Arzneimittel und Therapie

Schwere Zwischenfälle bei Patienten mit akuter Pankreatitis

Der Einsatz von Probiotika bei Patienten mit einer akuten Pankreatitis hat in einer randomisierten kontrollierten Studie in den Niederlanden zu einer deutlich erhöhten Mortalität geführt. Als Todesursache wurde eine erhöhte Rate von Darm-Ischämien angegeben. Der genaue Pathomechanismus ist jedoch unbekannt. Probiotika könnten aber ein Risiko für Patienten mit geschwächtem Immunsystem oder schweren Grunderkrankungen darstellen.

Hintergrund für den Einsatz eines Gemisches aus Lactobacillus- und Bifidobacterium-Spezies im niederländischen Probiotics in Pancreatitis Trial (Propatria) von der Dutch Acute Pancreatitis Study Group war das Versagen von Antibiotikatherapien in früheren Studien. Antibiotika wurden dort eingesetzt, da es bei einer akuten Pankreatitis häufig zu infektiösen Komplikationen kommt. Als Ausgangspunkt dieser Infektionen wird eine starke bakterielle Besiedlung des Dünndarms, ein Versagen der Mukosabarriere und eine entzündliche Reaktion des Körpers angenommen. Wenn Antibiotika dieses nicht verhindern können, so die Idee der niederländischen Wissenschaftler, dann wäre es doch vorstellbar, dass eine positive Veränderung der Darmflora hin zu weniger pathogenen Keimen einen Vorteil bringen könnte.

Patienten mit Entzündung der Bauchspeicheldrüse

Deshalb erhielten 298 erwachsene Patienten mit Entzündung der Bauchspeicheldrüse, für die ein schwerer Krankheitsverlauf prognostiziert wurde, randomisiert und verblindet maximal vier Wochen lang zweimal täglich entweder ein Gemisch aus sechs verschiedenen Lactobacillus- und Bifidobacterium-Spezies oder Placebo, zunächst über eine nasojejunale Ernährungssonde parallel zur enteralen Ernährung, später auch per os. Als primärer Endpunkt wurde das Auftreten einer infektiösen Komplikation (infizierte Pankreasnekrose, Bakteriämie, Lungenentzündung, Urosepsis) innerhalb der dreimonatigen Nachbeobachtungszeit definiert. Die Sterblichkeit war einer von zahlreichen sekundären Endpunkten im Studiendesign.

Innerhalb kurzer Zeit kam es zu Komplikationen. Zwei Patienten mussten notfallmäßig laparotomiert werden. Bei einem kam es zu einen Darmdurchbruch im Blinddarm, beim anderen lag eine Ischämie im Dünndarmbereich vor. Beide Patienten starben. Die Studie wurde dennoch fortgesetzt.

Probiotika zur Durchfallprophylaxe

Durchfall ist eine unerwünschte Wirkung von Antibiotika. Die auftretenden Beschwerden können von geringer Befindlichkeitsstörung bis zur lebensbedrohlichen pseudomembranösen Kolitis reichen. Nicht immer liegt eine Störung der Darmflora zugrunde. Die Durchfälle können auch auf allergischen oder toxischen Wirkungen der Antibiotika beruhen. Die Häufigkeit Antibiotika-assoziierter Durchfälle ist nur wenig systematisch untersucht. In Therapiestudien mit ausgewählten Patientengruppen werden Inzidenzen zwischen 10% und 30% angegeben. Die parallel zur Einnahme der Antibiotika durchgeführte Prophylaxe mit Probiotika soll Durchfälle verhindern. Dabei sind die Mechanismen nicht geklärt. Es wird sowohl die Verdrängung pathologischer Keime und Sekretion antimikrobieller Substanzen als auch immunologische Auswirkungen wie veränderte Phagozytosetätigkeit weißer Blutzellen und ein Anstieg bestimmter Immunglobuline diskutiert.

Auch zur Therapie akuter infektiöser Diarrhöen wurde in meist kleinen Studien geprüft, ob probiotische Zubereitungen Durchfallepisoden verkürzen können: Die Dauer verringerte sich unter Probiotika gegenüber Kontrollen im Mittel um etwa einen Tag. Die Zahl der Patienten, deren Durchfall länger als zwei Tage dauert, soll durch Probiotika um etwa ein Drittel verringert werden. Bei akuten schweren Durchfällen scheinen Probiotika nicht zu wirken. Eine differenzierte Bewertung der verschiedenen Probiotika, Dosierungen und der Therapiedauer ist aufgrund der unbefriedigenden Datenlage nicht möglich.

