Interpharm 2008

Traditionelle COX-Hemmer und Coxibe im Vergleich

Nicht-steroidale, nicht-opioide Analgetika entfalten ihre Wirkung durch die Hemmung der Cyclooxygenasen (COX), weisen aber in ihrem Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil deutliche Unterschiede auf. Trotz der großen praktischen Erfahrung mit diesen Arzneistoffen ist ihre Nutzen-Risiko-Bewertung im Fluss. Prof. Dr. Thomas Herdegen, Pharmakologe an der Universität Kiel, referierte den aktuellen Wissensstand.

Analgetika auf Basis der COX-Hemmung sind die weltweit am häufigsten angewendete Arzneimittelgruppe. "Wir haben uns mit ihnen wunderbar eingerichtet", meinte Herdegen. In jeder Hausapotheke findet sich ein Sammelsurium teils ärztlich verordneter, teils rezeptfrei gekaufter Analgetika, die bei subjektivem Bedarf recht unkritisch zum Einsatz kommen. Diese "Gemütlichkeit" (Herdegen) wurde allerdings im Jahr 2004 gestört, als das relativ neue Präparat Vioxx® (Rofecoxib) wegen potenzieller kardiovaskulärer Nebenwirkungen vom Markt genommen wurde. Aus welchem Grund?

Mehr Herzinfarkte durch Coxibe?

Eine Post-Marketing-Studie hatte gezeigt, dass unter der Medikation mit Vioxx ein zusätzlicher nicht-tödlicher Herzinfarkt in 140 Patientenjahren auftritt. Die Marktrücknahme erweckte den Eindruck, dass die selektiven COX-2-Hemmer (Coxibe) ein größeres Risiko aufweisen als die traditionellen nicht-steroidalen Analgetika (tNSA), doch die tNSA waren nie so gründlich geprüft worden wie die Coxibe: Während die Vioxx-Studie mehr als 10.000 Patientenjahre dokumentierte, waren es bei der letzten placebokontrollierten Diclofenac-Studie aus dem Jahr 1966 nur 73 Patientenjahre gewesen. Der Eindruck, dass tNSA harmloser sind, wurde vollends fragwürdig, als 2006 die vierjährige MEDAL-Studie ausgewertet wurde, eine Vergleichsstudie zwischen Etoricoxib und Diclofenac mit 30.000 Patienten. Demnach war das kardiovaskuläre Risiko bei beiden Präparaten etwa gleich groß; zudem war es nicht geringer als bei Rofecoxib. Nach Ansicht von Herdegen können die Coxibe in diesem Punkte als rehabilitiert gelten. Allerdings gibt es eine wichtige Einschränkung: Das kardiovaskuläre Risiko der Coxibe bei Patienten mit vorgeschädigtem Herzen ist deutlich erhöht, woraus folgt: Cave Herzinsuffizienz und instabile KHK.

Risiken bei Leber, Niere, Magen und Darm

Neben dem Herz-Kreislauf-System können COX-Hemmer auch die Leber, die Niere und den Magen-Darm-Trakt schädigen. So ist bei Paracetamol mit 400 bis 500 lebertoxischen Todesfällen in 100.000 Patientenjahren zu rechnen, bei Diclofenac hingegen mit drei bis fünf und bei Lumiracoxib mit fünf Todesfällen; aufgrund dieses Risikos ruht seit Ende 2007 die Zulassung von Lumiracoxib, während Paracetamol noch immer rezeptfrei erhältlich ist – eine schwer verständliche Situation.

Bei der Niere können COX-Hemmer "schon bei der ersten Tablette" unerwünschte Wirkungen hervorrufen: Indem sie bestimmte Prostaglandine in der Niere hemmen, die durch Vasodilatation den Zufluss von Blut in die Niere fördern, schränken sie die Arbeitsleistung der Niere ein. Wenn noch weitere Faktoren der Niereninsuffizienz vorliegen, können Anurie, Ödeme und Hyperkaliämie auftreten; insbesondere ältere Patienten sind gefährdet. Nach Ansicht von Herdegen sind die Risiken von tNSA und Coxiben bezüglich der Nierenfunktion in etwa gleich.

Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen der COX-Hemmer betreffen den Gastrointestinaltrakt; bei längerer Anwendung können sie Blutungen, Ulzera, schlimmstenfalls Perforationen von Magen und Darm verursachen. Bezüglich dieser vielfach unterschätzten Risiken sind Coxibe sogar harmloser als tNSA, weil sie überwiegend auf der Hemmung der COX-1 beruhen.

Analgesie mit Augenmaß

Um die Risiken der COX-Hemmer zu vermeiden, verordnen viele Ärzte ihren Patienten mit chronischen Schmerzen das schwach wirksame Opioid Tramadol. Nach Meinung von Herdegen stellt dieses jedoch keine sinnvolle Alternative dar, denn es wirkt nicht entzündungshemmend und führt zur Abhängigkeit.

Herdegen resümierte, dass sowohl tNSA als auch Coxibe trotz ihrer Risiken wertvolle Arzneistoffe sind. Die Risiken sind bei einer rationalen, individuell differenzierten Anwendung der Medikamente viel geringer als der Nutzen, den sie durch eine zuverlässige Analgesie und Entzündungshemmung bieten.


cae

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