Infektionskrankheiten

Chlamydien-Infektionenmit Folgen

Die genitale Chlamydien-Infektion ist die mittlerweile am häufigsten übertragene Geschlechtskrankheit in Deutschland. In Großstädten können bis zu 10% der jungen Frauen infiziert sein; etwa 80% der Infektionen verlaufen inapparent. Die Chlamydiose kann schwere Folgen wie chronische Unterbauchschmerzen oder Komplikationen in der Schwangerschaft nach sich ziehen. Häufig ist die Infektion Ursache für ungewollte Kinderlosigkeit. In der Dritten Welt lösen bei der Geburt übertragene Chlamydien Entzündungen der Binde- und Hornhaut aus, in deren Folge viele Neugeborene erblinden. Gefürchtet ist auch die Chlamydien- induzierte Arthritis.

Der Name Chlamydien leitet sich vom griechischen Wort clamis = Mantel ab und nimmt damit Bezug auf den besonderen Entwicklungszyklus dieser ungewöhnlichen Bakterien (s. Übersicht). Die größte Bedeutung unter den Chlamydien hat wohl C. trachomatis. Namensgebend für die Art ist eine in Europa seltene, in der Dritten Welt aber häufig vorkommende Entzündung der Binde- und Hornhaut des Auges. Die Infektion wird bei der Geburt von der Mutter auf das Neugeborene übertragen und kann unbehandelt beim Kind zur Blindheit führen. Weltweit ist das Trachom die häufigste Ursache für Blindheit.

In der westlichen Welt zählen Chlamydien-Infektionen zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen. Es wird geschätzt, dass allein in Deutschland etwa eine halbe Million Menschen erkrankt sind. Die durch C. trachomatis verursachten Erkrankungen lassen sich auf unterschiedliche Serotypen zurückführen: Das in den Tropen verbreitete Trachom wird durch die Serotypen A – C verursacht, die Serotypen D – K verursachen die sexuell übertragbaren urogenitalen Infektionen, aber auch Augeninfektionen und nach perinataler Übertragung Neugeborenen-Infektionen. Eine weitere, vor allem in Asien, Afrika, Südamerika und Teilen der Karibik verbreitete Geschlechtskrankheit, die Lymphogranuloma venerum oder Durand-Nicolas-Favre-Krankheit, wird durch die Serotypen L1, L2 und L3 verursacht [1].

Untersuchungen zur Durchseuchung haben gezeigt, dass schon Kinder zu etwa 5% betroffen sind, bei Erwachsenen lassen sich je nach Region und Alter bis zu 80% Infizierte nachweisen.

Als Grund für die weit verbreitete Inapparenz der Infektion werden individuelle Unterschiede im Immunsystem, eine genetisch festgelegte höhere Resistenz oder fehlende Kofaktoren für einen symptomatischen Verlauf diskutiert.

Inapparenter Verlauf

Frauen zeigen sehr häufig (bis zu 80%) keine Symptome nach einer Chlamydien-Infektion. Unspezifische Symptome wie leichter Schleimausfluss, Schmerzen beim Harnlassen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Bauchschmerzen, Zwischenblutungen oder eine Bindehautentzündung des Auges (Konjunktivitis) sollten auf jeden Fall ernst genommen werden, zumal, wenn sie gemeinsam auftreten. Neben einer Urethritis können als Folge einer Chlamydien-Infektion auch Bartholinitis, Salpingitis (Entzündung der Eileiter), Zervitis (Entzündung des Gebärmutterhalses) und andere Entzündungen des Urogenitaltraktes auftreten. Auch Männer zeigen häufig keine spezifischen Symptome: Eine nichtgonorrhoische Urethritis (NGU) oder postgonorrhoische Urethritis (PGU) nach der Therapie einer Gonorrhoe bei Mischinfektionen mit C. trachomatis können sich durch Schmerzen beim Harnlassen, Hodenschmerzen, eine Entzündung um die Penisöffnung herum oder eventuell Schleimausfluss manifest machen. Weitere Entzündungen können Hoden, Nebenhoden und Prostata betreffen. Wie bei Frauen können auch Bindehautentzündungen des Auges auftreten.

Chlamydien – Exoten unter den Bakterien

Chlamydien galten lange Zeit als Viren und wurden erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts den Bakterien zugeordnet. Die Ordnung Chlamydiales zählt zu den Eubakterien, den "echten" Bakterien, hat aber nur eine entfernte Verwandtschaft zu anderen Arten dieser Gruppe. Zur Familie der Chlamydiaceae mit den Gattungen Chlamydia und Chlamydophila gehören drei humanpathogene Formen: Chlamydia trachomatis, der Erreger der genitalen Chlamydien-Infektion, Chlamydophila pneumoniae, der hauptsächlich Lungenentzündungen hervorruft und Chlamydophila psittaci, der Erreger der Psittakose ("Papageienkrankheit").

