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Aus der Hochschule
Coffein, Baldrian, Pfefferminzöl und Aloe
Prof. Dr. Karen Nieber erläuterte in dem Vortrag "Coffein – ein adjuvantes Analgetikum", warum es sinnvoll ist, diese Substanz zusammen mit nicht-opioiden Analgetika bei der Therapie von Kopfschmerzen zu nutzen. Klinische Studien haben gezeigt, dass Coffein in Kombination mit Analgetika deren Wirkung verstärkt. Dafür sind verschiedene Wirkungsmechanismen verantwortlich:
- Coffein hemmt die Prostaglandinsynthese, allerdings nicht wie nichtsteroidale Analgetika durch Hemmung der Cyclooxygenase, sondern durch Hemmung der Neusynthese der Cyclooxygenase; dies ist ein synergistischer Effekt.
- Coffein ist ein Adenosin-Rezeptor-Antagonist. Dadurch kann es die schmerzstimulierende Wirkung von Adenosin hemmen.
- Coffein moduliert das dopaminerge/adrenerge System, was möglicherweise zur Schmerzlinderung beiträgt.
- Coffein hemmt die Phosphodiesterase. Dadurch sinkt der Gefäßtonus und nimmt der intrakranielle Druck ab, was ebenfalls zur Verminderung von Kopfschmerzen beitragen kann.
Unabhängig von diesen Wirkmechanismen gibt es Hinweise, das Coffein die Resorptionsgeschwindigkeit von Paracetamol und die Bioverfügbarkeit von ASS nach oraler Einnahme erhöht. Nieber betonte, dass Coffein kein Suchtmittel ist und keine Abhängigkeit induziert, da es nicht das Belohnungssystem im Gehirn stimuliert.
Baldrian wirkt auf zwei Wegen
Apothekerin Kathrin Sichardt sprach über "Baldrian – was gibt es Neues zur natürlichen Einschlafhilfe". Aus der Historie ist der Einsatz von Baldrian als Anthelminthikum, Aphrodisiakum und auch als Mittel gegen die Pest bekannt, während er in der heutigen Zeit zur Behandlung von Einschlafstörungen und Unruhezuständen sowie bei gastrointestinalen Störungen angewendet wird. Tinkturen und Zubereitungen mit Trockenextrakten sind fester Bestandteil der Selbstmedikation. Wegen ihres günstigeren Interaktions- und Nebenwirkungsprofils sowie des Fehlens einer Gewöhnung sind sie den Antihistaminika vorzuziehen. Im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen stehen derzeit neben den Extrakten auch einzelne Inhaltsstoffe.
Neurotransmitter wie GABA oder Serotonin und Neuromodulatoren wie Adenosin spielen im Schlafgeschehen eine wichtige Rolle. Die nach ihnen benannten GABA-, 5-HT- und A-Rezeptoren sind die Wirkorte vieler hypnotisch wirksamer Substanzen. So übt methanolischer Baldrianextrakt einen agonistischen Einfluss an A1 -Rezeptoren aus. Dieses Ergebnis von Radioligand-Rezeptor-Bindungs-Studien wurde durch elektrophysiologische Untersuchungen an Pyramidenzellen in akuten Hirnschnittpräparaten von Ratten bestätigt. Außerdem zeigte eine In-vivo-Studie, dass besagter Extrakt die durch Coffein hervorgerufene Erregung des Herzens vermindert. Die Kombination des methanolischen Baldrianextrakts mit Theophyllin in der Asthmatherapie förderte in einer Anwendungsbeobachtung die Compliance, da der Extrakt den tachykarden Einfluss des Adenosin-Rezeptor-Antagonisten Theophyllin milderte.
Übrigens wurde für einen Inhaltsstoff des Baldrians, das Isovaltrat, ein antagonistischer Einfluss an Adenosin-Rezeptoren festgestellt. Isovaltrat gehört jedoch zu den lipophilen Valepotriaten, die in wässrigen und alkoholischen Baldrianextrakten nicht enthalten sind und nicht zu deren Wirkprofil beitragen.
Mit Ethanol und Ethylacetat erhaltene Baldrianextrakte beeinflussen das hemmende GABA-erge System. GABA selbst ist zwar in der Droge enthalten, wird aber mit den gewählten Extraktionsmitteln nicht ausgezogen und kommt somit als Wirksubstanz nicht in Betracht. Von den untersuchten Reinsubstanzen Valerensäure, Acetoxyvalerensäure und Hydroxyvalerensäure zeigte allein Valerensäure GABA-erge Effekte. Zudem agiert Valerensäure in vitro als 5-HT5A -Rezeptor-Agonist.
