Interpharm 2008

Effizienz, akute und langfristige Begleiteffekte der Pille

Nach Schätzungen verhüten etwa 83% der Frauen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren. Dabei ist die Pille mit 70% die beliebteste Methode, gefolgt von Kondomen (50%) und Hormonimplantaten (4%). Es steht inzwischen ein breites Spektrum von Kontrazeptiva zur Verfügung, die bei Kenntnis aller Vor- und Nachteile eine individuelle, sichere und nebenwirkungsarme Kontrazeption ermöglichen, so das Fazit von Prof. Dr. Michael von Wolff vom Universitätsklinikum Heidelberg.

Orale Kontrazeptiva wirken auf drei Wegen empfängnisverhütend: Sie unterdrücken durch Einwirkung auf das Regelsystem Hypothalamus-Hypophyse-Ovar den Eisprung. Sie verändern den Schleim im Kanal des Muttermundes, so dass Spermien diesen kaum passieren können und sie verhindern, dass die Gebärmutterschleimhaut aufgebaut wird, so dass sich das befruchtete Ei nicht einnisten kann. Einstufenpräparate enthalten Gestagen (z. B. Ethinylöstradiol) in konstanter Dosierung. Die sogenannten Zweistufenpräparate enthalten Östrogen und Gestagen in wechselnder Dosierung: der Östrogengehalt bleibt gleich oder sinkt, der Gestagengehalt steigt an. Als Vorteil dieser Präparate sieht von Wolff eine geringere Hormondosis im Gesamtzyklus, Nachteile sind mögliche Zwischenblutungen sowie eine etwas geringere Zuverlässigkeit.

Minipillen enthalten nur Gestagen und wirken in der Regel nicht ovulationshemmend. Sie greifen lokal an und erhöhen die Viskosität des Zervixschleims, erniedrigen die Tubenmotilität und führen zu Veränderungen des Endometriums. So wird die Gebärmutterschleimhaut nur unzureichend aufgebaut. Allerdings muss die Einnahme der Minipillen zeitlich sehr genau erfolgen, da sonst die Wirksamkeit reduziert wird.

Um die tägliche Einnahme und den enterohepatischen Kreislauf zu umgehen wurden transkutane Präparate entwickelt. Der NuvaRing® wird in die Scheide eingeführt und verbleibt dort für drei Wochen. Er besteht aus einem flexiblen Kunststoff, der mit Östrogen und Gestagen imprägniert ist. Das Verhütungspflaster (Evra-Pflaster®) setzt Östrogene und Gestagene frei und wird einmal pro Woche auf die Haut z. B. des Oberarms geklebt. Damit ist es allerdings wenig diskret, es kann sich z. B. beim Sport leicht ablösen und darf nicht bei Adipösen angewendet werden.

Pille und Gewichts­zunahme? Jein

Der Großteil der Frau findet die Verhütung mit der Pille einfach und unkompliziert und 82% der Frauen halten die Pille für sicher. In der Regel sind Nebenwirkungen auch gering und selten. So können in den ersten Monaten Zwischenblutungen, Übelkeit oder Brustspannen auftreten. Deshalb sollte man diese Zeit abwarten, bevor ein anderes Präparat gewählt oder die Pille ganz abgesetzt wird. Manchmal klagen Frauen über eine plötzliche Gewichtszunahme. In den ersten Einnahmezyklen kann es zu einer raschen Gewichtszunahme um 1 bis 2 kg kommen, diese ist aber die Folge einer vermehrten Wassereinlagerung ins Gewebe. Bei Pillen mit Gestagenen, die die Wasserausscheidung fördern (z. B. Drospirenon) tritt das seltener auf. Pillen mit androgenem Gestagen können allerdings den Appetit steigern: Problematischer ist eine allmähliche Gewichtszunahme, die aber ausschließlich Folge vermehrter Nahrungsaufnahme und fehlender körperlicher Aktivität ist.

Erhöhtes Krebsrisiko unter hormoneller Kontrazeption

Wie sich die mehrjährige Einnahme der Pille auf das Wachstum von Tumorzellen auswirkt, wird kontrovers diskutiert. So konnte beim Mammakarzinom ein fraglich minimaler Anstieg des Risikos beobachtet werden, der Anstieg war zehn Jahre nach dem Absetzen nicht mehr erhöht. Von Wolff betonte aber, dass keine klare Datenlage zu finden ist, eine eindeutige Aussage scheint noch nicht möglich.

Diskutiert wird auch immer wieder ein erhöhtes Risiko von Zervixkarzinom. Beim hepatozellulären Karzinom besteht eine gänzlich unklare Datenlage, so von Wolff. Dagegen gaben Studien Hinweise darauf, dass die Pille vor Ovarial- und Endometriumkarzinomen schützen kann: So ist das Risiko für ein Endometriumkarzinom unter einer hormonellen Kontrazeption gesenkt, die Risikoreduktion hält ca. 20 Jahre an.

Problematisch, so von Wolff, ist das Thromboserisiko einzuschätzen. Das generelle Risiko liegt im 2. Lebensjahrzehnt unter 1/10.000/Jahr, im 4. Lebensjahrzehnt steigt es auf 5/10.000/Jahr.

Als Ursachen der Thrombosesteigerung wird eine Reduzierung der Gerinnungshemmung sowie Effekte auf die Gefäßwand angesehen. Unter den Risikofaktoren für eine Thromboembolie steht die hormonelle Kontrazeption an erster Stelle, gefolgt von einer Adipositas und Operationen.

Das Risiko kann aber durch eine individuelle Auswahl der Präparate gesenkt werden: Je geringer die Ethinylöstradiol-Dosis, desto geringer die Effekte auf das Gerinnungssystem. Die reine Gestagenpille scheint keinen Effekt auf das Gerinnungssystem zu haben.

Thromboembolische Erkrankungen gelten auch als Kontraindikationen für orale Ovulationshemmer, ebenso wie eine schwer behandelbare Hypertonie, Lebererkrankungen und Störungen der Gallensekretion.

Langzyklus als optimaler Einnahmemodus der Pille?

Beim sogenannten Langzyklus werden über zwölf Wochen kontinuierlich die oralen Kontrazeptiva eingenommen, dann wird für sieben Tage pausiert. Solche langen blutungsfreien Intervalle, wie sie auch z. B. durch Schwangerschaft und längere Stillzeit normalerweise auftreten, seien "wesentlich natürlicher" als monatliche Blutungen, so von Wolff. Er rechnete vor, dass Frauen vor 100 Jahren maximal 140 Menstruationen im Laufe ihres Lebens hatten, heute haben die Frauen dagegen rund 450 Menstruationen im Leben. Für einen Langzyklus spricht auch ein Gewinn bei der Lebensqualität, da blutungsbedingte Beeinträchtigungen wegfallen und die Hygiene verbessert wird. Es gibt auch medizinische Gründe, aus denen zu einem Langzyklus geraten werden sollte. Von Wolff zählte dazu Dysmenorrhö, zu starke oder zu lange Blutungen, Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen während der Blutung, eine zyklusabhängige Migräne sowie erhöhte Blutungsneigung und Eisenmangel.


ck

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