Doping

Warum unsere Sportler "sauber" sein müssten

Einblick ins internationale Dopingreglement und Maßnahmen der Antidopingagentur
Von Helga Blasius

Viele DAZ-Leser werden in diesen Tagen viel Zeit vor dem Fernseher verbringen, um sich die Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen in Peking anzuschauen. Sicherlich häufig mit gemischten Gefühlen. Nie zuvor wurde dieses sportliche Megaevent so nachhaltig von Dopingspekulationen begleitet. Wir geben einen kleinen Einblick in das internationale Dopingreglement und in die wesentlichen Maßnahmen der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA), die sicherstellen sollen, dass unsere Sportler "sauber" sind und bleiben.

 

Sowohl sportrechtlich als auch arzneimittelrechtlich ist hierfür die Liste der Welt Anti Doping Agentur (WADA Verbotsliste) maßgeblich. Sie wird jährlich aktualisiert, um zeitnah auf neue Entwicklungen im Doping reagieren zu können. Die hiernach vom Dopingverbot erfassten Stoffgruppen sind folgendem Kasten zu entnehmen.

Gliederung der WADA-Verbotsliste

Stand: 1. Januar 2008*

In und außerhalb von Wettkämpfen verbotene Wirkstoffe und Methoden:

verbotene Wirkstoffe

S1. anabole Wirkstoffe

S2. Hormone und verwandte Substanzen

S3. Beta-2-Agonisten

S4. Hormon-Antagonisten und Modulatoren

S5. Diuretika und andere Maskierungsmittel

Verbotene Methoden

M1. Erhöhung des Sauerstofftransfers

M2. chemische und physikalische Manipulation

M3. Gendoping

Im Wettkampf verbotene Wirkstoffe und Methoden:

zusätzlich zu den Kategorien S1 bis S5 (Wirkstoffe) und M1 bis M3 (Methoden)

Verbotene Wirkstoffe

S6. Stimulanzien

S7. Narkotika

S8. Cannabinoide

S9. Glucocorticosteroide

Bei bestimmten Sportarten verbotene Wirkstoffe

P1. Alkohol

P2. Betablocker

 

Spezielle Substanzen

*Substanzspezifische Ausnahmen sind hier nicht ausgewiesen.

Komplette Liste unter: www.nada-bonn.de/downloads/ listen/Verbotsliste WADA 2008 - Deutsch

Anabolika, Hormone

In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die Dopingszene vor allem in den Kraftsportarten im Wesentlichen von der Einnahme von Anabolika geprägt. Sie sind heute auch im Breitensport, vor allem im Fitness- und Bodybuilderbereich stark verbreitet. Im Hochleistungssport ist Experteneinschätzungen zufolge die Gruppe der Hormone und verwandten Wirkstoffe an die Stelle der Anabolika getreten. In diese Gruppe gehören das in Ausdauersportarten "beliebte" Erythropoietin (Epo) und seine Weiterentwicklungen sowie Wachstumshormon (hGH) und das ebenfalls unlängst in die Dopingschlagzeilen geratene Insulin. Da diese im Wesentlichen vom Körper auch selbst hergestellt werden können, sind sie erheblich schwerer nachweisbar.

Neue Gefahren durch Gendoping

Daneben gerät das Gendoping zunehmend in die Experten- und auch die öffentliche Diskussion. Verboten ist es bereits jetzt, aber es gibt noch keine verlässliche Evidenz, inwieweit es tatsächlich praktiziert wird. Die wahrscheinlichen Ansatzpunkte eines möglichen Gendopings liegen nach einer neueren Erhebung in den drei physiologischen Bereichen Sauerstoffversorgung, Skelettmuskulatur und Energiebereitstellung und deren molekularer Regulation. Die besonderen Gefahren des Gendopings werden darin gesehen, dass hiermit neben den wenigen bislang zugelassenen therapeutischen Verfahren und Arzneimitteln auch Substanzen aus klinischen Studien und in noch niedrigeren Entwicklungsstufen für einen Dopingmissbrauch eingesetzt werden. Befürchtet wird ein völlig unkontrollierter Einsatz, der mit unabsehbaren Gesundheitsrisiken verbunden sein könnte [1].

Spezielle Wirkstoffe

Für die Dopingdefinition kommt es nicht darauf an, ob die Anwendung freiwillig oder unfreiwillig, absichtlich oder unabsichtlich erfolgt. Die Athleten müssen daher sorgfältig darauf achten, dass sie sich vor der unbeabsichtigten Einnahme verbotener Substanzen schützen, denn die Verantwortung dafür, dass bei einer Dopingprobe eine verbotene Substanz gefunden wird, können sie auf niemanden abwälzen. Sollte wirklich einmal eine medizinische Behandlung mit einem verbotenen Wirkstoff nötig sein, so können die Athleten hierfür in Ausnahmefällen eine Befreiung beantragen (Therapeutic use exemption, TUE). Solch eine Befreiung wird allerdings nur in Fällen von klarer und zwingender medizinischer Notwendigkeit gewährt.

Nahrungsergänzungen

Die Einnahme von Nahrungsergänzungen mit oft intransparenten Zusammensetzungen aus dem Ausland birgt ein weiteres Risiko: Sie können dem Dopingverbot unterliegende Steroidhormone bzw. deren Vorläufersubstanzen enthalten, ohne dass dies aus den Herstellerangaben ersichtlich ist. Untersuchungen des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln haben diesbezüglich vor einigen Jahren für viel Furore gesorgt [2]. Auch ausländische Präparate, die z. B. unter den Namen Chrysin, Guarana, Tribulus Terrestis kursieren, können dem Dopingverbot unterliegende Wirkstoffe enthalten. Die Nationale Anti Doping Agentur warnt daher eindringlich vor der Anwendung solcher Mittel.