Chlamydien sind gramnegativ und unbeweglich. Ihre Zellwand enthält nicht die für andere Bakterientypische Peptidoglycan-(Murein-) Schicht, und sie sind nicht in der Lage, ATP zu synthetisieren. Sie leben obligat intrazellulär und sind auf die ATP-Synthese des Wirtes angewiesen. Charakteristisch ist ein komplexer Reproduktionszyklus, der aus zwei Formen besteht:

  • Elementarkörperchen (EK): Durchmesser 0,2 – 0,4 μm; extrazellulär und infektiös
  • Retikularkörperchen (RK): intrazellulär und nichtinfektiös

Die Elementarkörperchen können sich beispielsweise an Epithelzellen des Urogenital- oder Respirationstraktes anheften und auf diese Weise Wirtszellen infizieren. Nach der Aufnahme in die Zelle wandeln sich die Elementarkörperchen innerhalb von etwa 8 bis 12 Stunden in die Retikularkörperchen um. Diese vermehren sich innerhalb der Wirtszelle und werden von einer Membran umhüllt. So entstehen "Einschlusskörperchen". Offensichtlich werden beim Aufbau der Hüllmembran Lipide der Wirtszelle verwendet, die eine Erkennung des Einschlusskörperchens als Fremdkörper verhindern. Nach 24 bis 36 Stunden wandeln sich die Retikularkörperchen wieder in Elementarkörperchen um, die zunächst noch im Einschlusskörperchen verbleiben, dann aber schließlich nach ungefähr 40 bis 48 Stunden freigesetzt werden und weitere Zellen infizieren können [1,2].

Diagnostik – häufig ein schwieriges Problem

Für die Chlamydien-Diagnostik gilt, dass der Direktnachweis die Methode der Wahl ist, auch wenn das Bakterium wegen seiner obligat intrazellulären Lebensweise nicht auf gängigen Nährmedien gezüchtet werden kann. Durch einen Abstrich vom Gebärmutterhals (Zervixabstrich) bei der Frau oder einen Harnröhrenabstrich beim Mann kann vielfach ein direkter Erregernachweis erhalten werden. Die Sensitivität der Methode ist ausschlaggebend dafür, ob auch tatsächlich alle vorhandenen Infektionen nachgewiesen werden. Die angebotenen "Schnelltests" leiden zumeist unter zu geringer Empfindlichkeit, sodass häufig falsch negative Ergebnisse erhalten werden. Molekularbiologische Amplikationsverfahren wie PCR (polymerase chain reaction) oder LCR (ligase chain reaction) besitzen die höchste Sensitivität und Spezifität, können aber dennoch ebenfalls zu falsch negativen Ergebnissen führen.

Die Anzucht der Bakterien erfolgt in der Zellkultur. Mit einem Antigen-Nachweis durch ELISA oder durch einen Immunfluoreszenztest können falsch positive Ergebnisse erhalten werden [1]. Aufgestiegene Erreger, die sich bereits in den Eileitern befinden und auch über einen längeren Zeitraum permanent krankhafte Reaktionen verursachen, sind mit dem direkten Nachweis meistens nicht mehr zu erfassen. Auch beim Mann können Chlamydien bei aufgestiegenen Infektionen durch einen Harnröhrenabstrich oder aus dem Urin häufig nicht mehr nachgewiesen werden [3].

Wegen der Problematik eines direkten Erregernachweises kann ein indirekter Antikörpernachweis weitere Informationen darauf liefern, in welcher Erkrankungsphase sich die Patientin bzw. der Patient befindet. Nahezu beweisend für eine frische, noch floride Infektion mit Chlamydien ist der Nachweis von Chlamydien-spezifischen IgM-Antikörpern. IgG-Antikörper können auch bei erfolgreich behandelten und ausgeheilten Chlamydien-Infektionen noch sehr lange nachweisbar sein. Hohe Chlamydien-IgA-Antikörper deuten auf eine noch vorhandene Infektion hin. Die Ergebnisse der Antikörper-Bestimmung entscheiden, ob und wie lange behandelt werden soll.

Chlamydien-Selbsttest

Derzeit wird in Großbritannien ein Chlamydien-Selbsttest in Form eines Abstrichs entwickelt. Erste Studien zeigen, dass der Selbstabnahmetest, der bereits in großen Studien getestet wird, genauso sicher (oder unsicher!) ist wie der Abstrich durch den Arzt.

Eine neuere diagnostische Methode ist die Bestimmung von Antikörpern gegen chlamydiale Heat Shock Proteine (cHSP). Heat Shock Proteine kommen als Schutz und zur Aufrechterhaltung des Stoffwechsels in den Zellen aller Organismen vor; bei Stress durch Außenreize wird ihre Bildung häufig stark gesteigert. Persistierende oder erneute Chlamydien-Infektionen können durch die Immunantwort des Wirtes gewebszerstörende Auswirkungen haben. Dies betrifft zunächst die Kinozilien im Epithel, das den Eileiter auskleidet; im fortgeschrittenen Stadium kann es dann zu einem vollständigen Tubenverschluss und damit zur Tubenfaktor-Infertiliät (TFI) kommen. Die Bestimmung der Antikörper gegen cHSP hat einen hohen Aussagewert zu diesem Geschehen.

