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"Unser Ziel: als selbstständige Apotheker überleben!"

FRANKFURT (diz). Rund 70 Prozent aller Apotheken in Deutschland haben sich einer oder sogar mehrerer Kooperationen angeschlossen. Sie versprechen sich davon Einkaufsvorteile, aber auch Unterstützung in Marketingfragen und eine Stärkung des Apothekenauftritts. Während einige Kooperationen eher weniger das Erscheinungsbild einer Apotheke mitprägen, ist eine Apotheke, die sich der Linda-Kooperation angeschlossen hat, auch bei den Kunden als "Linda-Apotheke" wahrnehmbar. Wo setzt diese Kooperation, die eine der größten in Deutschland ist, ihre Schwerpunkte, welche Richtung schlägt sie in der Zukunft ein? Wir sprachen mit Wolfgang Simons, Präsident, und Ulrich Ströh, Vizepräsident vom Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA). Eine Mitgliedschaft im MVDA, der der Pharmagroßhandlung Phoenix nahe steht, ist die Voraussetzung für die Teilnahme an der Linda-Kooperation.
MVDA-Präsident Wolfgang Simons
Foto: mvda

DAZ: Herr Simons, sind Sie zufrieden mit der Entwicklung der Apothekenkooperation Linda?

Simons: Mit der Entwicklung von Linda sind wir zufrieden. Die Zuwachszahlen steigen zwar langsam an, aber sie steigen. Wir haben derzeit knapp 1500 Mitglieder. Pro Monat kommen drei bis vier Mitglieder dazu. Weiterhin sehr begehrt ist die Teilnahme beim MVDA. Unsere Regelung besagt, dass eine Mitgliedschaft im MVDA die Voraussetzung ist für die Teilnahme an der Linda-Kooperation.


DAZ: MVDA ist also die Grundvoraussetzung und ob man dann bei Linda mitmacht, ist nicht zwingend und bleibt jedem selbst überlassen?

Simons: Ja, das bleibt jedem selbst überlassen. Wir sind ja auch die einzige Kooperation, bei der Sie von heute auf morgen aussteigen können. Wir halten niemanden mit starren Verträgen, sondern arbeiten mit Überzeugung. Das Wort Knebelvertrag kennen wir nicht. Hinter unserem Konzept stehe ich voll und ganz. Linda hat mittlerweile einen Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung von 20 Prozent. Das ist enorm viel.


DAZ: Was ist, wenn ein Linda-Apotheker seine Einrichtung auf das Linda-Design umgestellt hat und aussteigen will?

Simons: Wenn er aussteigt, darf er natürlich Logo und Design nicht mehr verwenden, der Lizenzvertrag wird dann hinfällig. Er kann dann auch nicht mehr am Payback-System teilnehmen.


DAZ: Also, volle Zufriedenheit mit der Linda-Entwicklung?

Simons: Wir haben zwar schon viel erreicht, aber wir haben noch nicht ganz das erreicht, was wir uns zum Ziel gesetzt haben: Wir wollen aktiv den Markt der selbstständigen Apotheker gestalten. MVDA und Linda haben sich in den letzten zehn Jahren politisch so klug verhalten wie keine andere Gruppe.


DAZ: Wie meinen Sie das? Könnten Sie uns das näher erläutern?

Simons: Wir wollten nie etwas zerstören, sondern immer nur etwas bewahren, nämlich das, was es wert ist, bewahrt zu werden: den Apotheker in seiner Apotheke mit einer hohen Qualität. In eine deutsche Apotheke zu schauen, kann das wahre Vergnügen sein, es kann einem aber auch das Grausen kommen. Schuld daran ist das Selbstverständnis des selbstständigen Apothekers. Hier müssen einige Apotheken noch daran arbeiten.


DAZ: Sie sind nicht alleine am Markt, es gibt Konkurrenten von Linda? Wie sehen Sie Ihre Kooperation vor diesem Hintergrund?

Simons: Die Konkurrenz, die wir im Markt haben, ist uns eigentlich gar nicht so unlieb. Denn so können wir uns vergleichen. Da stellen wir fest, dass wir die Nase immer vorne haben und dass wir mit der Entscheidung zur Qualität die richtige Entscheidung getroffen haben.


MVDA-Vizepräsident Ulrich Ströh
Foto: mvda

DAZ: Auf den Punkt gebracht, Herr Ströh, Herr Simons: Warum sollte ich als Apotheker Mitglied bei Linda werden und nicht bei einer anderen Kooperation? Was ist das Besondere, das Einzigartige an der Mitgliedschaft bei Linda?

