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Interpharm 2008
Placebos wirken, sie helfen nicht nur
Dass Placebos helfen können – wir wussten es. Aber dass und wie sie wirklich wirken – da waren wir doch eher skeptisch. Unangebracht skeptisch, wie Professor Manfred Schedlowski, Direktor des Essener Institutes für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie, in seinem aufregenden Festvortrag deutlich machte.
Placeboeffekte spielen keinesfalls nur eine Rolle im Zusammenhang mit hilfreichen "Wirkungen" von Arzneimitteln, deren Wirkung wir (noch) nicht verstehen oder die wir angesichts fehlender Belege für eine reproduzierbare, wissenschaftlich erklärbare Wirkung aus gutem Grund bezweifeln. Nicht nur für "milde" wirkende Phytopharmaka der Volksmedizin oder für Homöopathika und anthroposophische Arzneimittel lassen sich aus der Placeboforschung Erklärungen ihrer Wirkungen und Wirksamkeit ableiten.
Frappierender sind die Ergebnisse der Placeboforschung, wenn es um pathophysiologisch weit aufgeklärte und verstandene "harte" Krankheiten wie Asthma und Parkinson geht, um starke Schmerzen oder Allergien, um die Verhinderung der Abstoßung von implantierten Fremdorganen. Schedlowski zum Beispiel verabreichte Ratten, denen ein Fremdherz eingepflanzt worden war, das potente Immunsuppressivum Cyclosporin A – immer zusammen mit einer Zuckerlösung. Nach einigen Wiederholungen reichte schon die Zuckerlösung allein, um die immunsuppressive Wirkung zu verlängern. Offensichtlich ließen sich selbst die Immunfunktionen konditionieren – nicht nur der Speichelfluss des berühmten pawlowschen Hundes. Viel spricht dafür, solche Effekte gezielt zu nutzen, um z. B. mit geringeren Dosierungen von wirksamen, aber nicht gerade nebenwirkungsarmen Arzneimitteln auszukommen.
Neben der Konditionierung spielt offensichtlich auch die Erwartungshaltung im Zusammenhang mit Placebo- oder Noceboeffekten eine Rolle. Wer gute Erfahrungen mit einem Placebo (auch zum Beispiel mit einem von vielen als Pseudo-Placebo betrachteten Homöopathikum) gemacht hat, hat gute Chancen, bei wiederholten Anwendungen eher noch besser zu reagieren. Eine starke Erwartungshaltung verändert die Gehirnchemie, Neurotransmitter werden beeinflusst - mit Wirkungen auch auf Vorgänge im Hormon- und Nervensystem. Vergleichbares gilt - wo es um Nebenwirkungen geht - auch für Noceboeffekte.
Nicht nur die Ärzte, auch wir Apotheker müssen uns die Verantwortung bewusst machen, die daraus folgt. Wir sollten uns vor Augen führen, dass wir mit erklärenden Formulierungen zu Wirkungen und Nebenwirkungen Erwartungshaltungen erzeugen, verstärken oder abschwächen können, die nicht nur psychologisch, sondern auch physiologisch bedeutsam für die Patienten sind. Das gilt für unbestritten wirksame Arzneimittel nicht weniger als für umstrittene Arzneimittel der komplementären Medizin. Es gibt nicht nur die "Droge" Arzt. Auch die Droge Apotheker ist nicht zu unterschätzen. Sie wirkt umso mehr, je höher das aufgebaute Vertrauen ist. Dass dabei auch der persönliche Kontakt (den kein Arzneimittelversender je bietet) eine entscheidende Rolle spielt, wissen wir aus der Spiegelneuronenforschung. Aber das war ein Thema, mit dem sich Professor Joachim Bauer auf der Interpharm 2006 in Frankfurt beschäftigt hatte (DAZ vom 12. März 2006).
Klaus G. Brauer
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