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- DAZ 17/2008
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Interpharm 2008
Können’s Ketten wirklich besser?
Unter der Moderation von DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn stand nicht weniger als die Frage im Raum, wo in Zeiten des drohenden Falls des Fremd- und Mehrbesitzverbotes die Zukunft der Apotheke in Deutschland liegt. Mit in der Runde: DocMorris-Chef Ralf Däinghaus, Dr. Thomas Kerckhoff, Geschäftsführer der Avie-Systemapothekenkooperative, Wilfried Hollmann, Vorstandsvorsitzender der Noweda Genossenschaft und Dr. Hermann Vogel jun., Apothekenleiter in München.
Genossenschaft als ideale Form
Für Wilfried Hollmann sind Apotheker-Genossenschaften die ideale Form, um auch in Zukunft als unabhängiger Apotheker erfolgreich agieren zu können. Dachmarken-Konzepte, die heute vorrangig Kundenbindungsmodelle sind, hält Hollmann für politisch problematisch; sie könnten signalisieren, dem Fremdbesitz vielleicht doch nicht so ablehnend gegenüber zu stehen. Genossenschaften befinden sich dagegen im Eigentum der Apotheker. Sie sollten nicht auf eine Stufe mit anderen Kooperationsmodellen gestellt werden.
"Die Auswirkung der Dachmarken-Konzepte ist doch eher homöopathisch." Wilfried Hollmann |
Konzept "System-Apotheke"
Auch Avie-Geschäftsführer Dr. Thomas Kerckhoff möchte nach eigenen Aussagen am "teilregulierten Apotheken-Markt", so wie er heute in Deutschland besteht, festhalten. Er sieht die deutschen Apotheken jedoch in den "Geburtswehen dramatischer Veränderungen" und glaubt fest daran, dass der wirtschaftliche Druck neue Organisationsformen unausweichlich macht.
Sein Rezept, wie in diesem unübersichtlichen Umfeld dennoch eine hochwertige Arzneimittelversorgung sichergestellt werden kann, ist die "System-Apotheke" mit intelligenter Arbeitsteilung, um einzelne Abläufe in der Apothekenpraxis – von Einkaufsgemeinschaften bis zu integrierten Filialsystemen – zu standardisieren und effektivieren.
"Bei der letzten Gesundheitsreform fehlte mir in dem Horrorszenario nur noch die Abschaffung des Fremdbesitzverbotes." Thomas Kerckhoff |
Das Heil in der Kette?
DocMorris-Chef Ralf Däinghaus brach – wenig überraschend – eine Lanze für Apothekenketten und berichtete über den "erfolgreichen Aufbau" von Celesio-Apotheken in anderen europäischen Ländern. Auch wenn die Situation in Norwegen häufig als prekär angesehen werde (dort sind heute von 578 Apotheken gerade noch 18 unabhängig), zeigten sich dort viele Kunden sehr zufrieden und lobten vor allem die "gestiegene Beratungsqualität" – für Däinghaus ein Zeichen dafür, dass die "Entlastung von ökonomischen Verpflichtungen" pharmazeutische Ressourcen freisetzen könne. In Großbritannien böte die dortige Celesio-Kette in Apotheken Gesundheitsdienstleistungen an, die dem britischen Gesundheitssystem insgesamt zugutekommen würden. Die Zukunftsprognose des DocMorris-Mitgründers: eine Aufspaltung des Distributionsmarkts bei Arzneimitteln in einen Discount-Bereich und einen Bereich mit hohem Qualitätsstandard in der "Haupt-Abgabestelle Apotheke". Nun müssten alle an einem Strang ziehen, um Modelle minderer Qualität zu verhindern.
Plädoyer für die unabhängige Apotheke
Dr. Hermann Vogel jun., Apothekenleiter in München, der über einige Erfahrungen mit Apothekenkooperationen verfügt, appellierte in seinem engagierten Statement an das Selbstbewusstsein seiner eigenständig tätigen Kollegen und rief Däinghaus entgegen: "Reden Sie uns nicht ständig irgendwelche Schwächen ein, die wir nicht haben." Die "traditionelle" Apotheke sei ein Erfolgsmodell. Er glaube nicht, dass Ketten auf Dauer mit unabhängigen Apotheken mithalten könnten. Den Bedarf des Kunden vor Ort kenne niemand besser als eine regional verankerte und inhabergeführte Apotheke. Auch im Versandhandel mit seinem einprozentigen Marktanteil sieht Vogel keinen Wettbewerbsgegner. Er kann sich nicht vorstellen, dass seine Kunden "auf solch eine Plastikbeutel-Pharmazie abfahren".
"Keine Kooperation und keine Dachmarke macht mich zu einem besseren Apotheker." Hermann Vogel jun. |
Alles keine Erfolgsmodelle
In der Diskussion bezweifelte Däinghaus, dass es zwischen den Apothekenmodellen gravierende Unterschiede gebe. Nach seiner Erfahrung erhofften sich manche Apotheker von der Kette, ihre kaufmännische Verantwortung reduzieren und sich mehr der pharmazeutischen Beratung widmen zu können. Hollmann sieht die Bereitschaft allerdings eher darin begründet, dass manche Apotheken ohne DocMorris vor dem wirtschaftlichen "Aus" gestanden hätten. Für ihn sind die Niederländer kein Erfolgsmodell – im Gegenteil. Gleiches gelte für Kooperationen und Dachmarken, deren Mitgliederzahlen in der letzten Zeit im Übrigen beträchtlich gesunken sind. Optimistisch sieht, ähnlich wie Hollmann, auch Vogel die Wettbewerbsfähigkeit der inhabergeführten Apotheke. Kerkhoff ist da skeptischer: "Das Spiel wird in Zukunft noch erheblich härter gespielt." Sollten sich in Zukunft Branchenfremde vor Gericht den Marktzugang erstreiten, so wie dies jüngst im "Fall dm" geschehen sei, so helfe nur eins: den Kampf im Markt aufzunehmen und den Konkurrenten durch ein höheres Qualitätsniveau die Stirn zu bieten.
hb
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