Ströh: Wenn ich mir als Apotheker das Spektrum der unterschiedlichen Kooperationen so ansehe, dann ist für mich ausschlaggebend, dass ich bei Linda Freiheiten habe. Linda ist für mich ein Qualitätssiegel. Unsere Stärke ist die letzte Meile, das kann uns keiner nehmen. Diese letzte Meile müssen wir für uns entscheiden. Wenn wir das schaffen, dann hat auch die inhabergeführte Apotheke auf alle Fälle eine Zukunft. Das setzt voraus, dass ich einen guten Auftritt nach außen habe, auch im Umgang mit dem Patienten. Das heißt selbstverständlich Beratung und Information, das heißt aber auch Empathie und Zeit für den Kunden. Die Chance innerhalb einer Kooperation bedeutet für mich, Informationen und Anregungen zu bekommen und sie in meiner Apotheke zu testen und umzusetzen. Ich bin seit 2004 bei Linda dabei. Die Patienten nehmen das wahr und wenn sie fragen, was denn Linda sei, verweise ich darauf, dass wir ein Qualitätssiegel haben. Linda steht für Qualität. Der Kunde nimmt z. B. auch unsere Kundenzeitschrift wahr, die mittlerweile zur Nummer zwei im Markt der Kundenzeitschriften aufgestiegen ist. Er nimmt den gepflegten Auftritt meiner Mitarbeiter wahr und vieles mehr. Das gehört einfach dazu. In meiner Apotheke wird das Linda-Konzept gelebt.

Simons: Wir versuchen als Kooperation unseren Mitgliedern alles anzubieten und sie können daraus auswählen, was sie gerne nutzen wollen. Es gibt natürlich einige Grundvoraussetzungen, aber mit vielen Freiheiten. Wir bieten zum Beispiel Aktionen an und vieles mehr, an denen der Apotheker teilnehmen kann, aber nicht muss. Wie gesagt, wir wollen unsere Mitglieder davon überzeugen. Im Grunde haben wir nur eins, nämlich die Idee, als selbstständige Apotheker zu überleben. Ich weiß noch nicht, ob wir das schaffen, aber ich werde alles dafür einsetzen, dass wir es schaffen.


DAZ: Sie sprachen vom Qualitätssiegel Linda. Können Sie das ein wenig näher erläutern? Welche Anforderungen muss denn eine Apotheke erfüllen?

Simons: Auf jeden Fall muss eine Linda-Apotheke zertifiziert sein.

Ströh: Dazu stehe ich auch, denn ich stelle fest, dass zum Beispiel die Ergebnisqualität in meiner Apotheke besser geworden ist. Man kann natürlich viel über eine ISO-Zertifizierung streiten, aber wenn man überzeugt ist, dass eine Apotheke Qualität bieten muss, führt kein Weg daran vorbei. Oder die Einführung des Kundenbindungssystems Payback, das für mich ein intelligentes System ist, oder die Zertifizierung als seniorengerechte Apotheke durch die BAGSO, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen. Zur Qualität gehört für mich das, was sich im unmittelbaren Kundengespräch abspielt. Dazu gehört für mich auch Diskretion. Man kann Diskretion nicht verordnen, man muss sie leben.


DAZ: Kontrollieren Sie Ihre Mitglieder, ob sie den Qualitätsanforderungen entsprechen, ob sie die Qualität leben?

Ströh: Wir kontrollieren nicht, wir wollen überzeugen. Würde eine Apotheke auffällig, dann schicken wir unseren Außendienst vorbei und sprechen mit dieser Apotheke. Wir setzen auf Überzeugungsarbeit.


DAZ: Sie hatten es bereits erwähnt, Stichwort Payback-Programm. Da gab es vor einiger Zeit einige Turbulenzen, da Payback im Apothekenbereich nicht mehr exklusiv mit Linda zusammenarbeiten wollte. Wie ist hier der Stand der Dinge?

Simons: Wir haben es nicht geschafft, wie von den Marktpartnern gefordert, 2000 teilnehmende Apotheken in einem bestimmten Zeitraum hierfür zu gewinnen. Wir haben jedoch diese Irritationen ausgeräumt, wir sind nach wie vor dabei und arbeiten mit Payback zusammen.

Ströh: Natürlich konnten wir auch einige Apotheker nicht davon überzeugen, zumal es ja auch Gebühren kostet, daran teilzunehmen. Doch auch hier: Es kommt darauf an, wie Payback gelebt wird, wie es den Kunden angeboten wird. Es setzt voraus, dass ich die Kunden nach der Karte frage und die Payback-Punkte anbiete.

Simons: Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit anmerken, dass das Payback-System von einigen anfangs kritisch gesehen wurde so in Richtung unzulässige Rabattgewährung. Da kann ich nur auf Missstände in anderen Bereichen verweisen, beispielsweise die Gutscheinaktionen bei Schlecker: für jedes auf Rezept bezogene Arzneimittel erhält der Kunde drei Euro. Wenn er zum Arzt geht und vorgibt, Rückenschmerzen zu haben, erhält er drei Arzneimittel verordnet, für die er bei Schlecker einen Gutschein über insgesamt neun Euro erhält. Dafür kann er seinen Drogeriebedarf für fast einen Monat decken. Das ist doch eine Verballhornung des Gesundheitswesens! Ich frage mich, wo ist hier das Ministerium? Das gibt es in keinem Gesundheitswesen der Welt, dass ich für den Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln Gutscheine erhalte.


