Arzneimittel und Therapie

Weltweit steigende Prävalenz

Zwei Studien befassten sich mit der Häufigkeit der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Einer US-Studie zufolge ist die Prävalenz einer fortgeschrittenen COPD höher als bislang vermutet und steigt weltweit an. Sie liegt aktuell bei etwa 10% und wird voraussichtlich in den nächsten Jahren weiter anwachsen. Die häufigste Ursache für eine COPD ist das Zigarettenrauchen, aber auch Passivrauchen kann zu einer COPD führen.

Die COPD ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen und man schätzt, dass im Jahr 2020 jeder dritte Todesfall auf diese Erkrankung zurückzuführen ist. Bereits heute sterben jährlich rund 2,5 Millionen Menschen an der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, etwa gleich viele wie an HIV/Aids. Die stetige Mortalitäts- und Morbiditätszunahme ist hauptsächlich auf starken Tabakkonsum und die gestiegenen Lebenserwartungen zurückzuführen. Diese beiden Parameter – Rauchen und Alter – gelten als Hauptrisikofaktoren für eine COPD. Trotz dieser alarmierenden Zahlen besteht aber noch immer Unklarheit, wie hoch die Prävalenz einer COPD tatsächlich ist. Daher entwickelte die Bold-Initiative (BOLD = Burden of Obstructive Lung Disease) eine Methode, um die Häufigkeit einer COPD einzuschätzen und Risikofaktoren zu ermitteln. Mithilfe dieser Methode wurde die weltweite Prävalenz der COPD ab Stadium II bei über 40-Jährigen in Abhängigkeit vom Rauchstatus, Alter und Geschlecht ermittelt.

Die Klassifikation der COPD richtet sich nach den GOLD-Kriterien (GOLD = Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease) und umfasst spirometrische Parameter nach einer medikamentösen Bronchodilatation, die Beurteilung des Gesundheitszustands und respiratorischer Symptome sowie den Einfluss COPD-bezogener Risikofaktoren.

Einteilung der Stadien der COPD nach der Global Initiative for

Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD)
Stadium
Merkmale
0: gefährdet
chronischer Husten und Sputumproduktion, Spirometrie der Lungenfunktion ist normal
I: leichte COPD
leichte Behinderung der Ventilation (FEV1 /FVC < 70% aber FEV1 80% vom Sollwert) mit oder ohne chronische Symptome
Betroffene sind sich häufig nicht bewusst, dass ihre Lungenfunktion nicht normal ist
II: moderate COPD
Verschlechterung der Ventilation (FEV1 /FVC < 70%, aber 50% FEV1 < 80% vom Sollwert) und Fortschreiten der Symptome, Kurzatmigkeit nach körperlicher Anstrengung
III: schwere COPD
fortschreitende Ventilationsstörung (FEV1 /FVC < 70%, aber 30% FEV1 < 50% vom Sollwert)
gesteigerte Kurzatmigkeit und wiederholte Exazerbationen, die die Lebensqualität des Patienten stark beeinflussen
IV: sehr schwere COPD
schwerste Ventilationsstörung (FEV1 /FVC < 70%, aber FEV1 < 30% vom Sollwert) oder schwere chronische respiratorische Ausfälle
Lebensqualität wird noch weiter eingeschränkt und Exazerbationen können lebensbedrohlich sein

Prävalenz höher als erwartet

Für die COPD liegen in Deutschland bislang keine validen Prävalenzangaben vor. Die Prävalenz der chronischen Bronchitis wird bei der erwachsenen Bevölkerung auf 10 bis 15% geschätzt. Der Anteil der COPD an dieser Prävalenzschätzung ist nicht bekannt. Internationale Schätzungen der COPD-Prävalenz bewegen sich zwischen 4 und 10% der erwachsenen Bevölkerung und schwanken stark in Abhängigkeit von den zur Diagnosestellung genutzten Methoden. In den vorliegenden Studien wurden die Daten von 9425 Teilnehmern aus zwölf Ländern mit unterschiedlichem Entwicklungsstand ausgewertet. Die durchschnittliche Prävalenz einer COPD im Stadium II oder höher lag hier bei 10,1%. Dabei zeigten sich große Unterschiede bei den einzelnen Ländern. So betrug die Prävalenz der COPD (Stadium II, III oder IV) in Deutschland 5,9%, im südafrikanischen Kapstadt hingegen 19,1%. Neben geographischen Unterschieden zeigten sich auch geschlechts-, alters- und tabakkonsumspezifische Unterschiede:

  • Männer erkranken häufiger an einer COPD als Frauen (12% vs. 8%), was auf den geringeren Tabakkonsum von Frauen zurückzuführen ist.

  • Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz einer COPD, was exemplarisch am Beispiel von Polen dargelegt wird: Bei 40- bis 49-jährigen Männern beträgt die Prävalenz 2%, bei den über 70-jährigen 40%; bei 40- bis 49-jährigen Frauen in Polen liegt die Prävalenz bei 2% und steigt bei den über 70-jährigen auf 16% an. In den anderen Ländern bestehen ähnliche Tendenzen, und die Rate der COPD verdoppelt sich ungefähr alle zehn Jahre (Odds ratio 1,94; 95% Konfidenzintervall 1,80 bis 2,10).

  • Das Ausmaß des Tabakkonsums schlägt sich in der Prävalenz der COPD nieder. So kann am Beispiel von Deutschland gezeigt werden, dass bei männlichen Nichtrauchern die Prävalenz bei 4% liegt und bei einem Konsum von mehr als 20 pack years (ein "pack year" bedeutet den Konsum von einer Packung entsprechend etwa 20 Zigaretten täglich über ein Jahr) auf 15,8% ansteigt. Die entsprechenden Daten bei Frauen betragen 3% (Nichtraucherinnen) und 8% (starke Raucherinnen).


Weltweite Prävalenz der COPD Die Prävalenz der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung in Deutschland ist nicht genau bekannt. Weltweit ist die COPD die vierthäufigste Todesursache und lag 2002 in Deutschland an 7. Stelle der Todesursachen. Es wird erwartet, dass die Mortalität der COPD bis 2020 an die 3. Stelle der weltweiten Statistik für Todesursachen vorrücken wird.

Chinesische Kohortenstudie zum Passivrauchen

In einer weiteren Studie wurde der Einfluss des Passivrauchens – Passivrauchen gilt als potenzieller Risikofaktor für eine COPD – auf die Entwicklung einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung in der chinesischen Bevölkerung untersucht. Diese Studie wurde in China durchgeführt, da es dort kaum Regelungen zum Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz und in öffentlichen Bereichen gibt und der Einzelne dem Passivrauch mehr oder weniger ungeschützt ausgesetzt ist. Die notwendigen Daten wurden der Guangzhou Biobank Cohort Study entnommen, in der unter anderem spirometrische Parameter von 20.430 Männern und Frauen im Alter von über 50 Jahren, darunter von 15.379 lebenslangen Nichtrauchern, gesammelt wurden. Mithilfe von Fragebögen wurden Dauer und Ausmaß des Passivrauchens am Arbeitsplatz und zu Hause ermittelt und mit spirometrischen Parametern in Verbindung gesetzt, um Häufigkeit und Ausmaß einer COPD festzustellen. Dabei konnten folgende Aussagen getroffen werden:

Für Nichtraucher, die in hohem Ausmaß (mehr als 40 Stunden pro Woche über mehr als fünf Jahre hinweg) Passivrauch ausgesetzt waren, stieg das Risiko, an einer COPD zu erkranken um 48% an (Odds ratio 1,48; 95% Konfidenzintervall 1,18 bis 1,85).

Zwischen den respiratorischen Symptomen und dem zunehmenden Passivrauchen bestand ein signifikanter Zusammenhang.

Überträgt man diese Zahlen auf die chinesische Bevölkerung (240 Millionen Menschen über 50 Jahre), so werden 1,9 Millionen Todesfälle aufgrund einer COPD bei Nichtrauchern auf das Passivrauchen zurückzuführen sein.

Bedrohliche Aussichten

Beide Studien zeigen, dass die COPD ein weit größeres Problem ist als bislang angenommen. Wegen der steigenden Lebenserwartung wird ihre Prävalenz in den nächsten Jahrzehnten zunehmen, selbst wenn der zweite große Risikofaktor – das Zigarettenrauchen – abnehmen sollte. Neben den bekannten Risikofaktoren wie Rauchen und Alter müssen noch weitere ungünstige Einflüsse bedacht werden; der Einfluss des Passivrauchens wurde in der obigen chinesischen Studie eindrücklich aufgezeigt. Weitere mögliche Risikofaktoren sind die Umweltverschmutzung, Tuberkulose, ein niedriger sozioökonomischer Status und schlechte Arbeitsbedingungen. Auch das Geschlecht scheint die Empfänglichkeit für eine COPD zu beeinflussen, denn Frauen reagieren empfindlicher als Männer auf mögliche COPD-auslösende Noxen.

Zum Weiterlesen

Volkskrankheit COPD – eine Übersicht.

Med Monatsschr Pharm 2007;30(5):168-76.

 

www.medmopharm.de

 

Quelle

Buist S., et al.: International variation in the prevalence of COPD (the BOLD study): a population-based prevalence study. Lancet 370, 741-750 (2007).

Yin P., et al.: Passive smoking exposure and risk of COPD among adults in china: the guangzhou biobank cohort study. Lancet 370, 751-757 (2007).

Wouters E.: COPD: a chronic and overlooked pulmonary disease. Lancet 370, 715-716 (2007).

Menezes A., et al.: Role of passive smoking on COPD risk in non-smokers. Lancet 207, 716-717 (2007).

 


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.