Koinfektionen sind häufig

Gleichzeitig mit der Untersuchung auf Chlamydien soll auf andere sexuell übertragbaren Krankheiten untersucht werden. Lues (Syphilis), Gonorrhoe (Tripper), Trichonomaden, Ureaplasmen und Gardnerellen finden sich oft gleichzeitig. Die Chlamydien-Infektion ist nicht meldepflichtig. Die Diagnostik (und ggf. auch die Therapie) sollten in jedem Fall den Partner einbeziehen, da durch den "Ping-Pong-Effekt" die Gefahr einer erneuten Infektion besteht.

Rezidive trotz Antibiotika

Zur Therapie von Chlamydien-Infektionen werden vorrangig Tetrazykline (Tetracyclin, Doxycyclin) und Makrolid-Antibiotika (Erythromycin, Clarithromycin, Azithromycin, Roxithromycin), gelegentlich auch Chinolone (Ciprofloxacin, Ofloxacin) eingesetzt. Die Therapiedauer ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung und vom Krankheitsverlauf. Resistenzentwicklungen sind bislang nicht bekannt geworden, es treten allerdings trotz einer Therapie mit Antibiotika Rezidive auf, die gelegentlich mehrere antibiotische Kuren erfordern. Auch bei einer ausgeheilten Erkrankung besteht kein dauerhafter Schutz gegen eine erneute Chlamydien-Infektion.

Problem Arthritis

In der Rheumatologie ist C. trachomatis bedeutsam als Auslöser der Chlamydien-induzierten Arthritis, einer Erkrankung aus der Gruppe der sogenannten infektreaktiven Arthritiden. Häufig findet man auch eine Zuordnung zu den sexuell übertragenen Arthritiden (SARA = sexually aquired reavtive arthritis). Diese Erkrankung tritt bei Männern häufiger auf als bei Frauen.

Nach einem Abklingen der Symptome im Urogenitalbereich und einem beschwerdefreien Zeitraum von ein bis drei Wochen tritt eine akute Gelenkentzündung auf, wobei vor allem Gelenke in der unteren Körperhälfte betroffen sind (vorzugsweise Knie-, aber auch Sprunggelenke oder Zehengelenke). Sind die Zehengelenke betroffen, kommt es oft nicht nur zu einer Entzündung einzelner Gelenke, sondern des ganzen Zehs (Daktylitis). Allerdings können Chlamydien-induzierte Arthritiden auch ganz anders verlaufen. So gibt es Chlamydien-induzierte Arthritiden, die sich von ihren Symptomen her von einer chronischen Polyarthritis zunächst kaum unterscheiden lassen.

Die Diagnose einer Chlamydien-induzierten Arthritis erfolgt am sichersten durch den Nachweis der Erreger, die aber im Gelenk selbst nicht nachgewiesen werden können.

Kinderlosigkeit als Folge einer Chlamydiose

Der Zusammenhang zwischen Chlamydien-Infektionen und einem erhöhten Risiko für Eileiterschwangerschaften und Frühgeburten ist erwiesen. Aufgrund einer lang andauernden Eileiterentzündung kann es zur Unfruchtbarkeit kommen, Es wird geschätzt, dass 15% aller Paare in Deutschland ungewollt kinderlos sind. Die Ursache liegt zu jeweils 40% bei einem der beiden Partner, für 20% der Fälle ist sie unklar. Etwa 600.000 Frauen im gebärfähigen Alter sind in Deutschland steril oder infertil, das sind ungefähr 6%. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Viertel dieser Frauen keine Kinder bekommt, weil als Indikation eine Tubenpathologie vorliegt. Bei einem Tubenverschluss liegt in mehr als 90% der Fälle eine Infektion mit Chlamydia trachomatis vor; das bedeutet, dass weit über 100.000 Frauen in Deutschland aufgrund einer persistierenden Chlamydien-Infektion kinderlos sind oder sich zur Erfüllung des Kinderwunsches entsprechenden therapeutischen Maßnahmen unterziehen müssen.

Seit Anfang April dieses Jahres können sich Frauen unter 25 Jahren auf Chlamydien testen lassen; die Kosten für diese Untersuchung übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung.

 

Literatur

[1] www.rki.de 

[2] Brunham, RC, Rey-Ladino, J: Immunology of Chlamydia infection: implications for a Chlamydia trachomatis vaccine. Nature Rev Immunol 2005; 5, 149–161.

[3] medac GmbH: Ungewollte Kinderlosigkeit durch Chlamydia-trachomatis-Infektionen. Wedel (2007). 

 


 

Anschrift des Verfassers:
Dr. Hans-Peter Hanssen
Universität Hamburg
Institut für Pharm. Biologie 
und Mikrobiologie
Bundesstr. 45
D-20146 Hamburg

 

 

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