Dopingkontrollen

Dopingkontrollen sind sicher das Element innerhalb des Katalogs der Maßnahmen zur Dopingbekämpfung mit der größten Abschreckwirkung auf die Athleten. In Deutschland wird die Durchführung solcher Kontrollen nach Maßgabe des Doping-Kontroll-Systems (DKS) geregelt. Dopingkontrollen finden

  • nach Wettkämpfen (in competition testing) und
  • außerhalb der Wettkämpfe als Trainingskontrollen (out of competition testing) statt.

Trainingskontrollen sind zwar international anerkannt, aber wegen der teilweise erheblichen Verweigerungshaltung einzelner Staaten leider immer noch nicht weltweit implementiert. Im Gegensatz zu Wettkampfkontrollen wird bei Trainingskontrollen laut Vorgabe der Dopingverbotsliste nur auf einige Gruppen verbotener Substanzen und auf verbotene Methoden geprüft. In Deutschland werden jährlich rund 4000 Trainingskontrollen durchgeführt. Im Jahr 2008 soll die Zahl auf 9000 gesteigert werden. Ihre Durchführung wird von der NADA organisiert.

Engmaschige Meldepflicht

Die in das Kontrollsystem einbezogenen Athleten können zu jeder Zeit und an jedem Ort getestet werden. Um für unangekündigte Dopingkontrollen erreichbar zu sein, müssen die Sportler daher der NADA regelmäßig eine Reihe von Angaben zu ihrem Aufenthaltsort machen ("whereabout-information") und diese bei Änderungen aktualisieren. Hinzu kommen die Meldeverpflichtungen bei Abwesenheit von dem gemeldeten gewöhnlichen Aufenthaltsort. Die Spitzenathleten des Nationalen Testpools, das heißt auch die Athleten, die nach Peking fahren, müssen die NADA informieren, wenn sie dort länger als 24 Stunden nicht erreichbar sind. Da Verstöße gegen diese Pflichten als Dopingverstöße gewertet und entsprechend sanktioniert werden können, sind klare Regelungen erforderlich, vor allem für den Fall, dass die Dopingkontrolleure einen Athleten nicht antreffen (missed test policy der NADA, Stand vom 1. Juli 2007). Entsprechende Fälle haben gerade in der letzten Zeit für erhebliches Aufsehen gesorgt.

Weitere Maßnahmen

Die Bekämpfung des Dopings nur auf die verschärfte Kontrollen zu reduzieren, wäre jedoch sicher zu kurz gegriffen. Zum einen müssen sich die Sportler gegenüber ihren Verbänden im Rahmen der Athletenvereinbarung verpflichten, nicht zu dopen, zum anderen gibt es zahlreiche Maßnahmen auf dem Gebiet der Aufklärung und der Prävention. Auch die Deutsche Sporthilfe, die in den vierzig Jahren ihres Bestehens zahlreiche Medaillengewinner bei internationalen Meisterschaften und Olympischen Spielen gefördert hat, verleiht der Dopingbekämpfung neuerdings noch mehr Nachdruck. Sie nimmt den geförderten Sportlern seit 2007 den deutschen Sporthilfeeid ab, der unter anderem das Versprechen beinhaltet: "Ich werde niemals dopen und in meinem Umfeld gegen jede Art des Dopings und der Leistungsmanipulation Stellung beziehen."

Warum dopen die Sportler?

Laut Aussagen von Spitzensportlern scheint die Motivation für Doping derzeit einen Wandel durchzumachen. Während früher "offensives Doping” betrieben wurde, um sich einen Vorteil zu verschaffen, gilt heute eher das "defensive Doping”, das darauf abzielt, einen Nachteil auszugleichen, so die Einschätzung. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Konkurrenten überwiegend ebenfalls dopen. Insider des Spitzensports lassen gelegentlich verlauten, dass spektakuläre Entdeckungen und Dopinggeständnisse ohnehin nur die Spitze des Eisbergs darstellen.

Die Rolle der Sportfunktionäre und der Öffentlichkeit

Aber auch Sportfunktionäre und Sportkonsumenten tragen sportsoziologischen Betrachtungen zufolge zu dieser unguten Entwicklung bei. Die Einstellung breiter Bevölkerungskreise zum Doping ist zwiespältig. Sieger und Rekordbrecher werden frenetisch gefeiert, ungeachtet dessen, wie ihre herausragenden Leistungen möglicherweise zustande gekommen sind, ertappte Dopingsünder demgegenüber wie Aussätzige behandelt. Scheinheiligkeit ist aber nicht nur ein Problem des "normalen Sportkonsumenten", der schließlich kein Mittelmaß, sondern Topleistung sehen möchte, sondern auch eines der Sportfunktionäre und Verbände, die die Erfolge ihrer Schützlinge aus Prestigegründen und zu ihrer eigenen Legitimation dringend brauchen. So ist die Versuchung groß, einen Topstar, der mit unerlaubten Mitteln nachgeholfen hat, zu decken, weil seine Entlarvung für alle Beteiligten am Ende nur Nachteile mit sich brächte.

 

Quelle

[1] Bundesministerium des Innern. Abschlussbericht Projektgruppe Sonderprüfung Doping vom 19. Dezember 2007. www.bmi.bund.de/Internet/Content/Common/Anlagen/Broschueren/2007/Abschlussbericht__Doping,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Abschlussbericht_Doping.pdf

[2] Geyer, H.; Schänzer, W.: Dopingrisiken durch Nahrungsergänzungsmittel. Leistungssport 2002(32):54-55.

 


Anschrift der Verfasserin

Dr. Helga Blasius, 
Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, 
Eifelweg 40, 
53424 Remagen, 
elga.blasius@web.de

 

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