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Folge 4: Arzneimittel zum Schleuderpreis
Paracetamol oder ASS für 99 Cent – bei Preisen, die an den Winterschlussverkauf erinnern, nimmt man doch gerne gleich ein paar Packungen, die nächsten Kopfschmerzen kommen bestimmt! Auch Laxanzien sollten in einem guten Haushalt niemals ausgehen, eine kleine Packung kostet weniger als ein Latte macchiato im Café gegenüber. Die Präparate können doch gar nicht so schädlich sein, wenn die Apotheke, die ja schließlich die Gesundheit der Kunden als Ziel hat, große Mengen zum kleinen Preis abgibt. Besonders reizvoll sind ja auch die netten Prämien, die man bekommt, wenn man zehn Apothekentaler oder 10.000 Payback-Punkte gesammelt hat.
Genau hier liegt das Problem: Extreme Billigangebote suggerieren vielen Kunden, die Präparate seien harmlos. Dabei können diese potenten Arzneimittel lediglich aus gesundheitsökonomischen Erwägungen für den Ottonormalverbraucher nicht mehr zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
Der Hintergrund des Tiefpreiskriegs: Große Center-Apotheken erwirtschaften aufgrund des hohen Umsatzes auch mit den aus Kundensicht preisgünstig kalkulierten Angeboten einen Gewinn. Kleine Apotheken hingegen nutzen die Wirkung der Angebote, um Rezepte in die Apotheke zu bekommen oder andere – höher kalkulierte – Artikel aus der Freiwahl an den Mann und an die Frau zu bringen.
Was tun? Immer häufiger wird heute das Thema diskutiert, dass Apothekerinnen und Apotheker als Heilberufler auch auf die marktwirtschaftlichen Gegebenheiten achten müssen. Doch die Reihenfolge ist entscheidend: Erst kommt der Heilberuf, dann erst die Marktwirtschaft! Kehren wir zurück zu einer vernünftigen Preisgestaltung im OTC-Bereich zum Wohle unserer Patienten!
KOMMENTAR
Arzneimittel sind keine Smarties!Die Abgabe von Arzneimitteln erfordert ein hohes Maß an Verantwortung. Dies gilt nicht nur für die vom Arzt verordneten Präparate, sondern vor allem für den Bereich der Selbstmedikation. Gerade hier ist pharmazeutischer Sachverstand gefragt. Welches Analgetikum ist das richtige für die Person, die in der Apotheke ihre Beschwerden schildert? Welche Dosierung ist in diesem konkreten Fall richtig? Gibt es Interaktionen mit bereits verwendeten Medikamenten? Steckt hinter den Beschwerden möglicherweise eine Grunderkrankung, deren Behandlung in die Hände eines Arztes gehört? Ein weiteres wichtiges Feld in der Beratung ist die Aufklärung. Wann ist es z. B. überhaupt sinnvoll, ein Laxans einzunehmen? Was muss beachtet werden und welche Alternativen gibt es? Und vor allem, welche Gefahren birgt eine solche Einnahme, gerade im Hinblick auf ältere Patienten? In letzter Zeit häufen sich die Meldungen über Arzneimittelmissbrauch. Auch hier ist der Heilberufler als kompetenter Ansprechpartner gefragt. In diesem Bereich sind Aufklärung und Prävention von Seiten der Apotheke gefragt und gefordert. Die Apotheken vor Ort bieten all dies. Die Mitarbeiter setzen ihr ganzes Wissen bei der Beratung ihrer Kunden ein. Diese pharmazeutische Kenntnis und vor allem deren Umsetzung in Form von Beratung ist das ganz große Plus, auf das gebaut werden kann. Das kann kein Schlecker, kein dm und keine Versandapotheke. Wie kann es also sein, dass viele Apothekenleiter diesen Vorteil leichtfertig aufs Spiel setzen, indem sie Medikamente im wahrsten Sinne des Wortes verramschen? Was soll ich einer älteren Kundin, der ich erklärt habe, dass das Laxans XY für sie nicht geeignet ist, auf die berechtigte Frage antworten: „Wenn das solche Nebenwirkungen hat, warum ist es dann im Angebot?“ Zu der anstehenden Verschreibungspflicht von Paracetamol in 30er-Packungen mag man stehen, wie man will. Aber diese Packungsgröße jetzt, sozusagen kurz vor Ultimo, für einen Appel und ein Ei zu verhökern, läuft der Berufsethik eines Apothekers eindeutig zuwider .Durch solch eine Preispolitik verspielt die Präsenzapotheke ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität. Kathrin Niekrenz |
Michael van den Heuvel
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