Arzneiporträt

Oxymetazolin

Von René Ramseger und Marion Tschaikin
Die Behandlung der akuten Rhinitis beschränkt sich bislang auf symptomatische Maßnahmen. Insbesondere werden hierzu lokal wirksame alpha-Sympathomimetika wie Xylometazolin und Oxymetazolin angewendet. Wie aktuelle Forschungsergebnisse belegen, hat Oxymetazolin über die symptomatischen Effekte hinaus auch eine antivirale Wirkung. Damit ist eine kausale Therapie der Rhinitis acuta mit Oxymetazolin-haltigen Nasensprays möglich.
Abb. 1: Plaquereduktionsassay an in vitro kultivierten Endothel­zellen.

Oxymetazolin hemmt konzentrationsabhängig die humanen Rhinoviren

HRV-14 und HRV-39.

Die akute Rhinitis ist die häufigste Infektionskrankheit des Menschen [1]. Die mit weitem Abstand häufigsten Erreger der akuten Rhinitis sind humane Rhinoviren (HRV), von denen über 100 Serotypen bekannt sind. Der zelluläre Rezeptor für ca. 90% dieser Serotypen (major receptor binding group) ist das Interzelluläre Adhäsionsmolekül-1 (ICAM-1) [2]. Für die übrigen Vertreter der Rhinoviren ist das Low-Density-Lipoprotein als Eintrittspforte bekannt (minor receptor binding group) [3].

Rhinoviren sind weltweit verbreitet. Es lassen sich jedoch, im Gegensatz zu Influenzaviren, keine regionalen Unterschiede im Auftreten der unterschiedlichen Serotypen nachweisen. Krankheitszeichen treten frühestens 16 Stunden nach Exposition auf und erreichen ihren Höhepunkt nach zwei bis drei Tagen. Die Krankheit dauert in der Regel etwa eine Woche, kann sich aber durchaus länger hinziehen. Die Symptomatik ist unspezifisch und verläuft mit den typischen Erkältungssymptomen ohne Fieber.

Eine HRV-Infektion ist oft mit schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie einer akuten Sinusitis oder Otitis assoziiert, wobei häufig Koinfektionen mit bakteriellen Erregern vorliegen. Aufgrund beschränkter prophylaktischer und therapeutischer Möglichkeiten steht bislang die symptomatische Behandlung im Vordergrund. Dabei spielt seit fast 50 Jahren das α-Sympathomimetikum Oxymetazolin (in Nasivin®) zum Abschwellen der Nasenschleimhäute eine wichtige Rolle. Die Wirkung des Imidazolderivates tritt zumeist innerhalb weniger Sekunden ein und hält bis zu zwölf Stunden an [5, 6].

Antiviral wirksam in therapeutischen Dosen

Aktuelle Untersuchungen zeigen nun eine antivirale Aktivität des Oxymetazolin-haltigen Rhinologikums, was somit die Möglichkeit einer kausalen Behandlung der akuten Rhinitis eröffnet. Oxymetazolin befreit demnach nicht nur durch seine Schleimhaut-abschwellende Wirkung von den Symptomen der Rhinitis, es bekämpft auch die Ursachen der Erkrankung – die HR-Viren.

Koelsch et al. [7] konnten exemplarisch an den Serotypen HRV-2, HRV-14 und HRV-39 aufzeigen, dass Oxymetazolin die Vermehrung dieser Virusstämme in kultivierten humanen Zellen dosisabhängig hemmt. Diese drei Serotypen gehören den beiden Hauptgruppen der Rhinoviren an (HRV-2: Hauptgruppe A; HRV-14 und HRV-39: Hauptgruppe B) und benutzen die beiden bekannten Eintrittspforten: HRV-14 und HRV-39 binden an den Rezeptor ICAM-1, während HRV-2 an den LDL-Rezeptor bindet [3].

In den Untersuchungen kamen verschiedene virologische Standard-Testsysteme zum Einsatz, z. B. der Plaquereduktionsassay mit anschließender Virustitration zur Quantifizierung der Virushemmung. Die von HRV-39 induzierte Plaquebildung wurde durch 0,1 µg/ml Oxymetazolin um 22,93 (± 9,64%) reduziert und durch 20 µg/ml Oxymetazolin sogar um 74,06% (± 14,76%) (Abb. 1).