DAZ: Linda tritt mittlerweile nach außen als starker Verbund auf, beispielsweise über das einheitliche Design, über Fernsehwerbung, die dem Laien fast schon suggeriert, es handle sich um eine Kette. Ist das denn so beabsichtigt? Wie werden denn diese Aktivitäten von ihren Mitgliedern gesehen?

Simons: Nein, das ist so nicht gewollt, Ich glaube aber auch nicht, dass man dies draußen so sieht. Ich denke, dass es da ganz andere Gruppierungen im Markt gibt, die dem Kettengedanken Vorschub leisten. Ich denke hier an so manches Franchisesystem oder an die Discounter im Apothekenmarkt. Bei Linda steht immer noch der persönliche Apothekennamen dran.

Ströh: Über den Vorwurf, die Linda-Kooperation tritt wie eine vermeintliche Kette auf – darüber kann man diskutieren, aber so ein Vorwurf lässt sich nicht halten. Es kommt doch darauf an, dass man als Apotheker als freier Heilberufler aktiv und wahrgenommen wird.

Simons: Wir haben keine gemeinsamen Preise, kein gemeinsames Sortiment. Jede Linda-Apotheke kauft nach ihren eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen ein. Wir haben Empfehlungen beim Einkauf, an die sich keine Linda-Apotheke halten muss. Das ist genauso freiwillig wie die grüne Ladeneinrichtung, die keiner nehmen muss.


DAZ: Wie steht es bei Linda mit der Sammlung von Daten?

Simons: Eigene Datensammlungen haben wir nicht. Ich hätte gerne mehr Daten aus unseren Mitgliedersammlungen, aber wir haben die Finger davon gelassen. Wir stützen uns auf Daten aus der Industrie und von Instituten.


DAZ: Sie haben im April die Überführung des MVDA in eine Aktiengesellschaft angekündigt. Was versprechen Sie sich davon?

Simons: Wir glauben, wir können Linda und den MVDA stärken, indem wir dem Apotheker die Möglichkeit geben, sich am Unternehmen zu beteiligen. Wir haben die Form der AG gewählt, weil man am Erfolg des Unternehmens mehr beteiligt wird als bei einer Genossenschaft. Es könnte sein, dass wir angesichts der Entwicklungen im Markt Kapital benötigen. Wenn dieser Fall eintreten sollte, muss es rasch gehen. Wir haben jetzt einen Vorschlag unterbreitet, im Herbst wird darüber abgestimmt.


DAZ: Nennen wir doch den Fall der Fälle beim Namen. Sollte der EuGH im nächsten Jahr gegen das Fremd- und Mehrbesitzverbot entscheiden, gibt es einen Plan B bei Linda, aus der Kooperation eine Kette zu machen?

Ströh: Solange man den Richterspruch nicht kennt, ist alles höchst spekulativ.

Simons: Ich könnte mir vorstellen, dass einige, die heute glauben, die Richter entscheiden nur in die eine Richtung, enttäuscht werden. So kann ich nicht glauben, dass die Richter des EuGH unsere Apotheken den Großkonzernen zum Fraß vorwerfen. Und dass Ketten preiswerter sein sollen – das hat bis jetzt noch keiner bewiesen, erst recht nicht in Norwegen. Sollte aber Luxemburg doch für den Fremdbesitz entscheiden, dann wird in Deutschland das Hauen und Stechen Einzug halten. Großhandlungen, Lebensmittel- und Drogeriekonzerne werden ihre Stärke zeigen – dann kommen harte Zeiten auf uns zu. Die öffentliche Apotheke wird allerdings nicht von heute auf morgen verschwinden.


DAZ: Es gibt Stimmen im Markt, die auf die Nähe des MVDA zur Großhandlung Phoenix hinweisen und sagen, Phoenix streckt im Fall der Fälle seine Fühler in Richtung MVDA-Apotheken aus ...

Simons: Dazu kann ich wenig sagen, ich weiß es nicht. Bis jetzt arbeiten wir gut zusammen. Und beide Seiten haben erkannt, dass es für jeden gut ist. Was soll ich dazu sagen, was Phoenix machen wird, wenn es dazu kommen sollte? Ich weiß es nicht.

Ströh: Ich kann nur wiederholen: Wir stehen zur inhabergeführten Apotheke, die qualitativ den Anforderungen der Zukunft gewachsen ist.


DAZ: Herr Simons, Herr Ströh, vielen Dank für das Gespräch.

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