Arzneiversorgung

Apotheke auf hoher See

Neue Verordnung zur Ausrüstung von Schiffen mit Arzneimitteln und Medizinprodukten
Von Thiemo Steinrücken

In der "Verordnung über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen" wird festgelegt, wie Schiffe unter deutscher Flagge mit Arzneimitteln und Medizinprodukten auszustatten sind. Am 13. September 2007 trat die dritte Änderungsverordnung in Kraft. Mit ihr wurde das bestehende Regelwerk grundlegend überarbeitet und aktualisiert.

Die Verordnung schreibt vor, dass je nach Schiffstyp, Größe und Fahrtgebiet eines Schiffes bestimmtes Personal sowie bestimmte Einrichtungen und Ausrüstungsgegenstände vorhanden sein müssen. Zum Beispiel muss auf einem Kauffahrteischiff* mit mehr als 75 Personen in der Mittleren Fahrt** ein Schiffsarzt samt Krankenschwester an Bord sein. Für die Behandlung sind in diesem Fall ein spezieller Krankenraum und ein Operationsraum vorgesehen.

* Kauffahrteischiffe sind Schiffe, die durch die Seefahrt Gewerbe betreiben (außer Fischerei-, Lotsen-, Bergungs- und Schleppfahrzeugen).

 

 
** "Mittlere Fahrt" ist die Fahrt zwischen europäischen Häfen, nichteuropäischen Häfen des Mittelmeeres und des Schwarzen Meeres, Häfen der westafrikanischen Küste nördlich von 12° nördliche Breite sowie Häfen auf den Kapverdischen Inseln und den Kanaren / Madeira, wenn sie die Grenzen der "Kleinen Fahrt" überschreitet. 

Entsprechend umfangreich ist auch der mitzuführende Arzneimittel- und Medizinproduktevorrat, der in einem genau definierten Apothekenschrank unterzubringen ist. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen; sogar dessen Maße und die Anzahl und Anbringung der Schubladen sind vorgeschrieben. Auch die Zuordnung der einzelnen Arzneimittel und Medizinprodukte zu den einzelnen Schubladen ist festgelegt. Was bürokratisch aussieht, hat einen tieferen Sinn: Da nicht auf allen Schiffen medizinisches Personal mitfährt, kann so auch für Laien nachvollzogen werden, welches Arzneimittel für welche Behandlung geeignet ist.

Behördliche Überwachung

Die Räume, die der Krankenfürsorge dienen, müssen einmal jährlich von der See-Berufsgenossenschaft überprüft werden, die Ausrüstung von den zuständigen Landesbehörden. Nach der Verordnung sind der Reeder und der Kapitän für die Ausrüstung des Schiffes mit den in der Verordnung vorgeschriebenen Arzneimitteln und Medizinprodukten verantwortlich. Die korrekte Aufbewahrung obliegt dem Schiffsarzt oder dem jeweiligen dafür verantwortlichen Offizier.

Neues Ausrüstungsverzeichnis

Die Verordnung und vor allem die Ausrüstungsverzeichnisse wurden mit dieser Änderungsverordnung grundlegend überarbeitet und auf den neuesten medizinischen Stand gebracht. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Erfahrungen der Praktiker, insbesondere die Durchführung der funkärztlichen Beratung durch das Stadtkrankenhaus Cuxhaven und die Bereitstellung der Produkte durch die Apotheken auf dem Festland. Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Arzneimittel, Medizinprodukte und Hilfsmittel wurden ebenso berücksichtigt wie der Kostenfaktor für die Reeder.

Kernstück der Änderungen ist das neu gefasste Verzeichnis der Arzneimittel, Medizinprodukte und Hilfsmittel der Krankenfürsorge auf Schiffen (Anlage Teil B der Verordnung). Das Verzeichnis ist übersichtlicher gestaltet worden und hat eine nach Haupt- und Untergruppen differenzierte Nummerierung erhalten. Die vorherige laufende Nummerierung, die es an Übersichtlichkeit fehlen ließ, wurde ersetzt.

Die wichtigsten Arzneimittelgruppen an Bord*

  • Arzneimittel gegen Erkrankungen von Atmungsorganen, HNO, Blase, Nieren, Haut, Augen, Verdauungsorganen, Herz-Kreislauf-System
  • Schmerzmittel, Beruhigungs- und Schlafmittel
  • Mittel gegen Seekrankheit
  • Antibiotika, Malariamittel, Tetanusprophylaxe
  • Arzneimittel gegen Frauenkrankheiten und zur Geburtshilfe
  • Antiallergika
  • Infusionen

* Nähere Angaben in der Anlage Teil B zur Verordnung

Auch bei den aufgelisteten Arzneimitteln wurde ein kompletter Systemwechsel vollzogen. Wo bislang nur Indikationen aufgeführt wurden, die durch Beispiele für ein Arzneimittel ergänzt wurden (etwa "Mittel gegen Seekrankheit", z. B. Dimenhydrinat), ist nun ein Standardpräparat inklusive seiner Wirkstoffstärke angegeben ("Dimenhydrinat, 150 mg Zäpfchen"). Dadurch wird die Sicherheit bei der Anwendung besser gewährleistet als zuvor, weil komplizierte Umrechnungen, die aufgrund der bisherigen Beispielsangaben erforderlich waren, künftig entfallen. Auf das Vorschreiben ganz bestimmter Arzneimittelpräparate wird jedoch – wie bisher auch – weitgehend verzichtet. Ein aus medizinischen oder gesetzlichen Gründen erforderlicher Austausch von Präparaten kann dadurch in der Praxis innerhalb des von der Verordnung vorgegebenen Rahmens weiterhin flexibel und unkompliziert durchgeführt werden.

Die Bandbreite der mitzuführenden Medizinprodukte wurde ebenfalls aktualisiert und an den Bedarf an Bord angepasst. Neben Verbandmaterial und Spritzen finden sich insbesondere chirurgische Instrumente und Diagnostika in der Liste.

Bei den Hilfsmitteln wurden veraltete Produkte gestrichen und durch moderne Hilfsmittel ersetzt, z. B. flexible Universalschienen, HWS-Immobilisationsstütze. Die nicht mehr zeitgemäße Rettungskrankentrage wurde durch eine moderne Trage mit integrierter Vakuummatratze und -pumpe ersetzt. Ebenfalls mitzuführen ist auf bestimmten Schiffen jetzt ein halbautomatischer Defibrillator. Dies hielt man aus medizinischer Sicht und nach den praktischen Bedürfnissen an Bord für angezeigt. Und last but not least: Pro Besatzungsmitglied sind fünf Kondome mitzuführen. Wenn da mal nicht der Wunsch der Vater des Gedankens war …

 

Literatur

[1] Dritte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen vom 5. September 2007, BGBl. I S. 2221; www.deutscher-apotheker-verlag.de/daz_neu/intern/download/kauffahrteischiffen.pdf.

 


Anschrift des Verfassers: 

Thiemo Steinrücken

Morseweg 22

53125 Bonn

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