Der getestete Konzentrationsbereich von Oxymetazolin entsprach dem therapeutischen Dosisbereich und hatte keinen zytotoxischen Effekt auf die jeweiligen Zellkulturen. Zum Vergleich: In Nasivin® ist Oxymetazolin in Konzentrationen von 0,5% (Erwachsene u. Schulkinder), 0,025% (Kleinkinder) bzw. 0,01% (Babys) enthalten. Bei einem Sprühstoß der verschiedenen Nasensprays werden 22,5 µg bzw. 11,25 µg bzw. 2,8 µg Oxymetazolin freigesetzt.

Weiterhin konnten die Forscher eine Replikationshemmung und eine Minderung der Infektionsquote durch Oxymetazolin nachweisen; im Vergleich zur unbehandelten Virenlösung betrug die Infektionsquote einer mit Oxymetazolin inkubierten Virenlösung 71,17%.

Vir(en) müssen draußen bleiben

Mithilfe durchflusszytometrischer Untersuchungsmethoden wurde der Mechanismus der antiviralen Aktivität von Oxymetazolin beleuchtet. Ergebnis der Untersuchungen ist, dass Oxymetazolin die Synthese respektive den Transport des HRV-Rezeptors ICAM-1 an die Zelloberfläche hemmt.

Damit fehlt den Viren der wichtigste Rezeptor zum Eintritt in die Nasenschleimhautzellen. Bereits 10 µg/ml Oxymetazolin reichen aus, um die Anzahl der Rezeptoren um 57,53% (± 7,44%) zu reduzieren (Messzeitpunkt: 18 h nach Zugabe von Oxymetazolin zu den Zellkulturen).

Die Ergebnisse dieser In-vitro-Studien stehen im Einklang mit den Daten einer randomisierten, plazebokontrollierten, doppelblinden, multizentrischen Studie, an der 247 Patienten mit akuter Rhinitis teilnahmen [6]. Bei der Behandlung mit dem oxymetazolinhaltigen Nasenspray Nasivin® dauerte die Rhinitis durchschnittlich vier Tage, bei der Gabe eines Nasensprays mit physiologischer Kochsalzlösung hingegen sechs Tage. Bereits ab dem zweiten Behandlungstag war die Gesamtsymptomatik (Nasenlaufen, Nasenverstopfung, Niesen, Geschmacks- und Geruchsverlust, allgemeines Befinden) in der Verumgruppe deutlich besser als in der Kontrollgruppe. Keine Unterschiede ergaben sich bei der Beurteilung der Verträglichkeit beider Therapieformen.

Die signifikante Verkürzung der Rhinitisdauer ist allein mit der symptomatischen, Schleimhaut-abschwellenden Wirkungsweise des Nasensprays nicht erklärbar. Sie erklärt sich vielmehr aus dem kausalen Therapieansatz des Rhinologikums, der auf seiner neu entdeckten antiviralen Eigenschaft beruht.

Literatur

[1] Turner RB. Epidemiology, pathogenesis and treatment of the common cold. Ann Allergy Asthma Immunol 1997;78:531–540.

[2] Abraham G, Colonno RJ. Many rhinovirus serotypes share the same cellular receptor. J Virol 1984;51:340–345.

[3] Ledford RM, et al. VP1 sequencing of all human rhinovirus serotypes: insights into genus phylogeny and susceptibility to antiviral capsid compounds. J Virol 2004;78:3663–3674.

[4] Klimek L. Die virale Rhinitis – eine häufige und keineswegs banale Erkrankung. forum HNO 2008;10:177–184.

[5] Martindale – The Complete Drug Reference – Monographs. Oxymetazoline Hydrochloride. Pharmaceutical Press, 2002.

[6] Reinecke S, Tschaikin M. Investigation of the effect of oxymetazoline on the duration of rhinitis. MMW Fortschr Med 2005;147:113–118.

[7] Koelsch S, et al. Anti-rhinovirus-specific activity of the alpha-sympathomimetic oxymetazoline. ArzneimittelForschung (Drug Research) 2007;57:475–482.


Anschrift des Verfassers:
Dr. René Ramseger
Leibnizstraße 40–42
55118 Mainz
reneramseger@gmx.net

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