Sichardt kam zu dem Schluss, dass die neuen experimentellen Befunde die schlaffördernde Indikation des Baldrians bestätigen, wobei das gewählte Extraktionsmedium die Wirkungsweise bestimmt. Während an der Wirkung methanolischer Extrakte Adenosin-Rezeptoren beteiligt sind, wirken ethanolische und mit Ethylacetat erhaltene Extrakte über das GABA-erge System.
Pflanzliches beim Reizdarmsyndrom
Apothekerin Cornelia Rufke referierte über die Phytotherapie bei funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen. Sie stellte fest, dass derzeit keine kausale und kurative Therapie existiert. In der Leitlinie "Reizdarmsyndrom" der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten von 1999 werden drei Therapiesäulen definiert:
- Allgemeinmaßnahmen wie eine Ernährungsumstellung,
- Psychotherapie und
- medikamentöse Therapie.
Die beim Reizdarmsyndrom eingesetzten Substanzklassen richten sich nach der vorherrschenden Symptomatik, z. B. Anticholinergika und Muskelrelaxanzien bei Spasmen, Prokinetika bei Obstipation, Antidepressiva mit anticholinerger Wirkkomponente bei chronischen Schmerzen. Daneben werden häufig pflanzliche Arzneimittel eingesetzt.
Das Präparat Enteroplant® , das 90 mg Pfefferminzöl und 50 mg Kümmelöl enthält, wird vor allem bei blähungs- und schmerzdominanten Reizdarmpatienten eingesetzt. Pfefferminzöl wirkt spasmolytisch; es ist in der Lage, den spasmogenen Effekt von Acetylcholin zu blockieren und die Serotonin- oder Substanz-P-induzierte Muskelkontraktion zu hemmen.
Iberogast® ist ein Phytopharmakon aus neun Komponenten: Es enthält einen Frischpflanzenauszug aus der Bitteren Schleifenblume (Iberis amara) sowie ethanolische Auszüge aus Kamille, Kümmel, Melisse, Pfefferminze, Mariendistelfrüchten, Schöllkraut, Engelwurz und Süßholzwurzel. In molekularbiologischen Untersuchungen wurde eine Bindung von Iberogast® an Muscarin- (M3), Serotonin- (5-HT3 , 5-HT4), Adenosin- (A1 , A2A) und Opioid-Rezeptoren nachgewiesen. Daraus resultieren vielseitige Wirkungen. Das Präparat normalisiert die intestinale Peristaltik, wirkt spasmolytisch und entzündungshemmend, hemmt die Magensäureproduktion und verringert auch die Hypersensibilität viszeraler Nerven, eine postulierte Ursache des Reizdarmsyndroms. In klinischen Studien war Iberogast® hinsichtlich der Reduktion der Symptome signifikant wirksamer als Placebo und ebenso wirksam wie Metoclopramid.
Aloe – alte Arzneipflanze mit Zukunftspotenzial
Über "Aloe: Ethnomedizin, Kosmetikum, Nahrungsergänzungs- und Arzneimittel" referierte Prof. Dr. Johann-Wilhelm Rauwald. Einleitend nannte er die unterschiedlichen Arten der Aloe und ihre Hauptanbaugebiete und erklärte den Aufbau und die postulierte Wirkweise von Aloe-Lektin Al-1.
Die stark abführende Wirkung des aus dem Blattharz gewonnenen Aloin ist seit langer Zeit bekannt. Weitere interessante Wirkungen der Aloe sind eine Beschleunigung der Wundheilung, antibakterielle, antivirale und immunmodulatorische Effekte. Diskutiert werden auch positive Effekte bei Diabetes, Psoriasis und verschiedenen Krebsarten. Als Frischblatt kann die ganze Blatthaut mit dem inneren Gel verwertet werden. Da es sehr aufwändig ist, den Bitterstoff Aloin zu isolieren, wird für Arzneimittel, Kosmetika und Nahrungsergänzung generell das Blattinnere (Gel bzw. der Saft) der Pflanze verwendet, in seltenen Fällen die ganze Blatthaut.
Rauwald berichtete, dass sein Arbeitskreis in den letzten Jahren neuartige Inhaltsstoffe der Aloe wie Maloylglucane und Dihydroisocumarine isoliert und charakterisiert hat, die durch ihr pharmakologisches Wirkprofil für viele Indikationen interessant werden könnten.
Prof. Dr. Karen Nieber
Quelle
Pharmazeutisches Kolleg "Wirkstoffe aus der Natur – Moderne Arzneimittel" am 1. Dezember 2007 im Institut für Pharmazie der Universität Leipzig
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