, dass die Erforschung und Entwicklung von innovativen Medikamenten vom Absatz-markt Deutschland nicht entsprechend honoriert wird, was zu einer Relativierung des Patentschutzes führe und die Amortisation von Forschungsinvestitionen reduziere.
Hinzu kommt ein weiteres Hemmnis, unter dem allerdings auch andere Standorte leiden: Die Pharmakonzerne bringen immer weniger wirklich neue Medikamente auf den Markt. Die Zulassungsstatistik wird inflationiert durch identische Nachahmerpräparate oder Anwendungen bereits zugelassener Medikamente. Innovationen werden immer seltener, und das, obgleich sich die Anzahl klinischer Tests in den letzten zehn Jahren praktisch verdoppelt, die Erfolgsquote sich dabei aber halbiert hat. Die Pharmaforschung bedient sich heute moderner Massenmethoden, immer weniger Wirkstoffe kommen aus Universitäten. Doch hier scheint sich nun ein grundsätzlicher Wandel anzubahnen. Wissenschaft und Pharmafirmen rücken wieder näher zusammen. Paradebeispiel ist das Zusammenspiel von Spitzenforschern der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und Arzneimittelentwicklern am Lead Discovery Center in Dortmund. Erinnerungen werden wach an Genentech. Das US-Unternehmen hat in den 80ern gezeigt, dass sich Grundlagenprojekte und Pharmaroutine nicht ausschließen müssen. Das erste Erfolgsprodukt hieß damals Insulin, an dem die deutschen Wissenschaftler Peter Seeburg und Axel Ullrich arbeiteten. Beide sind heute übrigens Direktoren an Max-Planck-Instituten.
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