Die Rate infektiöser Komplikationen war unter Probiotika – wenn auch nicht statistisch signifikant – erhöht (30% versus 28%). Besonders auffällig war eine deutliche, auch statistisch signifikante Erhöhung der Mortalität. Für die höhere Sterblichkeit unter der Probiotika-Therapie (24 Todesfälle vs. neun Todesfälle unter Placebo) werden Darm-Ischämien wesentlich mit verantwortlich gemacht. Die anderen Todesfälle traten infolge eines Multiorganversagens auf, einer häufigen Komplikation der akuten Pankreatitis, die ein hohes Mortalitätsrisiko hat. Im Probiotika-Arm der Studie wurden insgesamt neun Fälle von Darm-Ischämien beobachtet, die bei acht Patienten tödlich endeten. Unter Placebo wurde diese Komplikation nicht beobachtet. Das arznei-telegramm sieht seine Sicherheitsbedenken gegen die Anwendung von Probiotika durch die vorliegende Studie bestätigt. Unklar ist allerdings der Pathomechanismus, der zu den Darm-Ischämien führte und für die vermehrten Todesfälle unter Probiotika verantwortlich ist. Die Autoren vermuten, dass die Gabe von etwa zehn Milliarden Bakterien zusätzlich zur Sondennahrung den durch die Pankreatitis vorgeschädigten Darm mit ohnehin eingeschränkter Durchblutung der Darmschleimhaut überfordert haben könnten. Die Blutgefäße scheinen nicht in der Lage gewesen zu sein, den durch die Verdauung erhöhten Sauerstoffbedarf zu decken. Denkbar sei auch, dass die probiotischen Bakterien die entzündlichen Vorgänge in der Mukosa gesteigert hätten.

Auch wenn die Ursachen der erhöhten Mortalität noch nicht endgültig geklärt sind, für die niederländischen Forscher kommt der Einsatz von Probiotika bei Patienten mit akuter Pankreatitis künftig nicht mehr infrage: Sie raten von der Anwendung von Probiotika bei Patienten mit schwerer Pankreatitis ab und weisen darauf hin, dass Probiotika keine harmlosen Nahrungsergänzungen darstellen, insbesondere nicht für Patienten mit schweren Erkrankungen.

Merkmale von Probiotika

Probiotische Mikroorganismen wie Lactobacillus- und Bifidobacterium-Stämme unterscheiden sich von herkömmlichen Milchsäurebakterien unter anderem dadurch, dass sie in ausreichender Menge in aktiver Form in den Darm gelangen und dort positive gesundheitliche Wirkungen erzielen. In In-vitro-Versuchen erwiesen sie sich widerstandsfähiger gegen Magensäure und zeigten zudem ein besseres Haftvermögen an Zellen der Darmschleimhaut. Die typischen Joghurt- und Sauermilchkulturen besitzen nur ein geringes probiotisches Potenzial, da sie zum größten Teil während der Magen-Dünndarm-Passage abgetötet werden. Bei probiotischen Mikroorganismen muss es sich um eindeutig charakterisierte und identifizierbare Bakterien handeln. Die verwendeten Stämme stammen aus dem breiten Spektrum der Milchsäurebakterien humanen Ursprungs aus dem menschlichen Intestinaltrakt, da davon ausgegangen wird, dass solche Keime am besten an die Flora des menschlichen Dickdarms angepasst sind. Verwendung finden zum Beispiel die Stämme Lactobacillus johnsonii und Bifidobacterium lactis.

 

Quelle

Besselink, M.; et al.: Probiotic prophylaxis in predicted severe acute pancreatitis: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet early online publication, DOI:10.1016/S0140-6736 (08)60207-X vom 14. Februar 2008.

Akute Pankreatitis: Tödliche Darm-Ischämien durch Probiotika. Dtsch. Ärztebl. 2008; 14. Februar 2008.

Probiotika erhöhen Mortalität bei akuter Pankreatitis. blitz-arznei-telegramm 14. Februar 2008.

Pobiotika zur Prophylaxe und Therapie von Durchfällen? arznei-telegramm 2007; 38: 89-91.

 


ck

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